Das Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt 2010 bietet eine Fülle an höchst unterschiedlichen Veranstaltungen auch im Bereich Musik und Musiktheater. Vor allem steht dieser Komponist im Zentrum: Hans Werner Henze. Über 40 Partner präsentieren in diesem Jahr dessen Oeuvre. Mit dabei ist auch das Bottroper Kammerorchester unter seinem Dirigenten Kai Röhrig.
opernnetz: Herr Röhrig, beim bevorstehenden Konzert des Bottroper Kammerorchesters steht Musik von Wolfgang Amadeus Mozart neben der von Hans Werner Henze – eine Kombination, die auf den ersten Blick nicht unbedingt nahe liegt. Welche Idee steht hinter diesem Projekt?
Kai Röhrig: Im Rahmen des Festivals zur europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010 beteiligte sich das Bottroper Kammerorchester am Henze-Projekt. Neue Musik für eine Metropole und war dort bereits im September mit Konzerten vertreten, bei denen Kompositionen von Hans Werner Henze Werken von Wolfgang Amadeus Mozart gegenüber standen. So erklangen z. B. Mozarts Konzertarie Ch’io mi scordi di te? neben Henzes Kantate Being Beauteous und sein Klavierkonzert in C-Dur KV 415 neben Henzes geistlichem Klavierkonzert Agnus Dei. Im Oktober 2010 setzen wir diese programmatische Konstellation mit einem szenischen Doppelabend fort: Neben Hans Werner Henzes erster Oper Das Wundertheater führen wir den Schauspieldirektor von Wolfgang Amadeus Mozart auf. Mozarts Singspiel führt dabei direkt zu Henzes „Oper für Schauspieler“, die er - 22jährig - auf ein Intermezzo von Cervantes komponierte.
Für die Bottroper Aufführungen am 24. und 25. Oktober 2010, jeweils um 19.30 Uhr (Einführungsveranstaltung jeweils um 18.30 Uhr), wurden sieben Darsteller engagiert: für die Oper von Mozart drei Sänger und für beide Opern vier Schauspieler, so dass insgesamt sieben Akteure in sämtliche Rollen schlüpfen werden: Claudia Dölker, Dorit Ehlers, Maximilian Kiener Alexander T.T. Mueller, Corinna Reithuber, Hartmut Scheyhing und Hege Gustava Tjoenn. Die Inszenierung und Ausstattung übernehmen die beiden Regisseurinnen Alexandra Szemeredy und Magdolna Parditka, die in den vergangenen Jahren mit ihren Inszenierungen von Richard Wagners Opern Parsifal und Tristan und Isolde im Rahmen der Budapester Wagner-Tage für Furore sorgten. In Salzburg haben sie mit Produktionen von Mozarts Zauberflöte sowie einem szenischen Abend über Motive von Stefan Zweig ebenfalls für viel Aufsehen gesorgt.
opernnetz: Der Aufführungsort – der Malakoffturm auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Prosper II - ist ungewöhnlich: Sie singen und spielen in einem Industriedenkmal. Was bedeutet Ihnen ein solcher Ort, wie gehen Sie damit um, wie stellen Sie sich auf die besonderen Bedingungen ein?
Kai Röhrig: Bei den Programmen des Bottroper Kammerorchesters (BKO) versuche ich meistens, eine abwechslungsreiche Mischung aus Altem und Neuem anzubieten. Unsere Konzerte sollen als Ganzes eine kraftvolle Aussage haben, eine Balance herstellen zwischen Anspruch und Hörvergnügen. Mit den Konzerten im Malakoffturm ist uns das, glaube ich, bisher ganz gut gelungen: Die Historische Gesellschaft Bottrop hat den Turm ja vor einigen Jahren als Industriedenkmal und Kultur-Raum erschlossen und das BKO hat seit dem Jahr 2004 dort zwölf Konzerte bestritten. Der Begriff KlangTurmMalakoff ist inzwischen zu einem festen Bestandteil des Musiklebens unserer Stadt geworden. Im Laufe der Jahre haben wir dort wirklich alles gespielt was das Repertoire so bietet: von Bach und Purcell über Mozart zur Romantik, von Mendelssohn und Wagner über Strauss und Mahler zu Berg und Webern, von Hartmann und Britten zu Henze und Glass und und und… und natürlich bis hin zu eigens für den Raum komponierten Uraufführungen wie z.B. PROSPER II des ungarischen Komponisten Theodor Burkali.
Die räumliche Situation ist im ehemaligen Förderturm sehr speziell: die erste Zuschauerreihe ist nur etwa einen Meter von den Geigern und den Bögen der Cellisten entfernt. Auf der Seite können die Zuhörer in der ersten Reihe ja fast auf den Tasten des Klaviers mitspielen oder beim Bass mitzupfen. Diese unmittelbare Nähe zu den Ausführenden, wo man die Konzentration und Hingabe, das Handwerk und die Emotion so unmittelbar spürt, das ist glaube ich jedes Mal für das Publikum und auch für die Musiker ein Erlebnis – neben der besonderen Aura des Industriedenkmals.
opernnetz: Abseits von diesem konkreten Projekt im Rahmen der Ruhr.2010: sagen Sie uns ein paar erhellende Worte zum Bottroper Kammerorchester.
Kai Röhrig: Das Bottroper Kammerorchester wurde 1950 vom städtischen Musikdirektor Franz Switing gegründet. Im Jahr 1964 übernahm Josef Klawinski die Leitung und festigte den guten Ruf des Ensembles weit über Bottrops Grenzen hinaus. Von Josef Klawinski habe ich die Leitung des Orchesters im Jahr 1999 übernommen. Unsere Musiker kommen für die Projekte des BKO aus ganz Nordrhein-Westfalen zusammen, die Besetzung variiert je nach Programm zwischen Streichorchester, klassischem Kammerorchester oder auch solistisch besetztem Ensemble. An ungewöhnlichen Aufführungsorten und mit unkonventioneller Programmatik kontrastiert dabei zeitgenössische Musik mit klassischen Werken, und wir versuchen eine Balance zu schaffen zwischen Traditionspflege und dem Engagement für Neue Musik. Im Dezember 2010 begeht das Orchester sein 60jähriges Jubiläum – unter anderem mit der Uraufführung eines Orchesterwerkes von Wolfgang Rihm.
(Die Fragen stellte Christoph Schulte im Walde)
Nähere Informationen zu den Konzerten des BKO auch unter: www.bottroper-kammerorchester.de
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