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BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Christian Otto

Christian Otto ist Mitglied des Orchestervorstands und Delegierter der DOV der Neuen Philharmonie Westfalen


 
 

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Der schnöde Mammon?

In diesen Wochen streiten die Musiker der bundesdeutschen Orchester um ihre Honorierung. Es geht im Kern um die Anpassung an die Tarifregelung des öffentlichen Dienstes. Der Deutsche Bühnenverein - der Zusammenschluss der deutschen Staats- und Stadttheater – hat da divergierende Vorstellungen. Es kommt zu Protestaktionen der Orchester; Konzerte fallen aus oder Opernaufführungen werden verspätet begonnen.

Christian Otto, Mitglied des Orchestervorstands und gewählter Delegierter der Deutschen Orchester-Vereinigung für die Neue Philharmonie Westfalen, antwortet auf drei opernnetz-backstage-Fragen.

 

opernnetz: Orchestermusiker sind - nach Meinung vieler anderer Theatermitarbeiter - durch ihre spezifische Dienste-Regelung besonders privilegiert. Was ist eigentlich das Spezifikum der Orchestermusiker-Tarifregelung?

Christian Otto: Auf so eine allgemeine Behauptung "vieler anderer Theatermitarbeiter" eine Entgegnung zu geben ist eigentlich nicht möglich, ich will aber einmal einige spezifische Besonderheiten unseres Tarifvertrages erläutern. Wir haben eine Sechs-Tage-Woche, keine Sonn-, Feiertags- oder Nachtzuschläge.
Reisezeiten werden erst ab einer Dauer von zwei Stunden - und dann nur begrenzt- der Arbeitszeit zugerechnet.
Es gibt ein Maximum an Diensten (Probe oder Vorstellung) pro Woche und innerhalb eines Ausgleichszeitraums von zwölf Wochen.
Daraus nun, wie der Bühnenverein (der Arbeitgeberverband) eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden zu konstruieren, ist eine immer wieder hervorgeholte Polemik, die dadurch kein bisschen wahrer wird. Abgesehen davon, dass es keinen Arbeitgeberverband - besonders der öffentlichen Hand - gibt, der einen solchen Tarifvertrag unterschreiben dürfte, unterstellt man damit ja, dass häusliche Vorbereitung auf dem Instrument, sprich: Üben, Instrumentenpflege und Instandhaltung, Besuche beim Instrumentenbauer, Einrichten der Stimmen etc. unser Freizeitvergnügen zu sein hat.

opernnetz: Wenn es denn diese besonderen Bedingungen für Orchestermusiker gibt: Weshalb dann die Forderung, den BAT-Tarifen angepasst zu werden? Das müsste dann doch auch den Verzicht auf besondere Regelungen beinhalten?

Christian Otto: Die Anbindung an den BAT ist lediglich eine Bezugsgröße für die prozentualen Tarifanpassungen. Durch unseren eigenständigen Tarifvertrag waren wir zum Beispiel an den Arbeitszeitverkürzungen im öffentlichen Dienst in der Vergangenheit nicht beteiligt, eine Forderung nach Verlängerung der Arbeitszeit wäre also unbillig.
Allerdings haben wir im komplett neu überarbeiteten, noch nicht unterschriebenen neuen Tarifvertrag für die Orchester alle im neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) beschlossenen materiellen Kürzungen wie Wegfall des Urlaubsgeldes, Kürzung der Zuwendung, Ortszuschlag usw. umgesetzt. Wir gehen davon aus, dass uns nun auch die allen anderen im öffentlichen Dienst, auch an den Theatern gewährte Anhebung der Vergütungen zusteht. Nach mehr als dreijährigen Verhandlungen droht an dieser unserer berechtigten Forderung die gesamte tarifliche Grundlage für Orchester in Deutschland, die sich in Jahrzehnten bewährt hat, zu zerbrechen. Aus diesem Grunde sehen wir uns an der Schwelle zu einem Arbeitskampf, den es im Orchesterbereich eben diese Jahrzehnte nicht gegeben hat.

opernnetz: Für den an leidenschaftlicher Kunst interessierten Besucher ist das scheinbar profane Feilschen um den schnöden Mammon ihrer verehrten Künstler kaum verständlich. Welche kommunikativen Strategien werden Sie da - auch konkret in Ihrem Orchester - praktizieren?

Christian Otto: Auch wenn wir einen künstlerischen Beruf ausüben dürfen, so dient er doch auch unserem Lebensunterhalt. wir sind ganz normale Menschen mit Familien, Wohnungen, Autos, wir möchten in Urlaub fahren, mit unseren Kindern in den Zoo gehen...
Wir möchten nicht mehr und nicht weniger als an der Einkommensentwicklung im gesamten öffentlichen Dienst teilhaben. Jeder von uns hat 900 € weniger ,da uns die Einmahlzahlungen des letzten Tarifabschlusses vorenthalten wurden, die Prozente des jetzigen bekommen wir nicht, so müssen wir mit den Gehältern von 2002 die Lebenshaltungskosten von 2008 bezahlen.
Zur Kommunikationsstrategie nur soviel: unsere vornehmste Aufgabe ist es, nonverbal durch unsere Konzerte und Opernvorstellungen unsere Daseinsberechtigung immer und immer wieder zu verdeutlichen.
Solange es aber immer wieder vor allen Dingen Politiker gibt, die das Märchen von der Verwöhnlandschaft für Musiker, 24-Stunden-Arbeitswochen und Traumgehältern in die Lande tragen, uns mithin als Schmarotzer darstellen und manche Medien dies begeistert verbreiten, haben wir einen schweren Stand.
Ausnehmen muss ich ausdrücklich die für unser Orchester Verantwortlichen, die sehr wohl wissen, was sie an uns haben.

(Die Fragen stellte opernnetz-Herausgeber Franz R. Stuke)

Aktuelle Dokumente finden Sie hier:
Stellungnahme des Generalintendanten des Magdeburger Theaters
Stellungnahme des Deutschen Bühnenvereins
Das Rundschreiben des Deutschen Bühnenvereins an die Musiker vom 14. November 2008 und die Antworten der DOV dazu

 

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