Neue Formen und Inhalte ausprobieren
Gastspiele an anderen Häusern gehören am Staatstheater Oldenburg genauso zum Auftrag wie die Beschäftigung mit modernem Musiktheater. Generalintendant Rainer Mennicken gibt Einblick in den Oldenburger Theaterbetrieb.
Opernnetz: Das Staatstheater Oldenburg ist ohne Zweifel der kulturelle Fokus in einer eher ländlichen Region. Wie gehen Sie bei Ihrer Spielplangestaltung mit den regionalen Besonderheiten um – und wie definieren Sie Ihr potentielles Publikum?
Rainer Mennicken: Die regionalen Besonderheiten im Nordwesten Deutschlands haben keine allgemeinen Auswirkungen auf die Opernspielplangestaltung am Oldenburgischen Staatstheater. Das Publikum, das sich wie in vergleichbaren Mittelstädten aus dem kulturell aufgeschlossenen Bürgertum zusammensetzt und einen leichten Überhang im Altersbereich zwischen 50 und 75 aufweist, interessiert sich für die Highlights des regulären Repertoires und öffnet sich erfreulich intensiv, wo anrührende, komödiantische und/oder szenisch und musikalisch besondere Produktionen aus der weniger bekannten Literatur gelingen. Bestes Beispiel in diesem Zusammenhang ist "Die Feenkönigin" von Henry Purcell, die derzeit im Freiverkauf volle Häuser erzielt.
In einzelnen Fällen geht das Programm auf regionale Aspekte ein. So kam es zur erfolgreichen Aufführung der Oper "Erendira" der in Oldenburg ansässigen und am musikwissenschaftlichen Institut der hiesigen Carl-von-Ossietzky-Universität lehrenden Komponistin Violeta Dinescu. Für den Zuschauernachwuchs engagiert sich das Oldenburgische Staatstheater, indem es Kinderopern ("Wir machen eine Oper", "Die Chinesische Nachtigall", "Ahmal und die nächtlichen Besucher") ins Programm nimmt.
Opernnetz: Das Staatstheater Oldenburg gastiert mit diversen Opern-Produktionen auch außerhalb. Welche Motive spielen für diese Aktivitäten eine Rolle?
Mennicken: Gastspiele mit Opernaufführungen gehören generell zum Auftrag des Oldenburgischen Staatstheaters. Es gibt eine langjährige Tradition von Reisen nach Wilhelmshaven (das mit der Landesbühne lediglich eine Schauspielsparte vor Ort hat, aber ein Publikum für Musiktheater und Tanz), Nordenham und Städten wie Wolfsburg (Bespieltheater) und Itzehoe. In der Spielzeit 2005/06 ist es darüber hinaus zu einem Gastspielvertrag mit dem (ebenfalls nur mit der Sparte Schauspiel ausgestatteten) Theater Heilbronn gekommen, wo im Rahmen des dortigen Abonnements seit Jahren auch Opernproduktionen als Gastspiele angeboten werden. Das Oldenburgische Staatstheater gastiert mit elf Vorstellungen von Mozarts "Idomeneo". Letzteres wird wohl eine Besonderheit bleiben, die eine gewisse Erweiterung der Reputation mit sich bringt. Im Übrigen sind die Gastspiele durchaus ein Faktor auf der Einnahmenseite des Theaters.
Opernnetz: Am 29. April gab es bei Ihnen die Premiere von "Tea" von Tan Dun. Welche Bedeutung messen Sie dem „modernen Musiktheater“ zu und wie schätzen Sie die Akzeptanz durch das regionale Publikum ein?
Mennicken: Das neue Musiktheater wird - wie auch an anderen Häusern vergleichbarer Struktur und Funktion - nach besten Kräften präsentiert und unterstützt - wobei die Resonanz unterschiedlich ausfällt. Dieser Befund sollte für öffentlich bezuschusste Theater kein Hinderungsgrund sein, neue Formen und Inhalte auszuprobieren und vorzustellen. Der Start für die jetzige Intendanz setzte mit Ligetis "Der große Makabre" auf Risiko und erreichte erfreuliche Presseresonanz bei mäßigem Publikumszuspruch. Die obengenannte Produktion "Erendira" erwies sich (auch angesichts eines gewissen "Heimvorteils" der Komponistin) als Publikumserfolg und die jüngst herausgekommene Inszenierung der Oper "Tea" von Tan Dun darf als rundum gelungene Unternehmung betrachtet werden: die künstlerische Qualität der Produktion überzeugt ebenso wie die Musiksprache des Komponisten. Das Publikum strömt in unerwartet großer Zahl und feiert die Aufführungen.
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