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Eine große Bandbreite anbieten
Mit selten gespielten französischen Opern sowie Ur- bzw. Erstaufführungen will Intendant Holger Schultze dem Theater Osnabrück ein deutliches Profil verschaffen.
Opernnetz: Wie schätzen Sie die Musiktheater-Erwartungen des Publikums in Osnabrück ein und welche kommunikativen Strategien realisieren Sie, um das Publikum ins Theater zu locken?
Holger Schultze: Die unmittelbaren Reaktionen auf Lorenzo Fioronis Nabucco-Inszenierung haben gezeigt, dass das Osnabrücker Publikum durchaus ein emotionales Verhältnis zum Musiktheater hat. Jubelnde Zustimmung und schroffeste Ablehnung hat uns danach erreicht. Nachgespräche und Werkeinführungen haben uns aber gezeigt, dass das Publikum – auch wenn zum Teil zunächst heftige Ablehnung geäußert wurde – sich durchaus interessiert mit Inszenierungsfragen beschäftigt. Die hohen Auslastungszahlen von „Nabucco“ zeigen nicht zuletzt an, dass das Publikum bereit für die Auseinandersetzung ist. Von daher denke ich, dass wir, wenn wir uns auch weiterhin in Gesprächen, Matineen sowie durch Workshops im theaterpädagogischen Bereich den Fragen des Publikums öffnen, mehr und mehr Zuschauer für zeitgenössische Inszenierungen und Produktionen gewinnen können.
Opernnetz: Welches künstlerisch-inhaltliche Konzept bestimmt Ihre Intendanz in Sachen Musiktheater, wo werden Sie Schwerpunkte setzen: bislang vernachlässigte Werke (Barock, 2034 Jahre); neue Sichtweise auf das Repertoire; Förderung neuer Werke?
Schultze: Wichtig ist uns auf jeden Fall, dem Publikum eine große Bandbreite des Musiktheaters anzubieten, sowohl was die Auswahl der Werke, als auch die der Regiehandschriften angeht; d.h. neben großen italienischen Opern wie „Nabucco“ stehen gleichwertig Operetten wie „Gräfin Mariza“ oder das Gershwin-Musical „Crazy for you“. Hinzu kommen zwei Stränge, auf die wir besonderen Wert legen und die gewissermaßen als zwei rote Fäden die kommenden Spielzeiten miteinander verbinden sollen. Das ist auf der einen Seite das in Deutschland doch noch weitgehend unbekannte französische Repertoire, das bis auf „Carmen“ in der Regel dem Publikum eher unbekannt ist. In dieser Spielzeit war es Massenets „Werther“, in der kommenden wird ein Werk des 20. Jahrhunderts auf dem Spielplan stehen.
Der andere rote Faden wird sich mit Uraufführungen sowie deutschen und deutschsprachigen Erstaufführungen befassen. In diesem Jahr wird es sich mit Alex Nowitz’ (Musik) und Ralph Hammerthalers (Libretto) „Bestmannoper“ um einen politisch brisanten Stoff handeln. Es geht darin um Alois Brunner, Eichmanns „besten Mann“, einen der größten Nazi-Verbrecher, der, obwohl sein Aufenthaltsort lange bekannt war, bis heute nicht in Deutschland vor Gericht gestellt wurde, sondern von Syrien gedeckt ein annehmliches Pensionärs-Dasein führen konnte und vielleicht noch kann.
Im nächsten Jahr steht hingegen ein literarischer Stoff an: Shakespeares „Titus Andronicus“ in der kompositorischen Verarbeitung als „Lavinia A.“ von André Werner. Ausschnitte dieser beiden Werke wurden bereits beim Eröffnungsfestival „Spieltriebe“ im September 2005 in Osnabrück vorgestellt.
Opernnetz: Leander Haußmanns Zeit am Bochumer Schauspielhaus stand unter dem Motto „Viel Spaß“. Können Sie eine solche guide line nachvollziehen – und wie konkretisieren Sie Ihre reale Umsetzung?
Schultze: „Neues und Altes für ein Jetzt und Hier“. Klassiker und Uraufführungen, unbekannte Stücke ebenso wie „musts“ in Inszenierungen, die uns heute betreffen, die uns etwas sagen können. Konkret heißt das (siehe auch oben): Verdi neben Nowitz, „Werther neben „Gräfin Mariza“, oder für das Schauspiel Brecht und Goethe neben Kricheldorf und Mansmann, Tennessee Williams’ „Orpheus steigt herab“ ebenso wie Edmond Rostands „Cyrano“ oder Richard Alfieris „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“.
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