Archiv     Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Johannes Reitmeier

Intendant des Pfalztheaters Kaiserslautern


 
 

zurück       Leserbrief

Seit der Spielzeit 2002/03 ist Johannes Reitmeier Intendant des Pfalztheaters Kaiserslautern, wo der Bayer im vergangenen Jahr seinen Vertrag bis 2012 verlängerte. Zu seinen erfolgreichen Inszenierungen an diesem Haus zählen Ibsens Peer Gynt, das Musical Nostradamus (auch als Autor), Wagners Frühwerk Die Feen und die Uraufführung des Rockspektakels Abydos von Vandenplas. Ihm ist zu verdanken, dass die viel beachtete Uraufführung des Onkel aus Boston von Mendelssohn-Bartholdy vergangene Saison in Kaiserslautern stattfand, als auch seine Faust-Inszenierung Aufsehen weit über die Fritz-Walter-Stadt hinaus erregte. Seine Leuchtturm-Inszenierung in der laufenden Saison wurde vom Publikum und der Presse begeistert aufgenommen (aktuelle Kritik hier). Am 12. Januar 2008 kommt es nun zur Uraufführung von Ludus Danielis (The Play of Daniel). Reitmeier ist außerdem seit 2005 Intendant der Kreuzgangspiele Feuchtwangen. Gemeinsam mit Urs Haeberli führt er dort 2008 Regie bei Hebbels Nibelungen.
Unser Mitarbeiter Frank Herkommer sprach mit Johannes Reitmeier.

opernnetz: Bedeutende Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Am 12. Januar 2008 erlebt das Pfalztheater Kaiserslautern die Uraufführung von Johannes Reitmeiers Mysterienspiel Ludus Danielis. Latein und Günter Wernos Arrangement, Mediävistik und der bedeutendste deutsche progressive Rock-Komponist und Arrangeur der Gegenwart, passt das zusammen? Wie kam es überhaupt zu dem Stück? Wie verlaufen die Proben?

Intendant Johannes Reitmeier: Die Proben verlaufen sehr gut und harmonisch. Es herrscht ein ausgezeichnetes Probenklima. Alle arbeiten hart und konstruktiv und mit kreativen Einfällen an diesem neuen Projekt. Das Ensemble mit Astrid Vosberg, Andy Kuntz und Randy Diamond an der Spitze bringt wie immer großes Engagement und bewundernswerte Professionalität in das Rollenstudium mit ein.
Vor vielen Jahren begegnete mir während meiner Studienzeit in München der Ludus Danielis zum ersten Mal. Ich wurde für eine Aufführung des Werkes gemeinsam mit zahlreichen Spezialisten für mittelalterliche Aufführungspraxis als blutjunger Regisseur engagiert. Die Vorstellungen fanden in der großen Einganghalle der Ludwig-Maximilian-Universität statt und wurden ein großer Erfolg. Das Stück beschäftigte mich nachhaltig, aber ich verlor es im Laufe der Zeit aus den Augen. Erst als mir kürzlich auf einem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt eine Produktion auf CD in die Hände fiel, reifte der Gedanke, das Mysterienspiel im Pfalztheater in neuer Gestalt auf die Bühne zu bringen. Günther Werno, einer der musikalischen Köpfe von Van den Plas war von der Idee spontan begeistert, das originale Notenbild von 1230 mit den musikalischen Mitteln der Band in ein zeitgenössisches Rockoratorium zu verwandeln. Die Symbiose von mittelalterlichen Klängen zwischen Gregorianik und rhythmischen Tänzen mit Hardrock funktioniert erstaunlich gut. Oft vergisst man beim Hören des neuen Werkes, wie alt diese Musik wirklich ist.

opernnetz: Nach Ihrem erfolgreichen Musical Nostradamus wieder ein Stück mit transzendentaler, religiöser Thematik. Erneut Apokalyptik. Sind die Zeiten danach, erleben die Menschen Geschichte als Verfall und Abstieg und erwarten sich deshalb religiöse Antworten oder tritt Theater vermehrt an Stelle der an Bindekraft einbüssenden kirchlichen Großinstitutionen und übernimmt den religiösen Diskurs?

Reitmeier: Ich denke, die Zeit ist reif für das Theater, sich wieder verstärkt metaphysischer Themen anzunehmen, da wir Alltagsmenschen des 21. Jahrhunderts die Frage nach dem Transzendenten weitgehend aus unserem täglichen Leben verbannt haben. Theater darf und muss ein Ort spiritueller Erlebnisse sein können. Es muss keine Antworten auf religiöse Fragen geben, aber es darf vor der Beschäftigung mit Mysterien nicht zurückschrecken. Archetypische Konstellationen, wie sie sich etwa in der Geschichte von Jedermann oder dem Faust-Stoff finden, gibt es auch in den biblischen Episoden um Belsazar, Darius und Daniel – sie müssen ihren Platz auf der Bühne haben.

opernnetz: Ihr Musikprogramm darf charakterisiert werden als mutig, innovativ, regiefreundlich und risikobereit. opernetz.de setzt den Chatfaktor so hoch an wie kaum in einem zweiten Haus. Trotzdem vermeldet das Pfalztheater eine sensationelle Auslastung zu Beginn dieser Spielzeit von über 82%. Trotz oder wegen Ihres Programms? Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Reitmeier: In der Tat sind wir ein wenig, dafür aber umso angenehmer überrascht von der großen Akzeptanz unseres Theaterangebots in den ersten Monaten dieser Spielzeit.
Auch die überwiegende Zahl der Kritiken ist ja sehr gut. Manchmal ist es schwer zu erklären, warum bestimmte Projekte ausgesprochen erfolgreich laufen und andere, die nicht weniger qualitätsvoll ausfallen, nur geringes Interesse oder sogar Ablehnung finden. Vielleicht haben wir in dieser Saison unseren eigenen Stil konsequent ausgeprägt, eine unverwechselbare Linie verfolgt und sind - vor allem in Qualitätsfragen – keine Kompromisse eingegangen. Es ist alles sehr erfreulich für uns, aber es gibt keinen Anlass, sich auf irgendwelchen Lorbeeren auszuruhen.

Backstage-Archiv

Johannes Reitmeier über seine Arbeit am Pfalztheater Kaiserslautern
(21.12.07)

Dr. Ulrich Peters, der neue Intendant am Gärtnerplatz in München
(2.12.07)

Regula Gerber:
Zwei Jahre Intendanz in Mannheim

(12.11.2007)

Deutsche Musicals:
Eine Bestandsaufnahme

(11.9.2007)

Uwe Sandner:
Deutschen Kulturauftrag schützen

(30.8.07)

Rüdiger Beermann:
Ein unvergesslicher Abend

(22.7.07)

Rainer Friedemann:
Die Hoffnung stirbt zuletzt

(18.6.07)

Dr. Michael W. Schlicht:
Kürzungen bedeuten das Ende

(4.6.07)

Mannheim liegt Susan Maclean
zu Füßen

(26.4.07)

Dr. Martin Roeder-Zerndt:
Gastspiele auf hohem Niveau

(25.4.07)

Achim Thorwald:
Edelstein im Schuck des
Staatstheaters

(15.4.07)

Uwe Deeken:
Betteln um gute Leute

(13.3.07)

Prof. Matthias Oldag:
Einsparungsdebatte fatal

(26.2.07)

Hans Zender:
Musltiperspektivisches Musiktheater

(25.10.06)

Ute Scharfenberg:
Neugierde auf "mehr" wecken

(19.04.06)

Holger Schultze:
Eine große Bandbreite anbieten

(28.03.06)

Wolfgang Bergmann:
Schlussendlich entscheidet der
Zuschauer

(22.11.05)

Gustav Kuhn:
Entkrampfung der Opernregie

(31.8.05)

Rainer Mennicken:
Neue Formen und Inhalte
ausprobieren

(31.5.05)

Ursula Benzing:
Das Publikum langsam heranführen

(16.3.05)

Wiebke Hetmanek:
Unmittelbaren Zugang zum Werk finden
(14.3.05)

Mladen Tarbuk:
Wagner sehen und hören

(21.2.05)

Dr. Oliver Scheytt:
Kulturinteressierte mobil machen
(19.1.05)

Prof. Dr. Peter P. Pachl:
Abenteuer Siegfried Wagner
(9.1.05)

Christian Pade:
Theater als Versuchslabor

(5.11.04)

Christof Loy:
Der mikroskopische Blick

(3.11.04)

Christian Esch:
Oper vor Musealisierung bewahren

(23.9.04)

Aaron Stiehl:
Ruhe im Wahnsinn
(10.3.04)