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BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Evamaria Wieser

Nach einem Klavierstudium und dem Master „Dolmetsch für Italienisch“ studierte Evamaria Wieser von 1976 bis 1980 Gesang, arbeitete in der Theateragentur Holender, und von 1980 bis 1988 im Künstlerischen Betriebsbüro der Staatsoper München. Von 1992 bis 2001 sowie von 2004 bis 2011 war sie Künstlerische Betriebsdirektorin der Salzburger Festspiele. Diese Funktion hatte sie von 2002 bis 2004 auch bei der „RuhrTriennale“ inne. Von 2001 bis 2015 war sie Konsulentin der Osterfestspiele Salzburg. Seit 2008 ist Wieser Casting Consultant der Lyric Opera Chicago und leitet seit 2015 wieder das Young Singers Project der Salzburger Festspiele. Ab Sommer 2017 wird sie erneut Künstlerische Betriebsdirektorin der Salzburger Festspiele sein. 

 


 

Backstage-Archiv

Das Backstage-Archiv ist alphabetisch nach den Nachnamen der Gesprächspartner geordnet.

 

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Kein Hunger auf Wettbewerbe

In Gütersloh beginnt die Endrunde des Gesangswettbewerbs Neue Stimmen. In der Jury sitzt – wie schon seit Jahren – Evamaria Wieser. Die Leiterin des Young Singers Project in Salzburg hat Augen und Ohren für junge Talente und Sänger. Mit Opernnetz hat sie sich über den diesjährigen Wettbewerb unterhalten. Darüber, was er für die Zukunft eines Sängers tun kann. Und darüber, warum sich auch in diesem Jahr die jungen deutschen Stimmen verstecken.

Opernnetz Frau Wieser, Sie haben die Vorsingen in mehreren Städten mitverfolgt? Was hat sie beeindruckt? Was erwartet uns in der Endrunde?

Evamaria Wieser Ich habe die Vorsingen beispielsweise in Wien, Berlin, Kiew und Moskau besucht, also mittel- und osteuropäische Städte. Vor allem in Moskau und Kiew sind mir das große Interesse und die große Begeisterung aufgefallen. In Moskau hatten wir 80 Sänger, die bis auf fünf allesamt aus Russland oder aus ehemaligen russischen Republiken kamen. In Kiew hatten wir 35 Sänger an einem Tag und hier kam nur einer nicht aus der Ukraine. Speziell für die Leute aus der Ukraine ist Neue Stimmen halt eine wunderbare Chance, da diese sonst kaum die Möglichkeit haben, sich im Westen bekannt zu machen. Und je mehr sich melden, desto größer ist eben die Chance, dass man mehr zur Endrunde einladen kann.

Bei einem Vorsingen in Riga beeindruckte mich neulich eine Neuzehnjährige. Es war ein eher kleineres Vorsingen mit wenigen Leuten, und daher fiel sie auch noch mehr auf. Sie war eh schon eine der allerjüngsten, die sich je bei einem Wettbewerb beworben hat. Natürlich fehlte da noch einiges. Aber es war schon sehr erstaunlich, was dieses junge Mädchen an Wärme, Persönlichkeit, und Ausdruck schon mitbrachte. Sie hatte wirklich ein erstaunliches Potenzial. Das ist mir schon bei mehreren Gelegenheiten aufgefallen, dass es mittlerweile einige jüngere Sänger gibt, die ihrem Alter stimmlich schon etwas voraus sind.

Opernnetz Wie schon 2013 haben es nur zwei deutsche Nachwuchssänger in die Endrunde geschafft. Einmal mehr scheint es, dass deutsche Gesangstalente rar sind. Schon oft wurde das auf die Förderung geschoben. Wie sehen Sie das?

Wieser Ich glaube, dass Wettbewerbe nicht mehr den hohen Stellenwert in Deutschland haben. Die jungen Sänger haben die Theater quasi vor der Haustür. Von der Hochschule in Frankfurt kann ich Ihnen drei, vier Sänger nennen, die sich wunderbar beim Wettbewerb hätten vorstellen können. Aber die verfügen schon über ein Engagement und haben deshalb gar keine Zeit für den Wettbewerb. Ein anderes Beispiel: Ich habe persönlich einen jungen Tenor kennengelernt, den ich sehr schätze, und dem ich geraten habe, sich zu bewerben. Seine Lehrerin meinte, es wäre zu früh dafür und so wollten wir ihn nicht drängen. In der Zeit zwischen der Bewerbung und dem Vorsingen machte er einen unglaublichen Sprung, aber es war natürlich zu spät für den Wettbewerb. Jetzt hat er schon ein Engagement. Ich glaube, dass es zurzeit einen interessanten und nicht zu kleinen Nachwuchs im deutschsprachigen Raum gibt. Aber es fehlt meiner Meinung nach am Hunger nach Wettbewerben. Bei meiner Arbeit für das Young Singers Project in Salzburg bekomme ich dagegen massig Bewerbungen aus Deutschland. Da gibt es offensichtlich einen Unterschied in der Wertigkeit.

Opernnetz Neue Stimmen fordert junge Leute auf, sich dem Gesang zu widmen und nimmt sich unter dem Stichwort „creating careers" einmal mehr vor, Karrieren auf den Weg zu bringen. Andererseits werden die Bedingungen am Arbeitsplatz nicht besser – Budgets werden gekürzt, Ensembles zusammengestrichen. Kämpft der Wettbewerb da nicht gegen Windmühlen?

Wieser Das glaube ich überhaupt nicht. Ich denke, dass gerade eine Förderung von jungen Sängern, wie sie von der Bertelsmann-Stiftung offeriert wird, ein großes Geschenk ist. Nehmen wir den Fall, dass ein Sänger es sich überhaupt nicht leisten kann, da oder dort vorzusingen oder aufzutreten. Wenn nun die Stiftung nach einem Sänger gefragt wird, kann über sie der Kontakt hergestellt werden, den es sonst nicht gegeben hätte. Ich finde, jeder Sänger, der durch eine Organisation eine – und sei es nur eine ideelle – Unterstützung bekommt, gewinnt unglaublich viel für sein Leben und seine Laufbahn. Eben weil der Kampf so groß und weil es so schwer ist, in diesem Metier Fuß zu fassen. Eine Garantie für eine Karriere gibt es natürlich niemals. Aber es ist schön, dass da jemand ist, der den jungen Sängern den Rücken stärkt.

Christoph Broermann, 10.5.2015

 


In der Jury suchen neben Wieser auch
Dominique Meyer und Brian Dickie die
Neuen Stimmen.


In Wien bekommen die jungen
Talente die Gelegenheit vor Wieser
und Intendant Meyer vorzusingen.


Die Leiterin des Young Singers Project
der Salzburger Festspiele trifft auf
Dmitry Vdovin, Leiter des Young Artist
Opera Programm des Bolschoi-
Theaters.


Die Juroren des Wettbewerbs Neue
Stimmen reisen in den Vorrunden
durch die Welt, um die Vorsingen zu
erleben.