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BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Prof. Dr. Peter P. Pachl

1989-1991: Professur für Opernregie an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover.

1990-1995: Intendant und Verwaltungsdirektor des Thüringer Landestheaters, der Thüringer Sym-phoniker und der Rudolstädter Fest-spiele

Seit 1980: Künstlertischer Leiter des pianopianissimo musiktheaters mün-chen.


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pianopianissimo musiktheater

Rezension "Heidenkönig"

 

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Abenteuer Siegfried Wagner

Der in Bayreuth geborene Prof. Peter P. Pachl beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten intensiv mit dem Werk Siegfried Wagners (u.a. "Siegfried Wagner - Genie im Schatten", Langen Müller, München 1994). Mit seinem pianopianissimo musiktheater führte er kürzlich in Solingen den Heidenkönig auf (Opernnetz.de berichtete). Im Backstage-Interview äußert sich Pachl nun zu dem Komponisten, der als Sohn des großen Richard Wagner im Musiktheaterbetrieb noch immer eine Randerscheinung ist.


Opernnetz: Sie beschäftigen sich seit Jahren mit dem Werk Siegfried Wagners, haben die ultimative Biografie geschrieben. Was fasziniert Sie an Person und Werk Siegfried Wagners?

Peter P. Pachl: Der schaffende Künstler Siegfried Wagner ist sich seiner aussichtslosen Situation bewusst und wagt doch den Kampf gegen Alle und Jeden, unermüdlich und tagtäglich - vergleichbar Don Quichotes anachronistischem Kampf gegen die Windmühlen. Cervantes' Held ist eine Kunstfigur, Wagners Sohn mit dem gewichtigen Heldennamen dagegen ist ein Mensch des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Siegfried Wagners Oeuvre setzt auf ein Nachleben, auf ein aufgeschlossenes Publikum der Zukunft. Unsere Zeit scheint langsam reif für das vom Komponisten erwartete Verständnis.

Opernnetz: Welche Aspekte sind nach Ihrer Meinung relevant für ein neues Publikum, das sich fundamental von den konventionellen Opern- bzw. Wagner-Traditionalisten unterscheidet?

Pachl: Die Emotionen der Opern Siegfried Wagners und der seines Publikums sind sehr viel stärker nach innen gerichtet als bei den Musikdramen seines Vaters. Ein Publikum für Siegfried Wagner sieht Siegfried Wagners Opern nicht als Fortsetzung der Opern Richard Wagners, sondern vermag diese nach ihrem Eigenwert zu beurteilen.
Ungeachtet der zahlreichen Beziehungslinien, die beider Oeuvre gleichwohl bietet, verharrt ein solches Publikum nicht beim oberflächlichen Vergleich, sondern dringt tiefer ein, lässt sich - auch in Vor- und Nachbereitung - auf das Abenteuer Siegfried Wagner ein.
Angesprochen ist allerdings ein Publikum, das bereit ist, sich auf vielschichtigere und kompliziertere Inhalte einzulassen als sie gemeinhin in Opernlibretti anzutreffen sind. Die Tendenz, sich mit komplizierteren Kontexten, vielfältig deutbaren Handlungskonstellationen auseinander zu setzen, ist bei Cineasten seit gut einem Dezennium festzustellen. Auch beim Opernpublikum, das naturgemäß etwas schwerfälliger als Filmfreunde, sind Anfänge einer derartigen Entwicklung zu konstatieren.

Opernnetz: Auf welche Resonanz stoßen Sie mit Ihren Bemühungen bei Theatern und Orchestern; welche Argumente überzeugen künstlerisch Verantwortliche und evtl. Finanziers?

Pachl: Als ich in den späten Sechzigerjahren - noch als Schüler - begann, Vorträge über Richard Wagners Werke zu halten, begegnete ich sehr ähnlichen Vorurteilen wie heute bei jenen Musikschaffenden und Opernfreunden, die erstmals mit dem Oeuvre Siegfried Wagners konfrontiert werden: "die schlechten Texte" (damals stehender Vorwurf beispielsweise gegen das "Wigalaweia" im "Rheingold" - bei Siegfried Wagner die seltsamen Titel, die Diminutive), die irrationalen Elemente der Handlungen (die Götter bei Richard Wagner - bei Siegfried Wagner die Geistererscheinungen), die Abartigkeit der Geschichten. Wenn man es schafft, dass ein Kulturkonsument oder ein Kulturschaffender eine komplette Oper Siegfried Wagners aktiv hörend verfolgt (besser noch: diese auf der Bühne erlebt), wandelt sich die ablehnende Haltung - unabhängig von dessen Haltung gegenüber Richard Wagner - durchaus in Faszination. Ein vergleichbarer Prozess - aus nahe liegenden Gründen der Zeitknappheit gleichwohl schwieriger - ist bei potenziellen Finanziers anzutreffen.


Bochum, 9.1.2004

Backstage-Archiv

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(31.8.05)

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(19.1.05)

Prof. Dr. Peter P. Pachl:
Abenteuer Siegfried Wagner
(9.1.05)

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(5.11.04)

Christof Loy:
Der mikroskopische Blick

(3.11.04)

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(23.9.04)

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Ruhe im Wahnsinn
(10.3.04)