Noten sollte man lesen können
Martin Klessinger hat ein 750-Seiten-starkes Werk mit dem Titel "O wie ängstlich, o wie feurig..." über Opern geschrieben. In Backstage erklärt er, warum ein solches Opus aus seiner Sicht notwendig ist.
opernnetz: Stellen Sie Ihr Buch bitte kurz vor und verraten Sie uns, wie Sie auf die Idee kamen, ein solches Buch zu verfassen.
Martin Klessinger: Mein Buch handelt von der Musik der Oper, oder genauer davon, warum der Komponist einer Oper den Text so und nicht anders vertont hat, und was er mit seiner Musik ausdrücken will. In den ersten beiden Teilen geht es um musikalische Formen und Ausdrucksmöglichkeiten in der operngeschichtlichen Entwicklung. Im dritten und umfangreichsten Teil werden mehr als vierzig ausgewählte Opern analysiert, um aufzuzeigen, wie die Komponisten der entsprechenden Epoche die musikalischen Mittel eingesetzt haben.
Die Idee zu diesem Buch hatte ich schon vor vielen Jahren, denn ich glaube, dass die Oper insofern die Grundlage für die gesamte Musik des Abendlandes darstellt, als sich alle wesentlichen musikalischen Ausdrucksmittel aus der Textvertonung entwickelt haben.
opernnetz: Es gibt bereits eine ganze Reihe ähnlicher Werke. Was ist das Besondere an Ihrem Buch?
Martin Klessinger:
Die Zahl der Opernbücher ist nahezu unüberschaubar. Dabei handelt es sich meist um Opernführer oder Werke über die Geschichte der Oper, in denen viel über die Handlung der einzelnen Opern zu lesen ist, aber fast nichts über die Musik; allenfalls werden die bestens bekannten „Hits“ erwähnt oder auch zitiert. In meinem Buch über die Musik der Oper habe ich erstmals versucht, das in der Fachliteratur weit verstreute Wissen über die Aussagekraft der Musik der Oper zu sammeln und in geeigneter Form zusammenzufassen. Obwohl zahlreiche Opern besprochen werden, handelt es sich nicht um einen Opernführer. Nicht nur, weil die Auswahl der behandelten Opern recht subjektiv ist, sondern vor allem deshalb, weil der Inhalt einer Oper oder einer Szene nur insoweit wiedergegeben wird, wie es erforderlich ist, um die Situation zu erfassen, welche von der Musik beschrieben wird.
opernnetz:
Für wen ist das Buch geschrieben?
Martin Klessinger: Das Buch ist für den ernsthaften Opernfreund geschrieben, den mehr als die reine Handlung der Oper interessiert und der bereit ist, die mit zahlreichen Notenbeispielen versehenen Ausführungen im Detail nachzuvollziehen. Dabei können sicher einzelne musiktheoretische Feinheiten übergangen werden, doch mit der Notenschrift sollte der Leser zumindest soweit vertraut sein, dass er die Argumentation im Text an Hand der Beispiele verfolgen kann. Im Gegensatz zu einem Opernführer sollte dieses Buch nach Möglichkeit von vorn nach hinten gelesen werden, denn einerseits baut die Analyse und Besprechung der einzelnen Opern im Hauptteil auf den in den ersten beiden Teilen dargelegten Fakten auf, und andererseits werden der Wandel der ästhetischen Ideale und die Besonderheiten eines Werkes oder die Neuerungen einer Epoche vor allem durch vergleichende Betrachtung mit früheren Werken deutlich. Vor diesem Hintergrund jedoch kann das Kapitel über eine bestimmte Oper auch als Vorbereitung für einen Opernbesuch sehr nützlich sein, weil es die Aufmerksamkeit auf Details richtet, die sonst leicht überhört werden.
Anm. d. Red.:
Der Westfalenspiegel (Heft 3/2010) schreibt: „Gefördert von der Deutschen Gesellschaft für Westfälische Kultur ist dieses verblüffend interessante und überaus angenehm zu lesende Buch eine wirkliche Bereicherung der Literatur zur Operngeschichte.“
Das Gespräch führte Michael S. Zerban.
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