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BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Eckart Altenmüller

ist Musikphysiologe an der Hochschule für Musik und Theater Hannover


 
 

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Gänsehaut

Die Bayreuther Festspiele: Musik von Richard Wagner. Das verspricht Gänsehaut - aber nicht nur sie. Das Phänomen beschäftigt die Forschung. Eckart Altenmüller erklärte kürzlich in einem Interview in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, warum wir nicht nur vor Kälte, sondern auch vor freudiger Erregung zittern (das Interview finden Sie hier). Professor Dr. med. Eckart Altenmüller ist Musikphysiologe an der Hochschule für Musik und Theater Hannover.

opernnetz: „Angst“ vor Oper kann doch nicht reduziert werden auf die generelle Abneigung von Jugendlichen vor Vibrato-Gesang und „Krawattenpflicht“: Was sind nach Ihren Erkenntnissen die relevanten Kriterien?

Altenmüller: Das ist natürlich eine Frage, die mehr die Musikpsychologie und die Musiksoziologie betrifft. Heiner Gembris aus Paderborn hat sich nach meinem Wissen mit solchen Fragen befasst. Ich vermute, dass es weniger am „Genre“ Oper liegt als in

1.) Unkenntnis (Angst vor dem Fremden – daher begrüße ich auch die Jugendprogramme der Opernhäuser sehr)
2.) Format (Länge etc.)
3.) Komplexität mancher Werke.

Die Synästhetische Erfahrung ist ja den Jugendlichen seit langer Zeit vertraut – man muss nur einmal die exzellent gemachten Videoclips von Michael Jackson (z.B. Earth-Song) anschauen.

opernnetz: Wie korrespondieren „genetische“ und „biografische“ Faktoren bei der Rezeption emotionalisierender klassischer Musik - und wie unterscheidet sich dies Verhalten von der Akzeptanz diverser Jazz- und Pop-Varianten, geschweige denn von Schlager- und Volksmusik? Gibt es das „Volksmusik“- bzw. das „Klassik“-Gen?

Altenmüller: Das ist eine hochinteressante Frage. Ich persönlich bin der Auffassung, dass es eine genetisch angelegte Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit jedwedem musikalischen Material gibt – gewisserma0en das Bedürfnis, sich mit auditivem Material auseinanderzusetzen – das dann durch Lernvorgänge stark überformt wird. Der Musikgeschmack ist dabei fast ausschließlich akkulturiert. Es gibt dafür auch genetische Hinweise. So ist die Teilleistungsschwäche der „kongenitalen Amusie“ genetisch bedingt. Musikgeschmack wird allerdings auch von anderen genetisch bedingten „Persönlichkeitsfaktoren“ mitbestimmt:

1.) Sensation seeking – also die Lust auf Riskantes, Provokantes
2.) Openness - die Lust auf Neues

opernnetz: Eine spekulative Frage: Kann es sein, dass Musik bzw. Musiktheater einfach deshalb „Gänsehaut“ auslöst, weil die Performance durch perfekte Präsentation „hinreißend“ wirkt - nach dem Motto „Ich verstehe es nicht, aber es beeindruckt zutiefst“?

Altenmüller: Das kann sehr wohl sein! Verstehen ist überhaupt nicht Vorraussetzung für eine starke Emotion. Ein „überwältigendes Eintauchen“ in die Welt der Klänge und Bilder – ein Freudianisches „ozeanisches“ Gefühl mit der Wahrnehmung der „Ent-Ichung“ kann stärkste Emotionen auslösen. Aber es gibt eben auch manchmal die Gänsehaut, die durch Erkenntnis entsteht. Ich denke zum Beispiel an die Oper „Lulu“ von Alban Berg. Immer wenn ein Mord geschieht, kommt kurz zuvor ein bestimmtes Paukenmotiv – die Gänsehaut hier ist eine typische starke Emotion.

(Die Fragen stellte opernnetz-Herausgeber Franz R. Stuke)

 

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