Historisch informierte Aufführungspraxis am Saarländischen Staatstheater
Dido und Aeneas, die berühmte Liebesgeschichte aus der Antike, hatte in der Opernfassung von Henry Purcell im Juni Premiere im Saarländischen Staatstheater Saarbrücken. Nach den Florentiner Intermedien und Agrippina ist dies nun die dritte Produktion, die Konrad Junghänel an diesem Haus dirigiert. Sandra Sinsch sprach mit dem Barockopern-Spezialisten über seine Arbeit mit dem Staatsorchester, das erstmals auf historischem Instrumentarium antritt.
opernnetz: Herr Junghänel, wie lange haben Sie nach der Partitur von Dido und Aeneas in einem alten Archiv gesucht?
Junghänel: Zum Glück gibt es von vielen Werken mittlerweile hervorragende Ausgaben in moderner Notenschrift. Die Herausforderungen bleiben trotzdem. Konkret hat Purcell den Prolog der Oper nicht vertont, ohnehin ist über die Uraufführung wenig bekannt. Also habe ich die Textvorlage mit passend erscheinender Musik unterlegt. Ein Werk mit Leben zu füllen und auch in seinem weiteren Verlauf mit Hilfe von Sekundärquellen zu entwickeln und mich an den Klang der Epoche heranzutasten, das ist das, was mich an meiner Aufgabe so fasziniert.
opernnetz: Es ist schwierig, sich im Begriffsdschungel zwischen Originalklang und historischer Aufführungspraxis zurechtzufinden. Wo positionieren Sie Ihre Arbeit?
Junghänel: Historisch informierte Aufführungspraxis beschreibt es am besten. Denn hier geht man nicht von einem interpretatorischen Universalansatz aus, sondern versucht, dem Stück aus seiner Entstehungszeit heraus gerecht zu werden. Der Begriff Originalklang ist mir zu abgehoben, denn wir werden letztendlich nie wissen, wie die Musik damals klang. Lebendiges und packendes Spiel ist mir wichtiger als historische Instrumente.
opernnetz: Dennoch hört man, das Staatsorchester habe sich in Eigeninitiative für das Spiel auf Barockinstrumenten entschieden.
Junghänel: Die Renaissancemusik der „Florentiner Intermedien“ vor ein paar Spielzeiten war sicher ein Extremeinstieg für ein Orchester. Nach weiteren Barockproduktionen spüre ich allerdings, auf was für einen fruchtbaren Boden die Impulse aus dieser Arbeit fallen. Es herrscht ein unglaublicher Wille, sich diese Musik zu erarbeiten. Ein konventionelles Opernorchester zu treffen, das alte Instrumente geradezu verlangt, ist eine Premiere für mich.
opernnetz: Also hoch mit der Barockgeige und alles wird damit leichter?
Junghänel: Zunächst war ich von der Idee gar nicht so begeistert. Denn die neue instrumentale „Hardware“ nimmt den Musikern zunächst ein Stück ihrer Persönlichkeit. Die Installation barocker „Software“, zum Beispiel Bogentechnik, Artikulation, Klang, ist ein Prozess, der Zeit braucht. Die ist im Opernbetrieb knapp bemessen, für brauchbare Ergebnisse muss die Chemie mit den Musikern einfach stimmen. Natürlich kann das Staatsorchester nicht über Nacht zum Barockorchester werden, aber es wäre schade, solche Abenteuer nicht zu wagen. Denn die Lust auf und Leidenschaft für neue Wege in der Musik dürfen nicht verloren gehen.
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