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BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Andreas Kiepert

Andreas Kiepert leitet im Brandenburger Theater die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.


 
 

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Der permanente Kampf um Zuspruch

Das Brandenburger Theater wird nach dem kulturellen Kahlschlag im Land Brandenburg zum Identifikations-Fokus für das kulturelle Selbstverständnis einer traditionsreichen Region. Mit dem zustimmend aufgenommenen Auftragswerk der Kleist-Oper von Rainer Rubbert werden neue Impulse freigesetzt. Unser Herausgeber Franz R. Stuke stellte dem Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Andreas Kiepert die Backstage-Fragen.

Opernnetz: In der Stadt Brandenburg gibt es die renommierten Brandenburger Symphoniker, aber kein eigenständiges „Musiktheater“ in der Tradition der Drei-Sparten-Häuser. Wie steht es eigentlich um die Musiktheater-Tradition Brandenburgs und wie hat sich das in den Zeiten nach der „Wende“ entwickelt?

Andreas Kiepert: Die Musiktheatertradition in Brandenburg an der Havel reicht weit ins 19. Jahrhundert zurück. In einfachsten Dekorationen wurden – teils open air, teils auf improvisierten Bühnen - Singspiel- und Opernaufführungen gegeben. Der erste feste Theaterbau entstand 1817. Die Theaterchronik weist allerdings viele Spielzeitunterbrechungen durch Brände, Quartierwechsel und unterschiedliche Betreiber aus.

Mit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts stabilisieren sich die Aufführungsbedingungen und es gibt ein kontinuierliches Spielplanangebot. Auch vor der deutschen Wiedervereinigung wurden in Brandenburg Opern nicht nur „nachgespielt“, sondern auch uraufgeführt. Komponisten wie Gisbert Näther, Kurt Schwaen oder Tilo Medek hatten hier Opernerstaufführungen. Insofern steht die Oper Kleist von Rainer Rubbert und Tanja Langer (Libretto), die ein Auftragswerk des Brandenburger Theaters ist, in einer gewissen Musiktheatertradition… Im Jahr 2000 fielen dann allerdings fast alle Ensembles am Haus Sparmaßnahmen zum Opfer. Nur das Orchester, die Brandenburger Symphoniker, blieb erhalten. Bis vor kurzem hat das Haus regelmäßig zwei bis drei Musiktheaterproduktionen pro Spielzeit herausgebracht. Humperdincks Hänsel und Gretel oder Die verkaufte Braut von Smetana, wie auch das Musical Cabaret waren einige der erfolgreichen Produktionen. Freilich mussten alle Sänger und die künstlerischen Vorstände für jede Produktion über Gastverträge neu engagiert werden. Durch Mittelkürzungen und Tarifaufwüchse ist der Produktionsetat zurückgegangen. Ein Geburtsfehler des Theaterverbundvertrages im Land Brandenburg war auch, dass unser Haus einerseits die kostenintensiven Musiktheaterproduktionen beisteuern sollte und gleichzeitig die Finanzierung eines Orchesters übernommen hatte. Die Tatsache, dass das Brandenburger Theater aus der Verpflichtung, Opern innerhalb des Verbundes zu produzieren, entlassen ist, bedeutet natürlich nicht, dass es keine (eigenproduzierten) Opernaufführungen mehr geben wird. Auf der Premierenfeier der Oper Kleist hat Intendant Christian Kneisel dies zum Ausdruck gebracht und beispielsweise auf ein in Planung befindliches Opernprojekt mit Dagmar Schellenberger hingewiesen.

Opernnetz: Mit welchem Konzept bestreitet das Brandenburger Theater die Spielzeiten? Wo liegen Schwerpunkte; welches Publikum wird angesprochen; und wie ist der Zuspruch?

Andreas Kiepert: Das Brandenburger Theater ist ein Stadttheater und bemüht sich, Angebote für weite Teile der Bewohner von Brandenburg an der Havel und den umliegenden Orten zu schaffen. „Klassik geht immer“ könnte die Devise für das Abonnementpublikum der Sinfoniekonzerte sein. Auch „Opernklassiker“ werden durch das Publikum, teils auch durch Schulen gerne angenommen. Die Schauspiele bieten wir durch Einkäufe am Hans-Otto-Theater Potsdam innerhalb des Verbunds an. Kabarett, Lesungen, Puppentheater, Jazz- und Rockkonzerte runden die Spielplanangebote ab.

Ein Schwerpunkt wird im Bereich Kinder- und Jugendtheater gesetzt, nicht nur durch zahlreiche eigene Konzerte und Gastspielaufführungen sondern vor allem durch das Jugendtheaterensemble selbst. Das Laienensemble unter der Regie der Schauspielerin Christiane Ziehl hat sich mit den letzten Produktionen stark professionalisiert. Eine Spezialität des Brandenburger Theaters sind genreübergreifende Projekte, Veranstaltungen zwischen Tanz, Musik, Film und Malerei, wie bei Helge Leiberg oder Malerei und Video- bzw. Dokumentarfilm des Künstlers Strawalde. Etwas Besonderes ist auch die Zusammenarbeit mit dem BKA (Berliner Kabarett Anstalt), das die einzige Veranstaltungsreihe für zeitgenössische Kammermusik in Deutschland auflegt.

Mit diesem „bunten“ Programm erreicht das Brandenburger Theater eine durchschnittliche Auslastung von rund 80 Prozent. Gleichwohl ist die Zielgruppe für die ambitionierten zeitgenössischen Veranstaltungen in einer Stadt mit 75 000 Einwohnern klein. Insofern müssen sich immer wieder populäre Angebote mit speziellen künstlerischen Angeboten abwechseln um die Akzeptanz und Auslastung auf einem zufriedenstellenden Niveau zu halten.

Opernnetz: Mit Rubberts Kleist hat das Brandenburger Theater einen bemerkenswerten Erfolg erzielt. Wie werden solche Auftragswerke in Brandenburg finanziert (und in welcher Höhe)? Und wie wird ein so großes, so kompetentes Ensemble zusammengeführt, das ja nicht aus „begabten Brandenburgern“ besteht? Und welche nachhaltigen Wirkungen erwartet das Brandenburger Theater?

Andreas Kiepert: Zwar ohne Chor, aber mit 16 Gesangssolisten und zusätzlichen Instrumenten im Orchester besetzt, ist die Oper Kleist sicherlich keine „Kammeroper“. Die Finanzierung dieser Uraufführung musste zwangsläufig aus dem Spielzeitbudget erfolgen. Die geeigneten Sängerinnen und Sänger konnten nur durch eine ganze Reihe von Vorsingen gefunden werden und haben sich in ihren anspruchsvollen Rollen in mehreren konzertanten Voraufführungen bewährt. Das Brandenburger Theater und die Brandenburger Symphoniker haben sich zwischenzeitlich den besonderen Ruf erarbeitet, im Land Brandenburg mit großer Kompetenz und Engagement für die Aufführung zeitgenössischer Kompositionen einzutreten. Dazu trägt auch die Brandenburger Biennale bei, ein internationaler Komponistenwettbewerb, der durch den Förderverein Brandenburger Symphoniker e. V. 2004 initiiert wurde. In jeder Saison werden dadurch drei bis vier originär für das Orchester des Brandenburger Theaters geschriebene Kompositionen uraufgeführt. Dieses Engagement würdigt inzwischen auch das Kultusministerium. Ministerin Johanna Wanka hat durch ihren Referatsleiter Hajo Cornel die Unterstützung für die Brandenburger Biennale in Aussicht gestellt.

Die künstlerischen Leistungen am Brandenburger Theater werden zwar mit Respekt zur Kenntnis genommen. Dennoch bleibt die Herausforderung, kontinuierlich neue Projekte aufzulegen und zu finanzieren und den gewonnenen Ruf nicht verblassen zu lassen.

Intendant Christian Kneisel, der gleichzeitig als Kurator der Kunsthalle Brennabor in Brandenburg an der Havel bestellt ist – sicherlich auch eine ganz außergewöhnliche Konstellation in der deutschen Kunstlandschaft – betreibt den Spagat zwischen „klassischen Theaterangeboten“, zeitgenössischer Kunst und genreübergreifenden Bühnen- und Musikprojekten erfolgreich seit acht Jahren. Eine solche Vielfalt findet ihr Publikum und muss doch permanent um Zuspruch kämpfen…

 

Backstage-Archiv

Der permanente Kampf um Zuspruch - rund ums Theater Brandenburg (1.4.2008)

"Ohne Melodie geht's nicht" - der Komponist Giselher Klebe im Gespräch. (11.4.2008)

Ulrich Peters blickt zurück und nach vorn (8.4.2008)

André Bücker über Toleranz, Gewalt und Extremismus (23.3.2008).

Peter Spuhler über Baustellen, neue Bühnenwerke und das Theater im Wandel (12.3.2008)

Dr. Michael Wieler über die Theaterfusion in Görlitz (22.02.2008)

Gregor Horres über Ernst Kreneks "Jonny spielt auf" am Pfalztheater Kaiserslautern (16.2.2008)

Johannes Reitmeier über seine Arbeit am Pfalztheater Kaiserslautern
(21.12.07)

Dr. Ulrich Peters, der neue Intendant am Gärtnerplatz in München
(2.12.07)

Regula Gerber:
Zwei Jahre Intendanz in Mannheim

(12.11.2007)

Deutsche Musicals:
Eine Bestandsaufnahme

(11.9.2007)

Uwe Sandner:
Deutschen Kulturauftrag schützen

(30.8.07)

Rüdiger Beermann:
Ein unvergesslicher Abend

(22.7.07)

Rainer Friedemann:
Die Hoffnung stirbt zuletzt

(18.6.07)

Dr. Michael W. Schlicht:
Kürzungen bedeuten das Ende

(4.6.07)

Mannheim liegt Susan Maclean
zu Füßen

(26.4.07)

Dr. Martin Roeder-Zerndt:
Gastspiele auf hohem Niveau

(25.4.07)

Achim Thorwald:
Edelstein im Schuck des
Staatstheaters

(15.4.07)

Uwe Deeken:
Betteln um gute Leute

(13.3.07)

Prof. Matthias Oldag:
Einsparungsdebatte fatal

(26.2.07)

Hans Zender:
Musltiperspektivisches Musiktheater

(25.10.06)

Ute Scharfenberg:
Neugierde auf "mehr" wecken

(19.04.06)

Holger Schultze:
Eine große Bandbreite anbieten

(28.03.06)

Wolfgang Bergmann:
Schlussendlich entscheidet der
Zuschauer

(22.11.05)

Gustav Kuhn:
Entkrampfung der Opernregie

(31.8.05)

Rainer Mennicken:
Neue Formen und Inhalte
ausprobieren

(31.5.05)

Ursula Benzing:
Das Publikum langsam heranführen

(16.3.05)

Wiebke Hetmanek:
Unmittelbaren Zugang zum Werk finden
(14.3.05)

Mladen Tarbuk:
Wagner sehen und hören

(21.2.05)

Dr. Oliver Scheytt:
Kulturinteressierte mobil machen
(19.1.05)

Prof. Dr. Peter P. Pachl:
Abenteuer Siegfried Wagner
(9.1.05)

Christian Pade:
Theater als Versuchslabor

(5.11.04)

Christof Loy:
Der mikroskopische Blick

(3.11.04)

Christian Esch:
Oper vor Musealisierung bewahren

(23.9.04)

Aaron Stiehl:
Ruhe im Wahnsinn
(10.3.04)