Prof. Siegfried Mauser – renommierter Pianist und Musikwissenschaftler – ist seit 2003 Präsident der Hochschule für Musik und Theater München, seit 2002 Leiter der Musikabteilung der Bayerischen Akademie der Künste. Siegfried Mauser ist engagierter Protagonist der avancierten Musik-Szene, vertritt die Interessen des musikalischen Nachwuchses mit Nachdruck in der Öffentlichkeit.
opernnetz: Im weltweit hervorragenden Gesangs-Wettbewerb NEUE STIMMEN spielen deutsche SängerInnen schon seit Jahren eine nachgeordnete Rolle. Gibt es dafür eine Erklärung, die über die übliche Beschwörung der „Globalisierung der Oper“ hinausgeht?
Siegfried Mauser: Natürlich findet einerseits durch die Intensivierung der künstlerischen Ausbildung in Ländern des fernen Ostens, Osteuropas, aber auch Südamerikas eine verschärfte Konkurrenzsituation gerade auf dem deutschen Markt statt, der ja weltweit als einziger diese dichten Möglichkeiten zur Berufsausübung von Sängern an Theatern bildet – das schlägt sich selbstverständlich auch bei bedeutenden Wettbewerben nieder. Vor allem im Opernbereich wirkt die internationale Bewerberlage geradezu erdrückend; dennoch gibt es auch für den deutschen Sängernachwuchs Chancen – vor allem im Lied- und Oratorienbereich stellt sich hier die Situation ganz anders dar.
opernnetz: Ganz offensichtlich gibt es in Deutschland Defizite in Sachen Gesang – beginnend mit dem vergessenen „Volkslied“, über die fehlenden Stimulanzien in Kindergarten und Schule bis zu problematischen Strukturen an den Musikhochschulen. Ist diese Skizze zutreffend - und wo liegen denn die „Knack-Punkte“?
Siegfried Mauser: Ein ganz offensichtliches Defizit ist innerhalb der musikalischen Ausbildung allgemeinbildender Schulen festzustellen – das ist in den östlichen Ländern ganz anders. Wenn der Basisbezug zum Singen als elementarer musikalischer Äußerungsform nicht von Anfang an entwickelt und gefördert wird, muss es einen auch nicht wundern, wenn der Sängernachwuchs an den Musikhochschulen dann nicht so üppig ausfällt wie man es erwarten würde.
opernnetz: Können sich die Opernhäuser mit ihren Studios selbst helfen? Helfen die theaterpädagogischen Aktivitäten oder „Kinder-Opern“ wie z. B. in Dortmund und Köln? Oder müssen die finanziellen Mittel der Kultur-Etats umstrukturiert werden – und das zu Zeiten ohnehin kulturfeindlichen neoliberalen Zeiten? Bleibt denn nur die Hoffnung auf die Initiative spektakulärer Stiftungen?
Siegfried Mauser: Opernstudios, aber auch freiberufliche Unternehmen im Bereich des Musiktheaters erfüllen nach wie vor eine wesentliche Funktion. Allerdings muss es sehr bedauert werden, dass da und dort Schließungen oder Reduktionen stattfanden, denn im Eigentlichen ist dieser Bereich die entscheidende Nahtstelle vom Studium zur definitiven Professionalisierung. Nur zu begrüßen ist es, wenn Stiftungen oder Stipendien Systeme diese ebenso entscheidende wie problematische Übergangszone fördern.
(Die Fragen stellte opernnetz-Herausgeber Franz R. Stuke)
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Liz Mohn über NEUE STIMMEN (hier)
Eunjo Kwon – die NEUE STIMME 2009 (hier)
Francisco Araiza über NEUE STIMMEN (hier)
NEUE STIMMEN – Raus aus dem Museum (hier)
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