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KOMMENTAR

Oktober 2015


 


 

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Missbrauchte Pressefreiheit

Im Theater Hagen brennt es derzeit lichterloh an allen Fronten. Neben dem laufenden Theaterbetrieb, der nur durch ein übermäßiges Engagement der Mitarbeiter aufrechterhalten werden kann, drohen weitere Kürzungen, die das Haus existenziell gefährden. Als ob das nicht reichte, müssen sich die Manager auch noch mit tendenziösen Artikeln der Westfalenpost auseinandersetzen.

In Deutschland geht niemand für den Erhalt von Kultur auf die Straße. Das ist auch gar nicht nötig. Wenn städtische Politiker versuchen, die kulturellen Angebote in der Stadt zu dezimieren, werden sie abgestraft. Die nächste Wahl kommt bestimmt, und wer dann noch in der Stadt lebt, geht an die Urne. Peter Jung versuchte als Oberbürgermeister von Wuppertal, das Ensemble der Oper zu streichen. Das Amt ist inzwischen neu besetzt. Die Folgen allerdings sind fatal, und es wird lange dauern, bis die Oper sich von den machtpolitischen Gelüsten des Kommunalpolitikers erholt haben wird.

Gefährlicher wird es, wenn lokale Journalisten versuchen, Kultur oder kulturelle Institutionen niederzuschreiben. Denn es gibt noch eine ganze Reihe von Menschen, die auf eine objektive Berichterstattung ihrer lokalen Tageszeitung vertrauen. Ein solcher Schmierfink wird also nicht nur der Institution Schaden zufügen, sondern vor allem auch seinem Blatt einen nachhaltigen Vertrauensverlust bescheren.

Das Theater Hagen kämpft weiter um seine Existenz. Seit 2002 geht das schon so. Trotz permanenter Streichungen hat das Theater eine Leistung aufrechterhalten, die weit über die Stadtgrenzen hinaus gerühmt wird. Bei der letzten Kürzung hatte Norbert Hilchenbach, der Intendant des Stadttheaters, angekündigt, dass damit nun die Grenzen überschritten seien. Weitere Kürzungen würden das Haus in seiner Substanz gefährden. Ungeachtet dessen verlangen die Stadtoberen eine weitere Kürzung des nicht eben üppigen 15-Millionen-Euro-Etats um weitere anderthalb Millionen Euro. Nicht nur dem Geschäftsführer Michael Fuchs geht damit die finanzielle Puste aus; auch Hilchenbach sieht als Konsequenz die Schließung einer Sparte. Oberbürgermeister Erik Schulz geht auf Konfrontationskurs. Schützenhilfe kommt von unerwarteter Seite.

Die Westfalenpost ist mit ihrer Zentralredaktion in Hagen nach eigenen Angaben die „größte Zeitung in Südwestfalen“. Sie versteht sich als „Anwalt der Bürger“. Martin Weiske, stellvertretender Redaktionsleiter der Zeitung, muss da was falsch verstanden haben. Anstatt sich in der angespannten Lage zwischen Rathaus und Theater um eine besonders ausgewogene Berichterstattung zu bemühen, wie es ohnehin seine ethische Pflicht als Journalist gebietet, hat er ein Störfeuer gegen das Theater eröffnet, das selbst dem Oberbürgermeister die Schamesröte ins Gesicht treiben dürfte. In seinem Artikel Hagen bleibt bei den Kulturausgaben Spitze betreibt er wüste Zahlenspielereien, die inzwischen deutlich widerlegt sind und sich auf das Jahr 2012 beziehen, und will damit offenbar suggerieren, wie „hoch subventioniert“ Theater und Orchester eigentlich seien. In seinem Kommentar einige Tage zuvor betreibt er eine Demagogie, wie sie sonst nur aus Bonner Sportvereinen zu hören ist: „Man darf gespannt sein, wie lange die Hagener da mitziehen, während parallel das nächste Bad schließt, Sportplätze zuwuchern und weitere Gebühren- und Steuererhöhungen drücken.“ Inzwischen wird sich Weiske als „Anwalt des Rathauses“ seiner Sache sicherer. In seinem Artikel Unzureichende Antworten aus dem Hagener Theater findet sich beispielsweise die Passage „Auf den letzten Drücker haben Intendant Norbert Hilchenbach, GMD Florian Ludwig und Theater-Geschäftsführer Michael Fuchs am späten Donnerstagabend dann doch noch fristgemäß ihre Antworten […] per E-Mail dem Rathaus zugestellt.“ Fristgemäß ist nicht auf den letzten Drücker. Neben weiteren tendenziösen Phrasen gibt es viel Spekulatives. „Hinter den Kulissen des Rathauses sickerte durch“, „so ein Rathaus-Insider“ und so weiter. Das ist nicht nur unsauber recherchiert, sondern unterstellt drei erfahrenen Managern ohne jede Grundlage – und daher auch nur indirekt – dilettantische, einfallslose Arbeit. Die scheinbare Drohung „Sollte dies nicht gelingen (ein erneutes Gespräch zwischen OB und Intendanz, Anm. d. Verf.), steht die Einschaltung externer Prüfer im Raum“, die Weiske als letzten Satz formuliert, dürfte bei Hilchenbach und Fuchs eher Heiterkeit hervorrufen. Das Theater Hagen gehört vermutlich inzwischen zu den bestuntersuchten Häusern der Republik.

Persönliche Rachefeldzüge von Lokalreportern – insbesondere gegen kulturelle Institutionen – kommen immer mal wieder vor und sind gefürchtet, weil solche Leute nicht mit offenem Visier arbeiten, sondern als Heckenschützen auftreten. Allerdings ist es für Leser einfacher als für Bürger, sich dagegen zur Wehr zu setzen, dass sie mit unredlichen Mitteln für die Ziele anderer vereinnahmt werden sollen. Sie brauchen nicht bis zur nächsten Wahl zu warten, sondern können zum Beispiel einfach morgen aufhören, eine Zeitung zu kaufen, die sie hinters Licht führt.

Michael S. Zerban, 17.10.2015

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Die Bürger von Hagen galten immer
als Paradebeispiel für Menschen, die
zu ihrem Stadttheater stehen. Ob es
einer Tageszeitung gelingt, die
Stimmung zu kippen, muss man
abwarten.


Intendant Norbert Hilchenbach sieht
sein Theater kaputtgespart und als
einzigen Ausweg die Spartenschließung.


Michael Fuchs ist Geschäftsführer am
Theater Hagen und kämpft zusammen
mit Hilchenbach seit Jahren um den
Erhalt des Stadttheaters
.


OB Erik Schulz will weitere Kürzungen
gegen das Theater durchsetzen und
sieht sich mit Hilfe von unerwarteter
Seite konfrontiert.