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Porträt

Susan Maclean



 

Aufführungen

In Mannheim zu sehen noch drei weitere Aufführungen der "Frau ohne Schatten": Am 5. Mai, 30. Juni und 19. Juli 2007

Zum vorläufig letzten Mal der berühmte „Mannheimer Ring":
13. Mai: Das Rheingold (Susan Maclean als Fricka)
17. Mai: Die Walküre (Susan Maclean als Fricka)
20. Mai:Siegfried
27. Mai: Götterdämmerung (Susan Maclean als Waltraute)
 

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Mannheim liegt Susan Maclean zu Füßen

Ein Porträt von Frank Herkommer

Regula Gerber, Intendantin am Nationaltheater Mannheim, ist nicht bekannt als Freundin übertreibender oder hochtrabender Worte. Wohlgesonnene Nüchternheit und sachkundige Weltklugheit zeugen von ihrer Verwurzelung im calvinistisch- reformierten Erbe der schweizerdeutschen Heimat.

Der Aufbau Gerbers Laudationes gleicht einer Pyramide: Das breite Fundament Sachkenntnis, der wertende Superlativ vorbehalten, wie der Eckstein ägyptischer Baukunst, für den möglichen krönenden Abschluss. Selten eingesetzt, schon gar nicht allabendlich bei Premierenfeiern. Theater als ewige Baustelle, im Prinzip schön und unvollendet wie Gaudis Sacrada Familia.

Tosender Beifall brandet auf in der denkwürdigen Premierenfeier Mitte März anlässlich der Straussschen „Frau ohne Schatten“. Eben kam der entscheidende Initiationssatz: Eine bessere Amme als Susan Maclean finde man derzeit weltweit nicht.

Wie sie singt und spielt!

In der Tat: Die Mezzosopranistin, US-Amerikanerin mit deutschen Wurzeln, sorgt für Gänsehaut. Wie sie singt und spielt! Amme „ist“, im Sinne des Kleistschen Aufsatzes über das Marionettentheater, also mit erlangter Finalität, dort von essentieller Anmut und einer Grazie vor allem Tun und Lassen beim griechischen Dorneuzieher. Hier findet das Thymotische Potential seine Inkarnationsgestalt, ihr ganzer Körper ein wohlgeformter Resonanzboden unterschiedlicher Befindlichkeiten und großer Gefühle.

Gefäß für Zorn und herablassende Verächtlichkeit, für Inanspruchnahme und Widerständigkeit, stolzes in Geltung bringen und Wille zur Gestaltungsnahme. Sie stampft und bebt, eben zittert sie noch und strafft im nächsten Augenblick den Leib zu einer einzigen Anspannung; sie schreitet, sie trippelt und holt dann wieder mit ihren Schritten weit aus, fordert ohne Worte und weist durch Körpersprache ab, stumme Ungeduld und drängendes Unverständnis neben bedingungslosem Beistehen und Hinwarten. Tiefgründigkeit und Schönheit der Sprache von Hofmannsthals haben wie selten in der Künstlerin ihre darstellerische Entsprechung gefunden. Die göttliche Musik Straussens und seine hingebungsvolle Vestalin.

Prädestiniert für metaphysische und dämonische Rollen

Bergson hätte seinen Elan vital personifiziert gesehen, und im Sinne Hegels verkörpert Macleans Amme den unverzichtbaren Steigbügelhalter des Weltgeistes, die Antithese. Wenn es derzeit eine Protagonistin gibt, die für metaphysische, dämonische Rollen prädestiniert ist, dann die Maclean. Aber beileibe nicht nur dafür.

Expressiv in Körpersprache und im Gesang. Was für ein ausdauerhaftes Mezzoforte! Allen Befürchtungen, das Los einer früh Verausgabten herbei zu beschwören, hat sie den lebenden Gegenbeweis angetreten. Im Piano differenzierend und pointierend. Ein unglaubliches Spektrum an Farbnuancierung. Wie sie Höhen und Tiefen gleichermaßen und an ein- und demselben Abend beherrscht und dabei immer das Gefühl von Spiel und Leichtigkeit vermittelt! Eine große Stimme, unverwechselbar, die nicht gegen das Orchester, sondern als sein Königsinstrument mit ihm singt. Diese Eindeutigkeit und Klarheit ohne jede rechthaberische Apodiktik. Religiös, dem Heiligen, dem Numinosen und Tremenden zugetan, ohne Bigotterie und Proselytenmacherei. Süße der Erlösung ohne falsches Kling, Klang, Gloria. Wenn profan, dann in einer stolzen, Erotik bejahenden Diesseitigkeit.

Susan Maclean will nicht gefallen, sie weiß zu gefallen. Sie singt nicht etwas, sie singt. Sie macht nicht Musik, sie ist. Noch einmal frei nach Kleist („Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“): „La musique vient en chantant." Diese unglaubliche Präsenz, dieses Ungemachte, Ungekünstelte zeichnet Maclean wohl am meisten aus. Oder mit Platon: Jede von ihr so perfekt beherrschte techne geht auf in einer vollendeten arete.

Diese Frau singt hypnotisch. Wie eine Urgewalt bricht die Stimme der Maclean ein und zwingt den Hörer sich auszuliefern, sich fluten zu lassen von magischen Tönen, die Metamorphose vermeinter bürgerlicher Artigkeit in sublime chaotische Seelengemengelagen für einen Abend bei sich selbst zuzulassen, ihr latentes Vorhandensein wenigstens zu ahnen. Das alles zusammen ist zutiefst beeindruckend, bezwingend und je nach Rolle bedrängend oder betörend. Im besten Falle beides.

Eine der besten Kundrys über all die Jahrzehnte

Karfreitag. Die Maclean als Kundry. Parsifal ist Kult in der kurpfälzischen Metropole mit ihren großen Traditionen von Schiller bis Mozart. Heuer steht die fünfzigste Aufführung am höchsten christlichen Feiertag mit derselben Inszenierung an. Zeitlos gelungen, aktuell durch den überzeitlichen mythologischen Gehalt. Und alte Stammbesucher sind sich einig: Das war eine der besten Kundrys über all die Jahrzehnte. Selbst wenn sie schweigt, wie im Dritten Akt, füllt sie die Bühne aus. Demut, Hingabe, Bußfertigkeit, die Erlöste, Wagners Maria Magdalena des Schlussakts, von ihr ebenso glaubhaft dargestellt wie zuvor die Kundry/Eva, die Verführerische und durchs Ewig­Weibliche dem tumben Parsifal Erlösung Anbietende. Mannheim liegt spätestens seit dieser Saison Susan Maclean zu Füßen.

Angefangen hat alles in Sacramento (Kalifornien), wo sie Mutter Donna und Vater Bob als eine von zwei Töchtern geboren wurde. Beide Eltern Berufsmusiker, Querflöte im Orchester. Schwester Karen brachte es als Tänzerin bis zum Broadway. Musik und Schauspiel studiert Susan in Minneapolis, San Francisco und Zürich, wo sie ihre erste Anstellung erhält. Dem festen Engagement in Bielefeld folgt eine Spanne von sieben Jahren freier Tätigkeit, bevor sie in Kaiserslautern wieder fest arbeitet, am ambitionierten Pfalztheater. Ihre Rollen bringen sie unter anderem an die Opernhäuser in Antwerpen, St. Gallen, Nürnberg, Oldenburg und Leipzig. Im Sturm erobert sie Anfangs dieses Jahrzehnts das pfälzische Publikum. Unvergessen ihre gefeierten Auftritte in Kaiserslautern, etwa als Dalila, Lady Macbeth, Santuzza und als krönender Abschluss die viel umjubelte Carmen.

Maclean genießt Kultstatus

Wer befürchtete, Kultstatus sei nur in der Pfälzer Provinz zu erreichen, wo sich vermeintlich Intendant und Abonnent noch Gute Nacht sagen, sah sich nach ihrem Mannheim-Wechsel bald eines Besseren belehrt. Die erste Saison 04/05 ist zugepfropft mit Kärrnerarbeit, so singt Maclean mörderisch anspruchsvolle Partien wie Brangäne, die Eboli, Alban Bergs Marie, die Mutter in „Hänsel und Gretel“, als Debüt die Pariser Fassung der (Tannhäuser-) Venus, erstmals auch den Ring als Fricka und Waltraute sowie erneut die Didon in „Les Troyens“. Eine gewaltige Anstrengung, der sich die Sängerin aussetzt, um ihrem neuen Publikum das zu geben, was sie zu geben bereit ist: alles.

Es ist nicht nur der Respekt vor diesem Kraftakt, diesem wahren Triumph des Willens. Wenn Dialektik besagt, dass Quantität irgendwann in Qualität umschlägt, dann leitet sich in diesem Fall daraus ab: Wenn so viel höchste Qualität anhält, schlägt die Bewunderung um in Hochachtung und Verehrung. Die privat so Bescheidene genießt längst wieder, was ihr sachlich zusteht: Kultstatus.

Auf ihre drei Lieblingspartien angesprochen, benennt die charmante Ausnahmesängerin als neu unter den Favoriten - wen wundert's - die Amme. Aber Amneris, Kundry, Dalila und die von ihr so erotisch in Szene gesetzte Carmen gehören weiterhin zu ihren Master- Rollen. Spielend leicht könnte sie zehn weitere Lieblingspartien aufführen, aus dem Stand, wie sie versichert.

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Mannheim liegt Susan Maclean
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