„Wie viel verkaufte Plätze habe ich?“
Vor allem in Nordrhein-Westfalen mit seinem nahezu ausschließlich kommunal finanzierten Theaterleben herrscht Katastrophen-Alarm: Sind mehr als hundert Jahre alte Institutionen bürgerlicher Musiktheater-Kultur dem Untergang geweiht?
Man sollte meinen, dass sich in solchen Zeiten existenzieller Bedrohung die Stadt-Verantwortlichen kompetent mit ihren kulturellen Identifikations-Zentren solidarisieren. Aber da gibt es skandalöse Defizite im Verständnis urban-kulturellen Lebens.
„Es gibt Beispiele, wo solche Häuser für deutlich weniger Geld funktionieren.“
„Es ist wie beim Verwaltungsumbau.“
„Man kann Kultur aktiv vermarkten.“
„Man muss sehen, dass man Leute in den Laden bekommt.“
„Wenn ich als Besucher in eine Kulturveranstaltung gehe, ist es mir ziemlich egal, wer das organisiert hat: Ich setze mich dahin und freue mich, wenn es gut ist.“
Man ist geneigt, die Statements einem für Kultur resistenten BWL-Azubi zuzuschreiben. Falsch! Es ist der CDU-Oberbürgermeister einer Stadt, dem zu den dramatischen Problemen des epochalen Strukturwandels nichts anderes einfällt, als ideologische Statements neoliberaler Profit-Dominanz zu verbreiten.
Der Hagener Westfalenpost sei Dank, dass sie in ihrer Ausgabe vom 30. Januar 2010 mit einem entlarvenden Interview die abenteuerlich-ignoranten Vorstellungen eines offensichtlich ideologisch fixierten, kulturfernen Verwaltungs-Funktionärs publik gemacht hat.
Aber er entpuppt sich nicht nur als extrem profit-orientierter Ideologe, er beweist in diesem Interview auch seine frappierende Inkompetenz in Sachen konkreter Lösungs-Möglichkeiten. Dieser geschichtslose OB schlägt Kooperationen des Hagener Theaters vor – kennt offenbar die zuhauf gescheiterten historischen Versuche mit Hagen-Wuppertal, Wuppertal-Gelsenkirchen, Dortmund-Hagen, Hagen-Bochum, Witten-Hagen usw. usf. nicht - und verspinnt sich in eine offenkundige „Abwicklungs-Strategie“: Ein Oberbürgermeister als Großmeister der kulturellen Dekonstruktion: Das scheint ein abgekartetes Spiel zwischen dem ideologisch militanten Regierungspräsidenten im sauerländischen Arnsberg und dem kenntnislos-naiven Hagener OB zu sein: eine gezielte Demontage des hoffnungsvollen Prinzips „Kultur im Wandel – Wandel durch Kultur“.
Ein rücksichtsloser Angriff auf die Identität einer Stadt mit bemerkenswerten kulturellen Meriten wie dem Jugendstil Hagener Impuls, der Basis des Folkwang-Museums, der FernUniversität, einem vielfältigen musikalischen Leben und akzeptiertem Renommée in der aktuellen Theaterlandschaft.
OB Jörg Dehm versteht sich als pseudo-unternehmerischer Funktionär, verbietet dem Theater-Intendanten das öffentliche Wort („Maulkorb für den Theaterchef“ [Westfalenpost]) und hat überhaupt kein Interesse am Erhalt des Hagener Theaters als Element städtischer Identität in der Metropole Ruhr.
Das etablierte Bürgertum Hagens mit Gallionsfiguren wie Liselotte Funcke und Willy Weiher versteht das Hagener Theater als kulturellen Ort gesellschaftlicher Kommunikation. Dieses Hagener Groß-Bürgertum wird den schnoddrigen Dehm in die Schranken weisen und schlussendlich „sein“ Theater retten!
Doch darüber hinaus: Das Theater Hagen braucht Unterstützer aus allen kulturell motivierten Szenen!
Franz R. Stuke
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