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KOMMENTAR

Von Franz R. Stuke
4.3.2005


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Pfalztheater Kaiserslautern

Mainfrankentheater Würzburg

Rezension "Die Feen" - Ludwigshafen

Rezension "Die Feen" - Würzburg


 

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„Die Feen“ – Wagners verpöntes Frühwerk: Aktuelles Musiktheater

1833 vom 20-Jährigen komponiert, 1888 fünf Jahre nach dem Tod seines Meisters uraufgeführt: Wagners „Feen“ blieben auch danach lange Zeit am Rande liegen. Als musikalisch epigonal abgewertet, für dramaturgisch-chaotisch befunden, gab es Aufführungen in den 70er Jahren, das Münchner Gärtnerplatztheater bemühte sich, es gibt eine CD mit Sawallisch; aber die Abneigung blieb. Nun „Die Feen“ in Kaiserslautern und Würzburg. In Würzburg hat der 20-jährige Wagner das Frühwerk als Libretto erfunden und komponiert; er war Chordirektor am dortigen Theater und am Musikverein; das ist Motiv genug für eine „Wiederentdeckung“. Das Pfalztheater Kaiserslautern sucht nach Innovationen im publikums-attraktierenden Spielplan, findet zu einer umfassend-problematischen aktualisierenden Thematik ein vergessenes Objekt; auch das ist Motiv genug.

Die Fokussierung der Inhalte zeitigen hoch unterschiedliche Auffassungen der eher unübersichtlichen Wagner-Vorstellungen: Johannes Reitmeier bringt die Welten von Feen und Menschen mit Ada und Arindal als scheinbare Konfrontation der Unsterblichkeitsfrage auf die Bühne – die Menschenwelt-Katastrophe als zerstörte Twin Tower, die Eiseskälte der Feenwelt als schwarzer Kubus – und demonstriert das Leiden der Protagonisten als eschatologisches Endspiel in Kaiserslautern. Christian Pöppelreiter greift in Wagners Libretto ein, stilisiert einen neuen Focus: atemberaubend thematisiert wird die zynische Kraft der liebesfeindlichen Beharrungstendenzen einer machtgeilen alten Generation – eher abstrakt, aber sinnlich erfahrbar vermittelt.

In Würzburg und Kaiserslautern werden aktuell divergierende Tendenzen des aktuellen Musiktheaters deutlich: zum einen der Versuch der hautnahen Politisierung (Reitmeiers plakative Positionierung im Weltkonflikt, übersteigert verdeutlicht auch durch Hitler-, Saddam-, Bin Laden-Masken), zum anderen durch abstrakt-assoziative Fokussierung im Sinne der Reduktion von Komplexität in Pöppelreiters Dekonstruktion der verwirrenden Wagner-Vorlage auf den „Generationen-Kampf“.

Extrem alternative Bühnenbilder stehen dennoch für die Idee der „bedeutungsvollen Erzählung“: hier – in Kaiserslautern – die Assoziation des clash of civilisations, die sich aber nicht plausibel durchgängig vermitteln lässt und in die Fallen der chaotischen Wagner-Dramaturgie tappt; dort – in Würzburg – der abstrakte Spielraum, der die Welten integriert und Räume für konstruierendes Spiel schafft.

Musikalisch lassen beide Produktionen die bislang verleugnete Faszinationskraft der Musik des jugendlichen Wagner und seiner offenbaren Perspektiven hörbar werden: orchestrale Disziplin mit solistischen Elementen erwecken Anteilnahme am emotionalen Konflikt-Szenario. Es ist ein Erlebnis, die Anleihen Wagners bei Weber, Beethoven, direkt bei Mozart, aber auch bei Bellini und Meyerbeer zu hören, doch auch die Verweise auf kommende Meisterwerke: Parsifal, Tannhäuser, Lohengrin werden in den hochkonzentrierten Interpretationen der Orchester zum spannenden Erlebnis des verstehenden Wiedererkennens.

Sängerisch stehen sich die beiden Produktionen wenig nach – wobei Alexander Fedin mit seinem wenig heldischen Tenor ein Schwachpunkt beider Produktionen ist (gibt’s denn da keine Alternative mit einem „hungrigen“ Newcomer?). Doch überzeugen die Besetzungen mit Laurie Gibson in Kaiserslautern und Deborah Mayer in Würzburg als Ada und der stupenden Rachel Tovey (in Würzburg) bzw. der legatosicheren Adelheid Fink (in Kaiserslautern) und den kompetenten Daniel Böhm (in Kaiserslautern) bzw. Andreas Bauer (in Würzburg) als Gernot. Auch de Chöre leisten ihren intensiven Beitrag zur Re-Vitalisierung des außerordentlich hörenswerten Wagner-Werks.

Im Übrigen: der Wagner-Verein Mainfranken unterstützt die Würzburg-Initiativen; da sind ja wohl weitere verdienstvolle Bemühungen zu erwarten! Auf alle Fälle: Reisen nach Würzburg und Kaiserslautern sind anzuraten. Zu erleben sind staunenswerte Leistungen so genannter „kleiner Häuser“ und Einsichten in den frühzeitig erkennbaren Duktus des kommenden Genies, der viel mehr bietet als eklektische Übernahmen mit dramaturgischen Verzerrungen: Die Interpretation der Geschichte mit tieferer Bedeutung macht’s. Und da beleben die divergierenden Konzepte in Kaiserslautern und Würzburg den Diskurs über die Möglichkeiten aktuellen Musiktheaters!

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