Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

KOMMENTAR

Von Franz R. Stuke
September 2007



 

zurück       Leserbrief

KULTUS UND KUNST

Wenn ein Kardinal alle nicht-gott-bezogene Kunst als „entartet“ klassifiziert, fühlt man sich ins Mittelalter, in die Gegen-Reformation, in den Kulturkampf oder ins Dritte Reich zurückversetzt.

Denn dieser Kardinal hat etwas polemisch artikuliert, was alle Dogmatiker seit jeher umtreibt – die Angst vor der Unbotmäßigkeit der freien Kunst, ihre Ablehnung geistiger Freiheit und ihr ungebrochenes Streben nach Sanktionen.

Im konkreten Fall gibt es dem Anschein nach drei Möglichkeiten:

Der Kardinal wollte die ihm nicht genehme Kunst mit einem Etikett versehen, dessen Zusammenhang mit dem Wörterbuch des Unmenschen ihm nicht bekannt war. Das ist aber schon bei einem durchschnittlich gebildeten Zeitgenossen unwahrscheinlich.

Oder er wollte eine überpointierte Trennung zwischen religiöser und profaner Kunst herstellen, dabei der zweiten den Anspruch auf Transzendenz absprechen, und sie damit diskriminieren, dass er den härtest möglichen Begriff wählte. Aber auch das ist eher unwahrscheinlich, da ein katholischer Kardinal ja ein Experte in Sachen Kommunikation ist.

Bleibt Möglichkeit drei: Der Kardinal wählte den Begriff mit seiner ideologischen Aufladung bewusst, um mit der öffentlichen Empörung eine Diskussion loszutreten, in der es um gesellschaftliche Werte, um die Sinnhaftigkeit von Kunst, um deren Bezug zur menschlichen Existenz gehen soll. Aber auch das ist unwahrscheinlich, da die Reaktionen vorsehbar waren.

Also kann nur eine vierte – schreckliche – Deutung den scheinbaren kommunikativen faux pas erklären: Es gibt eine geistige Nähe von klerikalem Absolutheits-Anspruch und totalitären politischen Ideologien!

Und das heißt: Luther hatte Recht mit der Reformation; Bismarck hatte Recht mit dem Kirchenkampf – und die tapferen Kämpfer für eine Kirche von unten, für eine offene Ökumene, für Dialog und Demokratie befinden sich in aussichtsloser Position, wenn denn schon die Diskussion um Kunst derart reaktionär angegangen wird.

Dabei spielt die Frage nach dem Transzendieren und der Vergegenwärtigung von Mythen gerade in der Oper eine nicht unwichtige Rolle: Was bleibt vom Verzweifeln am Willen der Götter und der Abhängigkeit vom unerbittlichen Schicksal, wenn z.B. die Trojaner eine Art Irak-Krieg führen, wenn Medea zum Fall für die Forensik wird?

Aber das sind die Themen, die für diesen Kardinal obsolet sind, handelt es sich doch um griechische Mythologie – und die ist nach seinem Verständnis ohnehin -- „entartet“.

 

Kommentar-Archiv

Maastricht - allein in der Euregio?

3sat als näctliche Abspielmaschine

Studierende beobachten Opern-Diskussion

Chinesisches Neujahrskonzert 2009

Über den Aufbau luxuriöser Theater in China

Das gute (Streik-)Recht

Reform-Konzept Bayreuth kommunikativ

Das Opern-Wunder am Oslo-Fjord

Der ECHO-Preis: TV-Routine

Über Programmhefte

Kulturhauptstadt Essen?

Der Banause langt zu

Tan Dun - Chinas Musikwelt

1:29' - und die Welt ist ein Stück anders

Die Unbeirrbaren - Wagner-Festival im öserreichischen Wels

Der ewig grüne Hügel in Mannheim

Am Fuß des Regenbogens - Dortmunds neue Kinderoper

Kultur ist Luxus - Münsters Bürgerentscheid gegen eine Kongress- und Musikhalle

Kalter Krieg 2008

Das Publikum wirkt mit

"Entsetzen und Schrecken erstarren das Blut " - zum Fall Nokia Bochum

Anmerkungen zur Dortmunder Oper

Die Zukunft des Operngesangs

Keine Rosen in Athen

Bluff des Jahres?

Duisburger Akzente - mehr als ein Schauspielfest

Opernkarten zu teuer?

Kunst und Kultus

Weimar gnadenlos

Händel-Kommunikation
in Göttingen

Regietheater heute

Kontroverse Einschätzungen

Triumph und Hoffnung
des Gesangs

Hochkultur am Niederrhein

Handel - so what?

Schiller-Verdi begeistert in Dessau

Das Treffen in Dortmund

Wagners verpöntes Frühwerk: Aktuelles Musiktheater

Die neue Oper in Kopenhagen

Die Zeit ist stehen geblieben

Oper konzertant? Keine Frage!

As slow as possible - Ein Hauch von Ewigkeit in Halberstadt

"Fidelio" in Dortmund: Der Tabu-Bruch als Pointe?

Der Tenor und die Regie - Kollos Tristan-Inszenierung in Halle

Filmmusik - beinah theatral