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Die Zeit ist stehengeblieben
Das Kroatische Nationaltheater hat den
Sozialismus überdauert
Stürmische Zeiten sind es, durch die Intendant und Dirigent Mladen Tarbuk das Flagschiff der Kroatischen Kultur steuern muss. Von außen durch Presse und Politik, von innen durch die eigenen Mitarbeiter scharf angegriffen, kann man es ihm nicht verübeln, wenn er das Ende seiner Intendanz im Dreispartenhaus nächstes Jahr gelassen sieht. Dabei mutet das, von Helmer und Felmer entworfene, von Franz Joseph I 1885 eingeweihte Kroatische Nationaltheater in Zagreb (NHK) an wie ein Traum aus der k.u.k. Zeit. Während man Zagreb noch die Fernwirkungen von Sozialistischer Diktatur und anschließendem Krieg ansieht, scheint im NHK die Zeit stehen geblieben. Perfekt erhalten präsentieren sich reich verzierter Zuschauerraum mit 700 Plätzen und elegante Foyers.
Stehen geblieben scheint die Zeit leider auch bezüglich der Mitarbeiterstruktur. Lebenslange Verträge, auch im künstlerischen Sektor, sorgen für Paradoxien wie dem der festangestellten ersten Sängerin, welche seit zehn Jahren nicht mehr aufgetreten ist. Hier setzt Tarbuk an, hat das Sängerensemble von 40 Sängern vor dem Krieg auf 20 reduziert und arbeitet vornehmlich mit Gastengagements. Das dies für Unruhe im Haus sorgt, welches ansonsten fast nie Gäste gesehen hat, ist nachvollziehbar.
Die Gastengagements sind auch beliebter Aufhänger der kroatischen Medienberichterstattung über die Kosten des NHK. Der zehn Millionen Euro hohe Etat des 500-Mitarbeiter-Hauses kann in sieben Millionen Euro für Gehälter und laufende Kosten, so wie drei Millionen Euro für Produktionskosten aufgeteilt werden. Während für den ersten Teil die Stadt Zagreb und der Kroatische Staat jeweils zu Hälfte aufkommen, muss das NHK von den drei Millionen Euro Produktionskosten zwei Millionen selbst erwirtschaften. Dies ist trotz Logen-Sponsoring schwierig, da Eintrittsgelder kaum ins Gewicht fallen und Nachwuchsunternehmer lieber in große Sportevents investieren. Somit sieht sich das Haus immer wieder mit der Forderung konfrontiert, Produktionen einfach ausfallen zu lassen, damit zumindest keine Verluste erwirtschaftet werden.
Diese wirtschaftlich schwierigen Gegebenheiten wirken sich aber nicht auf das musikalische Programm aus. So wird außer den genuin kroatischen Opern auch das klassische Repertoire von Mozart bis Schostakowitsch bedient, wobei die hohe Anzahl der Premieren für osteuropäische Verhältnisse alles andere als selbstverständlich ist. Zudem hat das Haus auch internationale Sängergrößen wie Tomislaw Muzek oder Renata Pokovic hervorgebracht. Nicht zu vergessen ist schließlich die kulturelle Ausstrahlungswirkung des NHK. Zwischen Zagreb und Wien gibt es kein größeres Theater. In diesem Bewusstsein wird das NHK – trotz der starken und innovativen Off-Szene in Kroatien – auch in den nächsten 100 Jahren seines Bestehens das bleiben, was es ist: die maßgebliche Institution im Kroatischen Kulturleben.
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