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KOMMENTAR

Von Franz R. Stuke
Mai 2007


 
 

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DUISBURGER AKZENTE – MEHR ALS EIN SCHAUSPIEL-FEST

Die Eröffnung der 30. Duisburger Akzente geriet zu einer gutgemeinten Schul-Entlass- oder Konfirmations-Feier: Die Redner rekurrierten auf das diffuse Festival-Motto „normal“ – und was ihnen dazu einfiel war eben „normal“: Ein Oberbürgermeister, der eine gutgemeinte Rede verliest, ein Kulturstaatssekretär Große Brockhoff, der glücklicherweise nicht über die Selbstfinanzierung der Kultur redet und ein Heiner Geißler, der sich selbstreferentiell mit sich selbst beschäftigt und in einer tour d’horizon gegen die allgegenwärtige Ökonomisierung zu Felde zieht und für das Grundgesetz als verbindliches gesellschaftliches Prinzip plädiert. Man hört sich das alles geduldig an, und ist verblüfft, dass diese Sonntagsreden mit ihrer abgegriffenen Thematik immer noch nötig sind -- oder sind das alles nur kommunikative Bemühungen zur strapaziösen Selbstbestätigung eines zeitgemäßen Neo-Konservativismus?

Der Verdacht liegt nahe, und das beliebig-unverbindliche Motto der 30. Duisburger Akzente - „normal“ - verstärkt diese Vermutung. Eine Zuschauer-Befragung zielt in ihren Intentionen auf die affirmative Zustimmung zu den vorgegebenen Angeboten. Da geht es um Besucher-Frequenzen, um formale Präferenzen und um das Stadt-Image (nicht einmal die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 wird thematisiert) -- inhaltliche Fragen spielen keine Rolle, divergierenden theatralen Formen bleibt die Kategorie „Sonstiges“ überlassen.

Doch – überraschenderweise – das Programm der 30. Duisburger Akzente setzt wichtige „Akzente“: Das beginnt mit der Eröffnung mit Philip Glass’ CIVIL warS, akzentuiert durch wichtige Theater-Aufführungen (u.a. die Elektra der Münchner Kammerspiele) und ergänzt diese klassischen Formen durch Choreografien, Ausstellungen intelligenter Projekte, brisanter literarischer Lesungen -- bis zu diskursiven „Plattformen“ im Zusammenhang mit Ruhr 2010 (sic!) und zu vielversprechenden Vorträgen und Diskussionen (u. a. Prinz Asserates Überlegungen zu den „Manieren“), zu Foren mit relevanten Filmen (u. a. Coppolas Paten) bis zu Konzerten zeitgenössischer Musik und zu hochaktuellen Crossover-Projekten -- und das alles an wechselnden Orten, zentriert auf die „Kathedralen der Arbeit“, nicht auf Orte traditioneller Kulturvermittlung.

Es zeigt sich die Autonomie der Künste und der menschenbewegenden Themen – da sind die „Macher“ mit ihren affirmativen Trends nur Türöffner. Und wenn denn dann ein offen-erkenntnisbegieriges Publikum diese künstlerischen Vorgaben aufnimmt --- dann, ja dann werden die Duisburger Akzente zu einem Ort, aus dem über Gefühlsduselei und prästabilierter Rationalität sich ein neuer Blick auf die gesellschaftlich-dramatischen Veränderungen entwickeln kann.

Aus dem Ort intendierter artifizieller Möglichkeiten entwickelt sich ein Focus neuer künstlerischer Ausdrucksformen mit inhaltlicher Relevanz -- ein offener kommunikativer Raum zum Austausch über die eklatanten Defizite der Normen einer nicht hinterfragten neokonservativ bestimmten Gesellschaft.