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KOMMENTAR

Von Franz R. Stuke
Juli 2009


 
 

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Wagner – sektiererisch?

„Einer nach dem anderen sang, begleitet vom ganzen Orchester (...) seine anklagende Geschichte“. So beschreibt Mark Twain 1880 seine Lohengrin-Erfahrung.
„Markig, das war das Wort. Diederich wünschte sich, er hätte zu seiner Rede in der Kanalisationsdebatte eine solche Musik gehabt.“ So ironisiert Heinrich Mann 1919 die wilhelminische Lohengrin-Rezeption.
Der so gar nicht avantgardistische Wolfgang Wagner bestand auf der Interpretation der Wagner-Werke im „Zusammenhang der jeweiligen Zeit“.
Im österreichischen Wels bemüht man sich um die „Bewahrung“ einer nicht durch „Regie-Exzesse“ dekonstruierte Wagner-Pflege. Das ist nachvollziehbar – und Johannes Felsenstein hat mit diesem Ansatz in Dessau respektvolle Zustimmung erfahren.

Aber da taucht in Wels als Festredner zum 20. Geburtstag des so traulich traditionsbewahrenden Festivals der offensichtlich ressentiment-geladene Rene Kollo auf, spuckt seine Aggressionen in den wagner-erwartungsvollen Saal, lässt seinen Aversionen freien Lauf, versucht die Gläubigen zu missionieren – und steigert sich zum Furioso „Der Regie-Dreck muss weg!“
Da bleibt dem seriösen Alt-Wagnerianer die Spucke weg, da applaudiert man dezent, fühlt sich peinlich berührt - und diskutiert im Anschluss vielmehr mit Leidenschaft und dezidierter Werk-Kenntnis über die „Botschaften“ Wagners mittels seiner Werke.
Und das ist gut so.
Wenn denn das privat finanzierte Wels-Festival Anerkennung – und Sponsoren und Besucher – erhalten will, ist das wohlwollende Grußwort des österreichischen Bundespräsidenten im Programmheft entscheidender als der rhetorisch unkontrollierte Ausbruch eines gescheiterten Theatermachers.
Das Wagner-Festival Wels steht vor der unvermeidlichen Entscheidung, ob es sich als sektiererisches Treffen der Ignoranten missverstehen lassen will – oder ob das aller Ehren werte Ziel eines „Wagner pur“ mit exzeptionellem Gesang weiter entwickelt werden soll.