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Das gute (Streik-)Recht
Wenn Krankenhauspersonal streikt, die Müllwerker ihre Arbeit ruhen lassen, Busse und Straßenbahnen in den Depots bleiben, merkt jeder Bürger und jede Bürgerin sofort: hier wird gestreikt. Der eine ist genervt, die andere versteht’s. Nach ein paar Wochen ist meist alles vorbei, die verhärteten Fronten haben sich beruhigt, eine Einigung ist erzielt.
Die Orchestermusiker und ihr Dachverband, die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) verhandeln seit vier (!) Jahren mit dem Deutschen Bühnenverein (DBV), dem Arbeitgeberverband der bundesdeutschen Theater. Vier Jahre, in denen es darum ging, dass Musiker an den gleichen Tariferhöhungen partizipieren wie alle Arbeiter und Angestellte im Öffentlichen Dienst. Das steht längst im geltenden Vertrag. Aber es geht um spitzfindige Regelungen in einer „Anpassungsklausel“ für zukünftige Vergütungen. An der wird gezerrt, die will der Bühnenverein von der DOV unterschrieben haben, ansonsten wolle er den Manteltarifvertrag zum 31. März 2009 kündigen.
Fakt ist: vier Jahre lang sind rund 10 000 Menschen in rund 90 Orchestern bar jeder Erhöhung ihrer Bezüge. Die befinden sich auf dem Stand von 2002! Da wundert es nicht, dass gestreikt wird – und die Öffentlichkeit vielleicht ein kleines bisschen über die realen Arbeitsverhältnisse derer erfährt, die Abend für Abend hundert Prozent Leistung geben, sich tagsüber darauf vorbereiten, nicht immer kommode Arbeitszeiten haben, sich durchaus auch gesundheitlicher Risiken aussetzen – wie viele andere Arbeitnehmer auch, keine Frage! Von der Anhebung ihrer Vergütung dagegen keine Spur, obgleich materielle Kürzungen wie Wegfall des Urlaubsgeldes, der Ortszuschläge et cetera längst vorgenommen worden sind wie in den anderen gesellschaftlichen Bereichen, in denen der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gilt. Von Wochenend- und Nachtzuschlägen sowie realistischen Reisekostenregelungen mal ganz zu schweigen. Die sind längst futsch.
Der DBV will die deutschen Orchester vom öffentlichen Dienst abkoppeln. Dagegen zu protestieren, mit Streik zu reagieren, ist völlig verständlich. Das Publikum hat punktuell das Nachsehen – aber weiß vielleicht auch einmal neu einzuschätzen, was es an seinem Orchester hat!
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