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KOMMENTAR

Von Franz R. Stuke
16. Juni 2008


 
 

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Die Unbeirrbaren

Wagner-Opern – das war bis 1912 ein Privileg Bayreuths, das wurde in den 20er Jahren zum Bestandteil der Spielpläne aller Opernhäuser in Deutschland, das geriet in den unheilvollen Sog der Nazi-Propaganda, war auch nach Wieland Wagners „Entrümpelung“ vom scheinbar unantastbaren Nimbus der weihevollen Einmaligkeit bestimmt, erfuhr in den langen Jahren der Wolfgang Wagner-Dominanz unerwartete Aktualisierungen in Bayreuth - bis sich fast alle Musiktheater der Republik an die Werke trauten, reduzierte Orchesterversionen entdeckten, kompetente Sänger aufbieten konnten und frappierende Deutungen entwickelten. Allein in den letzten Wochen 2008 gibt es Wagner in Detmold, Bielefeld, Gera, Dessau, Essen, Duisburg, Köln, Frankfurt, Braunschweig, Kassel, Berlin, München, Halle usw. usf.

Das wirkt auf die Gralshüter des vermeintlich „echten“ Wagner verstörend – nicht mehr ideologisch begründet, vielmehr als Sakrileg am festgelegten Werk des „Meisters“ empfunden. Akzeptiert werden eher neutrale Aufführungen wie in Dessau und Chemnitz, Abscheu erregen „Verfälschungen“ wie zuletzt in Gera oder Essen - oder die „Untaten“ Chereaus, Heiner Müllers oder gar Christoph Schlingensiefs auf dem Grünen Hügel in Bayreuth.

In Wels in Oberösterreich – nicht weit von Kuhns revolutionärem Erl – versammeln sich die Unbeirrbaren. Sie bestehen auf „Werktreue“, wehren sich gegen „inszenatorische Willkür“, wollen das „Bühnenweihfestspiel“ erleben und bestehen auf historischer Permanenz. Das sind keine rückwärtsgewandten Ideologen – zumindest nicht alle; das sind keine ewiggestrigen Nationalisten und auch keine notorischen Ignoranten. Aber es sind zum einen die harmoniebedürftigen Traditionalisten und zum anderen die unvermeidlichen „Adebeis“, für die es schick ist, zu einer „Szene“ zu gehören.

Wels befriedigt diese Bedürfnisse, präsentiert vortreffliche Wagner-Musik und exzellenten Wagner-Gesang, verstört nicht mit neuem Wagner-Verständnis und demonstriert calmierendes Wohlgefühl. Wer als Zuschauer hinfährt, weiß was ihn erwartet: Eine ungefährdete Insel konfliktfreien Wagner-Theaters – ohne Provokation, aber auch ohne stimulierende emotionale und intellektuelle Herausforderung.