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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
22. Februar 2014
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf


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Stark und zerbrechlich

Zu Andreas Homokis Traviata ist schon viel geschrieben worden. Seit 17 Jahren geistert sie durch die Opernlandschaft. Zuerst in Leipzig, später in Bonn und seit Oktober des letzten Jahres auch an der Deutschen Oper am Rhein. Nach der Duisburger Premiere ist sie jetzt im Düsseldorfer Haus in neuem musikalischen Gewand zu erleben. Ein szenischer Opern-Klassiker, getragen von der professionellen Routine und dem psychologischen Einfühlungsvermögen des frisch gebackenen Züricher Intendanten. Die gesellschaftlichen Hintergründe der von Bigotterie durchtränkten Handlung interessieren Homoki nur am Rande. Umso deutlicher kümmert er sich um die Profilierung der Figuren bis in die kleinste Nebenrolle hinein. Da kommen ihm die ebenso schlichten wie schönen Bühnenbilder von Frank Philipp Schlößmann dankbar entgegen. Dabei arbeitet das Team auf einer meist völlig leeren, aber raffiniert ausgeleuchteten Bühne. Gedeckte Blautöne im Festakt, irdene Farben auf dem Lande, Eindunklungen im Sterbeakt, dazu korrespondierend scharfe Schwarz-Weiß-Kontraste in den Kostümen von Gabriele Jaenecke, angefangen mit einem rauschenden Ballkostüm aus dem Bilderbuch. Das ist schon fast alles. Da bleibt viel Raum für Homokis psychologisches Fingerspitzengefühl, mit dem er vor allem in den ersten beiden Akten überzeugen kann. Durch die Profilierung auch der kleinsten Nebenrolle wird die desolate und trügerische Situation Violettas umso treffsicherer in den Focus gerückt. Sie selbst kann sich dadurch mit kleinen, aber umso präziseren Gesten und Bewegungsabläufen begnügen. Der plakative dritte Akt fällt dagegen deutlich ab und im Schlussakt belässt es Homoki bei einer konventionellen Personenführung, versteigt sich sogar zu pathetischen Verzweiflungsgesten, während Violetta ihre Krankheit etwas stereotyp durch wiederholte Fallsucht-Attacken zum Ausdruck bringt.

Gegenüber der Duisburger Aufführung hat die Düsseldorfer Übernahme deutlich an Profil gewonnen. Daran trägt Jonathan Darlington, der ehemalige Duisburger Generalmusikdirektor, erheblichen Anteil, der die Düsseldorfer Symphoniker zu einem feinen Spiel animiert, wie man es von ihnen nicht gewohnt ist. Das Vorspiel zum dritten Akt zum Beispiel klingt zart wie ein Seidenschleier. Anders als Lukas Beikircher in Duisburg durchhetzt er nicht die Partitur, sondern nimmt sich für die Kantilenen Zeit, moduliert das Tempo treffsicher und entwickelt die Steigerungen ebenso kontrolliert wie effektvoll. Zu nennenswerten Wackelkontakten zwischen Sängern und Orchester, die in Duisburg ganze Passagen aus dem Ruder laufen ließen, kommt es diesmal nicht.

Dieses Umfeld kommt auch der Inszenierung und vor allem den Sängern entgegen. Mit Spannung wird das Düsseldorfer Rollen-Debüt des Publikumslieblings Olesya Golovneva in der Titelpartie erwartet. Was die Bühnenpräsenz angeht, enttäuscht die Sopranistin nicht. Ihr gelingt ein beeindruckendes Psychogramm einer starken und verletzlichen Frau. Stimmlich bleibt sie den Anforderungen der Rolle kaum etwas schuldig, auch wenn ihr hell timbrierter, in den Höhen leicht spitzer Sopran für die lyrischen Kantilenen die nötige Wärme vermissen lässt, um voll ins Herz treffen zu können. Auch wenn Brigitta Kehle in Duisburg erheblich nervöser wirkte, allerdings auch unter einem problematischen Dirigat zu leiden hatte, muss man dem Konzept des Intendanten Christoph Meyer beipflichten, auch für Rollen mit höchsten Schwierigkeitsgraden auf junge Sänger zu setzen, die auf jeden Fall durch ihre stimmliche Frische und ihre glaubwürdige jugendliche Ausstrahlungskraft punkten können.

Das kann natürlich auch schiefgehen wie im Falle von Jussi Myllys, der sich als Alfredo in Duisburg völlig überfordert sah. Davon kann bei Andrej Dunaev in Düsseldorf nicht die Rede sein. Wenn auch darstellerisch etwas steif, triumphiert er mit einer stimmlichen Leistung, die an ausgereifter Gesangskultur kaum zu überbieten ist. Eine lyrisch geprägte, dennoch große Stimme mit einer faszinierenden Legato-Kultur und genügend Durchschlagskraft für die Spitzentöne, ohne die Stimme auch nur ansatzweise in Bedrängnis bringen zu lassen. Ein Labsal an vokaler Delikatesse.

Die realistische Härte, mit der Homoki Vater Germont zunächst auftreten lässt, zwingt Laimonas Pautienius zu drastischeren Tönen. Dank Darlingtons umsichtiger Leitung bekommt der Bariton jetzt jedoch größere Chancen als in Duisburg, die Kantilenen im ergreifenden Duett mit Violetta rund und voll auszusingen. Und seine oft etwas larmoyant klingende Bravour-Arie aus dem zweiten Akt gelingt ihm ohne sentimentale Entgleisungen.

Sorgfältig besetzt zeigen sich auch die kleineren Rollen bis hin zur Flora von Maria Kataeva, der Annina von Hagar Sharif oder dem Doktor von David Jerusalem. Der Chor singt voluminös und sicher.

Das Publikum bedankt sich für diese rundum gediegene, vokal teilweise überragende Produktion mit standing ovations. Nach dem an der Rheinoper nicht sonderlich glücklich verlaufenen Wagner-Verdi-Jahr mit misslungenen bis mäßigen Beiträgen vom Tannhäuser und der Luisa Miller eine kleine Beruhigungspille für Meyer und sein Haus.

Pedro Obiera







Fotos: Hans Jörg Michel