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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
8. Oktober 2013
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein, Duisburg


Points of Honor                      

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Premierenfieber

Diese Inszenierung von Andreas Homoki hatte ihre Erstaufführung bereits 1997 in Leipzig, wurde letzte Spielzeit in Bonn neu produziert und feiert nun in einer Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg erneut Premiere. Eine Regie-Arbeit, die es gleich dreimal zur Aufführung bringt, muss ja etwas Besonderes sein. Denkt man. Doch eigentlich ist die Stärke dieser Inszenierung die Konzentration auf die Sänger-Darsteller. Und zugleich ihre Schwäche.

Homoki lässt die durchgängig üppig gewandeten Sänger auf einem reduzierten, nahezu gleichbleibenden Bühnenbild auftreten. Der Fokus liegt auf der gefeierten und dann aufgrund ihrer Liebe gefallenen Violetta, die an der gesellschaftlichen Ablehnung zugrunde geht. Die individuellen Beziehungen zwischen den Personen kann man ohne Bühnenschnörkel sehr bewusst darstellen, auch gefällt Homokis Rücksichtnahme auf die musikalischen Akzente, die er in einfrierende Bilder oder pointierte Bewegungen umsetzt. Doch die Akteure sind auf der kargen Bühne auf sich alleine gestellt, was in überflüssig dramatischen Gesten und gefälligem Rampentheater mündet. Da hilft es auch nicht, wenn Violetta in ihrem schönen Kleid mindestens sechs Mal tragisch-hinreißend zu Boden sinkt und Alfredo gleich zwei schallende Ohrfeigen einstecken darf.

Das historisierende Kostüm von Gabriele Jaenecke, das in etwas langweiligem weiß-beige-schwarz keine breite Farbpalette bietet, ist durch die wogenden Reifröcke, die opulenten Hüte und Zylinder dennoch ein Hingucker. Dass Violetta erst weiß, später schwarz und darunter wieder weiß und Alfredo erst weiß, dann schwarz trägt – naja. Im Kontrast zu den aufwändigen Kostümen steht das Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann. Das leicht angeschrägte, spiegelnd-dunkle Parkett, das in allen drei Akten gleich bleibt, bietet lediglich zwei Gimmicks: Stühle und aus dem Boden herauswachsende Plastik-Kamelien. Sieht schön aus, ist aber auf Dauer langweilig. Schlößmann kann sich innerhalb dieses Konzeptes nicht wirklich austoben. Einzig das wechselnde Licht, eingerichtet von Volker Weinhart, bringt Abwechslung auf die Bühne und setzt Akzente.

Leider wird man von der tragischen Geschichte um Liebe und gesellschaftlich bigotte Moralvorstellungen von musikalischem Kuddelmuddel abgelenkt. Was ist da bloß los? Das Premierenfieber grassiert und ist anscheinend hochgradig ansteckend.

Die Duisburger Philharmoniker geben unter der Leitung von Lukas Beikircher ein enorm flottes Tempo vor, was an sich wunderbar spritzig daher kommt. Allerdings nur, wenn die Sänger sich ebenfalls an das Tempo hielten. Nicht ein Sänger, inklusive Chor, auf der Bühne schafft es, mit Beikirchers Geschwindigkeit mitzuhalten. Mitunter sind Sänger und Instrumente so auseinander, dass das Publikum unruhig zu werden beginnt. Der Dirigent schafft es nicht, die Sänger abzuholen und das Chaos zu ordnen. Da ist etwas in der Kommunikation gründlich schief gelaufen. Fast muss man sich fragen, ob Beikircher vor lauter Premieren-Enthusiasmus schneller als geprobt schlägt und die Sänger damit aus der Fassung bringt. Es ist kaum vorstellbar, dass ein gesamtes Ensemble rhythmisch so daneben liegen kann, zumal Blicke der Sänger zum Dirigenten, um Anschluss bemüht, sichtbar werden.

Ein paar mehr Blicke hätten Brigitta Kele in ihrem Debüt als Violetta gut getan. Die offenbar extrem nervöse Sopranistin enttäuscht in der ersten Hälfte, besonders in der schweren Arie, mit verfehlter Höhe, grenzwertigem Piano und schleppenden Koloraturen. Erst in der zweiten Hälfte kann sie ihre auch rhythmische Unsicherheit überwinden und wird stimmlich endlich zur Violetta. Von ihrer Unsicherheit lässt sich zunächst auch Bühnenpartner Jussi Myllys anstecken, der es schwer hat, seine verlangsamte Partnerin im Duett mitzuziehen. Gewiss kann er mit einigen schönen lyrischen Passagen und darstellerischem Einsatz bestechen, doch fehlt ihm ein Quäntchen Format für diese Partie. Daneben hat es Laimonas Pautienius leicht, eine gute Figur zu machen. Sehr souverän gestaltet er mit seinem kernigen Bariton die fast schönste Musik, die Verdi in dieser Oper zu bieten hat, doch etwas mehr Intensität kann man sich auch hier erhoffen. Annika Kaschenz als Annina und Sarah Ferede als Flora können beide überzeugen. Daniel Djambazian als Dottore Grenvil möchte man gerne länger zuhören. Als Barone Douphol wirkt Bruno Balmelli darstellerisch etwas deplatziert, singt aber zuverlässig. Leider geht der an sich hörenswerte Tenor von Cornel Frey als Gastone im Getümmel unter. Der Chor, den Christoph Kurig zuverlässig einstudiert hat, tritt geschlossen schönstimmig auf, einig ist man sich aber auch in den verzögerten Tempi.

Es sind wohl noch ein paar Vorstellungen nötig, um Orchester und Sänger zusammen zu bringen, oder man wartet einfach die Zweit- und Drittbesetzung ab, die mit Miriam Clark oder Olesya Golovneva als Violetta einiges verspricht. Das Publikum reagiert nachsichtig und herzlich und belohnt das Ensemble trotz aller Pannen mit treuem Applaus. Beim Verlassen des Saals hört man den Satz: „Meiner Oma hätte es heute richtig gut gefallen…“

Miriam Rosenbohm

Fotos: Hans Jörg Michel