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Fakten zur Aufführung 

DIE GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
7. Februar 2015
(Premiere)

Landestheater Linz


Points of Honor                      

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Eindrucksvolles Finale in unbestimmter Zukunft

Es ist vollbracht“, notierte Richard Wagner, als er den Ring des Nibelungen nach langjährigem Ringen vollendet hatte, jenes Endzeitdrama, das wohl eine einzigartige Stellung in der Geschichte des Musiktheaters einnimmt. Und obwohl die Aufführung des Bühnenfestspieles für jedes Opernhaus eine große, logistische Herausforderung darstellt und mit einem immensen Aufwand verbunden ist, vollendet das Landestheater Linz mit der Götterdämmerung szenisch und musikalisch höchst erfolgreich die Tetralogie, die es im Oktober 2013 begonnen hatte.

Der goldige Lichtstreifen leuchtet sanft über einem ruhigen Wasser, während Brünnhilde mit einem Fernglas optimistisch in die Ferne und in den ebenfalls in goldenes Licht getauchten Zuschauerraum blickt: Mit einer so hoffnungsvollen Zukunftsvision endet der letzte Teil der Tetralogie hier im neuen Musiktheater des Landestheaters Linz, nachdem die Welt zuvor in einer Projektionsorgie von Feuer, Raketen- und Atomexplosionen wie auch Sturzfluten zusammengekracht war.

Zuvor fasziniert noch Brünnhilde mit Schild und Speer und ihrem hereingeschobenen, überdimensionalen riesigen Ross Grane mit großer Bildmacht bei ihrem Schlussgesang. Aber nicht nur mit dem Finale jenes opus summum vermag Uwe Eric Laufenberg, der ja im kommenden März Strauss‘ Elektra an der Wiener Staatsoper und 2016 Parsifal in Bayreuth inszenieren wird, diesmal stark zu beeindrucken. Abgesehen von einigen, wenigen Szenen, bei denen althergebrachtes Stehtheater vorherrscht, zeigt der deutsche Regisseur fast den gesamten Abend überwiegend detail- und ideenreiches, vitales, packendes Musiktheater mit gelungenen und spannenden Schlüsselszenen.

In einem schicken, gläsernen Designerloft, das auch am Dach bespielt wird, mit Skulpturen und einer größeren Feuerschale lebt Brünnhilde recht komfortabel am Brünnhildenfelsen, der allerdings in der bekannten hässlichen Reithalle auf der Bühne von Gisbert Jäkel steht. Und immer wieder wirft Wotan seinen überdimensionalen Schatten als stummer Beobachter des Geschehens herein. Nach dem Rheingold, das noch im Vorzimmer der Zivilisation, in Zelten, spielte und der Walküre, die in der kriegreichen, ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stattfand, und Siegfried, der im Computer-Zeitalter der Gegenwart angesiedelt war, lässt der Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, wo der Zyklus 2016/2017 gezeigt werden wird, auf seiner geplanten Zeitreise durch die Menschheitsgeschichte die Götterdämmerung in einer unbestimmten Zukunft spielen. Da packt Siegfried, wenn er zu neuen Taten aufbricht, seinen Laptop ein oder zeigt seine Heldentaten und sein Schwert schon mal den anderen am I-Pad. Die minimalistisch ausgestattete Gibichungenhalle mit ihrem dunklen Holz hat allerdings den Charme der Mitte des 20. Jahrhunderts. Im Hintergrund sieht man eine graue Wand, die als matter Spiegel, aber auch vielfach als Projektionsfläche dient, etwa bei den Orchesterzwischenspielen oder bei Siegfrieds Rheinfahrt, bei der der Fluss und seine Burgen gezeigt werden. Gespenstisch flackernde Lichter werden projiziert, wenn sich etwa Hagen mit einem Stuhl auf einem langen Tisch als Nibelungen-Sohn outet. Ein ungemein starkes Bild! Unkonventionell und als zusätzliche Ebene des Verrates endet auch die Freiung Brünnhildes, in der sie Siegfried schlichtweg vergewaltigt.

So wird der letzte Teil der Tetralogie über die immer aktuelle Geschichte von Macht, Geld und Liebe Laufenbergs beste Regiearbeit.

Dafür sorgt aber auch das Ensemble: Alle nicht nur körperlich überragend ist Albert Pesendorfer, obwohl indisponiert angesagt, nicht nur optisch ein Hüne, sondern auch ein stimmgewaltiger Hagen mit unbeschreiblich dämonischer und schauriger Bühnenpräsenz sowie voluminöser Bassestiefe, der auch die Morde sehr drastisch ausführt. Lars Cleveman singt den Siegfried mit gutem Stimmsitz und ohne Ermüdungserscheinungen mit allen Höhen, der vor allem stimmlich in seiner Todesszene sehr zu berühren weiß und wo noch einige Erinnerungsstücke auftauchen. Mit diesen Versatzstücken aus seiner Vergangenheit wird recht plausibel der Ablauf des Lebens vor dem inneren Auge des Sterbenden angedeutet: von der Esse, in der Nothung neu geschmiedet wurde, bis hin zum Teddybären, den er als Zögling von Mime besaß. Stimmgewaltig und kernig hört man Seho Chang als schwächlichen Gunter. Sonja Gornik ist eine kraftvolle Gutrune, Bjørn Waag singt den Alberich kernig. Bernadett Fodor ist eine mächtige Waltraute und erste Norn. Elena Nebera als Brünnhilde singt leider wieder völlig unverständlich, mit abgedunkelten Tönen und hörbaren Problemen in der Tiefe, hat aber ein enormes Durchhaltevermögen und singt alle Spitzentöne dieser mörderisch schweren Partie mit voluminösen, starken dramatischen Ausbrüchen insbesondere bei ihrem fulminanten Schlussgesang. Auch über die Nornen und Rheintöchter, die als Prostituierte einer einschlägigen Bar, die den bezeichnenden Namen Zum Rheingold trägt, auftauchen und dem stimmgewaltigen Chor des Hauses, der von Georg Leopold einstudiert wurde, in futuristischen Kostümen, die von Antje Sternberg stammen, lässt sich nicht mäkeln.

Dennis Russell Davies, der auch die bisherigen Teile des Ringes, der ja demnächst hier als kompletter Zyklus gezeigt wird, hier am Haus einstudiert und dirigiert hat, breitet dem Publikum mit dem Bruckner-Orchester Linz, abgesehen von einigen Intonationsstörungen bei den Bläsern, einen feinen, wunderbar farbig-differenzierten Klangteppich und ein sinfonisch-psychologisches Motivgeflecht mit teils extrem breit gewählten Tempi aus. Spannungsgeladen, aber auch subtil, wird fein abgemischte Tonmalerei und subtiler Stimmungszauber betrieben.

Großer, langer Jubel, den meisten Applaus erhält Pesendorfer als Hagen. Auch beim Regieteam ist keinerlei Widerspruch zu hören. Ein ehrgeiziges Unternehmen einer Landesbühne wird erfolgreich beendet.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Karl Forster