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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
1. November 2014
(Premiere)

Landestheater Linz


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Junger Held mit Schwert und Laptop

In blitzender, silberner Ritterrüstung und mit blankem Schwert bekämpft Siegfried in einer Animation den extrem grauslich aussehenden Drachen. Dafür bekommt er immer wieder Bonuspunkte. Als er ihn schließlich erledigt hat, erscheint ein großes Insert mit Victory: Nach dem Rheingold, das noch im Vorzimmer der Zivilisation spielte und der Walküre, die in der kriegreichen, ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stattfand, ist Uwe Eric Laufenberg auf seiner geplanten Zeitreise durch die Menschheitsgeschichte nun mit dem zweiten Abend des Ring des Nibelungen recht schnell in der Gegenwart, im Computer-Zeitalter angekommen.

So sieht man in Richard Wagners Siegfried am Landestheater Linz immer wieder Animationen oder einfach projizierte Symbole und Zahlenketten aus der Computer-Sprache oder einfach das technische Innenleben von Computern. Außerdem hantieren der Titelheld wie auch Wotan und Mime auf Laptops und Tabletts. Zudem setzt der deutsche Regisseur insgesamt vielfach auf Projektionen. So werden etwa die Antworten Mimes auf Wotans Fragen und umgekehrt mit Filmsequenzen illustriert, wo er alles Erdenkliche, auch Unpassendes, wie Demos und Prügeleien mit der Polizei hineinmischt. Auch das Schmieden des Schwertes Nothung kann man so beobachten.

Den ersten Akt lässt er in einer heruntergekommen Lagerhalle, für die Bühne zeichnet wieder Gisbert Jäkel verantwortlich, mit schäbigem, abgewirtschaftetem Interieur spielen, vollgestopft mit Reifen. Mime handelt offensichtlich damit. Die Neidhöhle ist ein heutiges Bankinstitut mit einer goldenen Wand, umgeben von einem Sicherheitszaun. Sie lässt sich öffnen, wobei orangefarbenes Drehlicht aktiviert wird und Bodyguards mit Sonnenbrillen erscheinen. Darin erblickt man modernes Mobiliar und den Hort als Goldblock, auf dem Fafner dann tot aufgebahrt wird. Nach dessen Tod erscheint plötzlich das Bankenpersonal in Business-Kleidung, Reporter und TV-Teams, die Siegfried, dem jetzt ein dunkler Anzug verpasst wird, die Kostüme stammen von Antje Sternberg, und der jetzt offensichtlich die Firma übernommen hat, und den Waldvogel interviewen. Und plötzlich und unmotiviert erscheint ein Insert: Jetzt beginnt die Zukunft. Damit wir es ja wohl alle wissen.

Im letzten Akt sind wir wieder in der aus der Walküre bekannten, hässlichen, mit Laub, Müll und Bierflaschen verdreckten Reithalle, die wie eine Baustelle aussieht, wo dann Siegfried Brünnhilde aus dem ebenfalls schon bekannten steinernen Walküren-Denkmal, dem jetzt der Kopf fehlt, herausschält. Dieses Bild ist von Laufenberg kaum inszeniert. Außer dass unvermutet schon jetzt die Nornen mit ihrem Seil, wie auch einige Wunschmädchen und Walküren erscheinen. Aber all diese und auch noch einige weitere Ideen Laufenbergs sind wenig spektakulär oder ergreifend. Er liefert keine besonderen Denkanstöße und erlaubt sich viel Misch-Masch und Fadesse. Viele seiner Ansätze wirken auch platt. Seine Personenführung ist zahm und harmlos.

Sehr durchwachsen ist das Ensemble. Eindeutig auf der Habenseite: Erstklassig wortdeutlich, ausdrucksstark und verschlagen, hört man Mime, der von Matthäus Schmidlechner mit präzisem Charaktertenor gesungen wird. Bjørn Waag singt den Alberich ebenfalls wunderbar verständlich. Bernadett Fodor ist eine mächtige, dunkel gefärbte Erda. Dominik Nebel gibt einen machtvollen, schwarzen Fafner. Gotho Griesmeier ist ein passabler Waldvogel. Die sehr dunkeltimbrierte Elena Nebera als Brünnhilde singt leider wieder unverständlich und wenig artikuliert. Ihre Spitzentöne sind tremoloreich. Gerd Grochowski mimt einen noblen, kleinstimmigen Wotan, der hier Wanderer heißt und vermutlich deshalb einen Rucksack trägt. Er geht immer wieder im Orchester unter und es fehlt ihm an göttlicher“ Bühnenpräsenz. Und der Titelheld? Lars Cleveman, der ständig das Kleid seiner verstorbenen Mutter mitschleppt, singt ihn passabel, verschluckt anfänglich ganze Silben und Worte, teilt sich aber seine Kräfte geschickt ein und kann in dieser gefürchteten, mörderisch schweren, Kräfte raubenden Partie immer wieder alle höchsten Töne stemmen.

Zu harmlos und beschaulich mit zu wenigen aufregenden Akzenten, zu sehr auf Exaktheit, Sängerfreundlichkeit und Transparenz bedacht ist auch Dennis Russell Davies am Pult des bestens disponierten Bruckner-Orchester Linz. Durch sein Dirigat bleiben jedoch tiefe Emotionen und Spannungen auf der Strecke.

Jubel und doch einige Buhs für die Regie!

Helmut Christian Mayer







Fotos: Karl Forster