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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
6. Dezember 2014
(Premiere)

Oper Köln, Oper am Dom


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Sarastro im Herbarium

Hasses musealer Leucippo, Glanerts routiniert komponierter, immerhin vorzüglich ausgeführter Fantasy-Thriller Solaris: Glanzvoll startete die Kölner Oper nicht in die – hoffentlich – letzte Saison im Exildasein. Mit der Zauberflöte könnte und sollte alles anders werden. Als eins der nach wie vor beliebtesten Bühnenstücke überhaupt dürften die Kassen in der Oper am Dom wieder klingeln. Allerdings greift man mit der Übernahme von Mariame Cléments Inszenierung an der Opéra national du Rhin Strasbourg auf eine unausgegorene Produktion zurück, die die Probleme des Werks eher hervorkehrt als verdeckt. Und auch musikalisch bleibt es bei gediegener Kost. Alles weder schlecht noch herausragend. Entsprechend lauwarm fällt der Premieren-Beifall aus: ohne nennenswerte Begeisterung, aber auch ohne Proteste. Weh tut man mit dieser Zauberflöte schließlich niemanden.

Mariame Clément reiht sich in die lange Reihe gescheiterter Regisseure ein, die mit allen Mitteln versuchen, die auf den ersten Blick krude Handlung ohne freimaurerischen Überbau und ohne Anleihen ans barocke Prunk-Theater und die volkstümliche Zauberoper glaubhaft darstellen zu wollen. Damit ist man zuletzt an der Deutschen Oper am Rhein mit Barry Koskys technisch aufwändiger Comic-Version ins Schlingern geraten, und damit kann auch Clément mit ihrer erheblich nüchterneren Darstellung nicht punkten.

Man muss sich damit abfinden: Die Zauberflöte ist nur aus dem Geist der aufklärerischen Freimaurerei zu begreifen und damit ist sie Lessings Nathan enger verbunden als Mozarts Don Giovanni. Und man muss sich auch mit dem praktischen Theater- und Geschäftssinn Mozarts und vor allem seines Librettisten und Logen-Bruders Schikaneder abfinden, mit der buntscheckigen Struktur ein möglichst breites Publikum erreichen zu wollen. Und dazu gehören auch Magie und Zaubertricks.

Lässt man all das fort, werden Spekulationen und mehr oder weniger griffigen Gedankenkonstruktionen die Tür geöffnet, die die Verwirrung nur noch verstärken und vor allem die Bühnenwirksamkeit des Stücks stark einschränken. Clément entzaubert das Werk von allen Priesterweihen, allem Prunk der Königin der Nacht und allen Reizen der märchenhaften Naturverbundenheit Papagenos. Die unwirtliche, pro-apokalyptische Steppenlandschaft von Julia Hansen bildet die Kulisse des ersten Akts, ein Flugzeugwrack die Herberge Papagenos. Sarastro residiert in einem nüchternen, wissenschaftlichen Sammlungsraum mit großen Schubladen, aus denen die drei Knaben aufsteigen und Papageno mit seiner Braut am Ende hineinsteigen. Ein überdimensionales Herbarium, in dem auch Pamina in einem Schaukasten ausgestellt wird. Dass Sarastro von Mozart als uneingeschränkt positive Figur gesehen wird, damit kann sich auch Clément nicht anfreunden. Bei ihr tappt er als Blinder durch die Welt, bis ihn die Begegnung mit der Königin der Nacht am Ende aus der Finsternis führt. Die Botschaft der Liebe nehmen die beiden Erzfeinde dann sehr wörtlich und vereinigen sich zu mehr als einem maurerischen Bruder- und Schwesternkuss. Priester gibt es natürlich nicht. Zum Einmarsch der Eingeweihten reinigt eine Putzkolonne Sarastros Residenz.

Sinn macht das Ganze nicht. Ohne Erklärung der Urfeindschaft zwischen Sarastro und der Königin der Nacht bleibt das Stück unverständlich. Und die lässt sich nicht ohne die Symbolik der Freimaurer entschlüsseln. Insgesamt ein weiterer krampfhafter Versuch, sich diesem rätselhaften Werk zu nähern.

Auch musikalisch wird auf bescheidener Flamme gekocht. Will Humburg gehört zwar zu den besten Dirigenten, wenn es um Handfestes aus den letzten beiden Jahrhunderten geht. An Vitalität und Feinschliff mangelt es auch seiner Zauberflöte nicht. Warum er seine schlanke, sportliche Lesart ausgerechnet in den Papageno-Szenen aufgibt und mit eigenwilligen Tempodehnungen irritiert, leuchtet freilich nicht ein. Gesungen wird auf einem soliden, aber nicht überragenden Niveau. Eine mögliche, aber nicht zwingende Folge der an sich erfreulich jungen Besetzung. Dazu zählen auch trotz ihrer schon beachtlichen Bühnenerfahrung Claudia Rohrbach als Pamina und Mirko Roschkowski als Tamino. Beide singen kultiviert, doch verengt sich der Tenor von Roschkowski in den Höhen, während sich der Sopran von Rohrbach verhärtet. Den Koloraturen der Königin der Nacht bleibt Anna Siminska in ihrer Paraderolle nichts an perlender Geläufigkeit schuldig, ihr recht scharfes Timbre ist freilich gewöhnungsbedürftig. Mika Kares verfügt als Sarastro über die nötige Tiefe, lässt es aber an balsamischer Wärme vermissen. Frisch aus dem Opernstudio geschlüpft ist das verlässliche Vogelfänger-Paar mit Wolfgang Schwaiger als Papageno und Aoife Miskelly als Papagena. Hörenswerte Talentproben hoffnungsvoller Nachwuchskräfte. Vorzüglich der Monostatos von Ralf Rachbauer, Oliver Zwarg als würdevoller Sprecher und vor allem die drei Solisten des Knabenchors der Chorakademie Dortmund.

Die folgenden elf Aufführungen bis zum 26. Dezember werden in zwei Besetzungen präsentiert. Von der sensationellen Mozart-Pflege, die die Kölner Oper bis in die 1990-er Jahre prägte, ist nicht mehr viel zu vernehmen. Die Premiere verlief entsprechend halbwertig.

Pedro Obiera

 

Fotos: Paul Leclaire