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Fakten zur Aufführung 

LEUCIPPO
(Johann Adolf Hasse)
2. Oktober 2014
(Premiere)

Oper Köln, Palladium


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Exhumierte Bühnenleiche aus Arkadien

Toten sei die ewige Ruhe gegönnt. Das sollte auch für Bühnenwerke gelten, die zu ihrer Zeit quicklebendig und erfolgreich ihr Dasein gefristet haben, denen man mit ihrer Exhumierung jedoch keinen Gefallen tut. Auch dem Erzeuger nicht, in diesem Fall Johann Adolf Hasse, einem der gefragtesten Opernkomponisten in der zeitlichen Nische zwischen Händel und Gluck, dem Freund, Liebhaber und Gatten großer Gesangsstars seiner Tage. Dass etliche Vokal-Akrobaten und Koloratur-Artisten derzeit die eine oder andere Bravour-Arie des Meisters für ihre Solo-Recitals wiederentdeckt haben, rechtfertigt noch nicht die Reanimation gesamter Opern aus seiner Feder, von denen es immerhin 42 gibt. Das betrifft auch Hasses Oper Leucippo aus dem Jahre 1749.

Dass die Kölner Oper ausgerechnet mit diesem faden Opus ihre letzte Saison im Exilantenstatus eröffnet, während die umliegenden Häuser dicke Brocken von Puccini, Richard Strauss & Co. stemmen, ist nicht nur mutig, sondern auch ärgerlich. Die Sänger-Crew, das fabelhafte Orchester Concerto Köln und der äußerst vitale Maestro Gianluca Capuano markieren musikalische Höchstleistungen, die bei starken Stücken von Händel oder Gluck erheblich besser aufgehoben wären. Somit kann auch der vorbildliche Einsatz aller Musiker und Sänger nicht verhindern, dass sich bei der Premiere rasch gepflegte Langeweile einstellt.

Denn im Unterschied zu den Arien-Konzerten Händels weisen die Gesänge Hasses, zumindest dieser Oper, wenig Originalität und eine ganz beschränkte Stilvielfalt auf. Auch das Gefallen an koloraturreichen Höhenflügen kann auf Dauer nicht über den Mangel an musikalischer Substanz und dramatischer Schlagkraft hinwegtäuschen. Zumal man in Köln den Ehrgeiz entwickelte, die Kürzungen aufzuheben, die für die Erstaufführungen im Rahmen der Schwetzinger Festspiele vorgenommen wurden.

Die Koproduktion mit den Schwetzinger Festspielen bringt überhaupt erhebliche szenische Probleme mit sich. Die Oper ist als bukolisches Hirtenspiel angelegt, als Kammeroper ohne dramatische Dynamik. Und als pastorales Kammerspiel wird sie auch von der Regisseurin Tatjana Gürbaca präsentiert. Ihre Arbeit besticht durch ihre filigrane Personenführung in einem kleinen halbrunden Bühnenraum, was in den intimen Dimensionen des Schwetzinger Schlosstheaters Sinn machen mag, im riesigen Kölner Palladium hinter einem weit in den Hintergrund reichenden Orchestergraben jedoch völlig verloren geht. Man muss schon in den allerersten Reihen sitzen, um die Feinheiten der Inszenierung gebührend wahrnehmen zu können. Ansonsten präsentiert sich das Stück in der leeren, in gedeckte Farben gehaltenen Puppenstube von Henrik Ahr wie eine Folge endloser Standbilder. Die beruhigenden Brauntöne und die unauffälligen Kostüme von Barbara Drosihn verstärken den narkotisierenden Effekt der Aufführung zusätzlich.

Gürbaca, die in Köln bisher ausgerechnet Mozarts Così fan tutte durch deplatzierten Klamauk anreicherte, hält sich diesmal mit theatralischen Effekten zurück. Das muss kein Nachteil sein, wenn sie es nicht versäumt hätte, wenigstens die letzten Reste an aktueller Brisanz dieser typisch barocken Handlung zu vernachlässigen. Es geht um die Gefährlichkeit der Liebe im angeblich idyllischen Arkadien. Die Liebe der zur Keuschheit verpflichteten Priesterin Dafne zum Hirten Leucippo wird argwöhnisch von Delio alias Apoll und dem Oberpriester Narete beäugt und bekämpft, bis es zu einem Happy End kommt. Die Bigotterie von Frömmigkeit und Liebesfeindlichkeit könnte mit ironischer Schärfe herausgearbeitet werden. Die Regisseurin belässt es leider bei einigen Gags und vagen Andeutungen.

Das alles ist umso ärgerlicher, als das in Köln nahezu völlig neu besetzte Ensemble Höchstleistungen vollbringt. Der stimmlich agile, wenn auch etwas klein dimensionierte Countertenor von Valer Sabadus verleiht der Titelpartie ebenso viel Agilität, Koloraturgewandtheit und technische Perfektion wie die anderen Protagonisten. Hier dominieren die artistisch virtuos singende Klara Ek als Climene und die jugendlich frisch auftrumpfende Claudia Rohrbach als Delio, die einzige, bereits in Schwetzingen mitwirkende Sängerin. Auf ähnlichem Niveau bewegen sich Regina Richter als Dafne, Luke Stoker als Nunte und Kenneth Tarver als Narete, die die hohen technischen Anforderungen ihrer Partien mühelos bewältigen. Das Concerto Köln erweist sich unter der Leitung von Gianluca Capuano erwartungsgemäß als exzellenter Anwalt der spätbarocken Musik. Federnd, biegsam und leuchtkräftig bringt das berühmte Orchester die leider arg gleichförmige Musik zum Klingen. Wunder können sie alle nicht vollbringen: Auch eine exhumierte Leiche bleibt eine Leiche.

Ein schwungloser Auftakt zur letzten Kölner Saison im Exildasein, bevor im nächsten Jahr endlich das renovierte Stammhaus zur Verfügung steht. Lediglich fünf Mal steht das Werk auf dem Programm. Fast zwei Stunden muss das Publikum auf die Pause warten. Die Fortsetzung ersparten sich einige Premierenbesucher.

Pedro Obiera

 

Fotos: Paul Leclaire