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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
13. Dezember 2013
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein,
Theater Duisburg


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Musik

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Mozart-Fantasien

Als Christoph Meyer, Intendant der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg, an der Komischen Oper Berlin Barrie Koskys Zauberflöte sieht, weiß er sofort: Diese Inszenierung muss an der Rheinoper gezeigt werden. Ein schnelles, kurzes Gespräch unter Intendanten, und der Deal ist klar. Schon in Berlin ist diese Zauberflöte ein durchschlagender Erfolg, die Kritiker überschlagen sich. Der Ruhm eilt der Aufführung voraus, und so ist das Theater Duisburg am Premierenabend ausverkauft. Die Spannung ist groß. Eine Oper, die Oper, spielt in der Vertikalen.

Seit vielen Jahren wird im Theater mit dem Einsatz von Video experimentiert. Da laufen auf einer großformatigen Leinwand im Hintergrund Kriegsszenen, während davor die Helden verzweifeln. Kobie van Rensburg lässt die Sänger mit projizierten Sprechblasen auf der Bühne herumlaufen. Oder auf einer separaten Leinwand flackern mehr oder weniger sinnstiftende Bilder parallel zur Handlung. Aber eine echte, vollständige Symbiose von Bühnenspiel und Filmmaterial hat es noch nicht gegeben. Bis die Regisseure Suzanne Andrade und Barrie Kosky ihre gemeinsame Liebe für den Stummfilm entdeckten. Zusammen mit dem Videokünstler Paul Barritt bringen sie eine Stummfilmreminiszenz auf die Bühne. Eine weiße Wand mit Drehtüren in verschiedenen Höhen steht bühnenfüllend im Vordergrund und bildet die Projektionsfläche für ein Spektakel zwischen Comic und Fantasy, Animation und großem Stummfilmkino. Der Clou: Die handelnden Personen sind die real existierenden Sängerdarsteller und Choristen. Die werden von Esther Bialas in Kostüme aus der großen Zeit des Stummfilms eingekleidet. Tamino als Buster Keaton, Pamina als Louise Brooks. Papageno im kanariengelben Look des Dandys und Papagena als Revuegirl der „Golden Twenties“. Ansonsten gibt es viel Frack und Zylinder. Die perfekte Verbindung von Film und Darsteller bietet, wie passend, die Königin der Nacht. Zu sehen ist eigentlich nur der Kopf der Darstellerin, der Rest der Figur ist Film, eine Spinne nämlich.

Es dauert eine Weile, bis man dahinter kommt, dass es hier nicht um die hohe Kunst geht, eine Zauberflöte seriös, aber noch einmal neu zu inszenieren. Und so stört man sich eine Weile an den immer wiederkehrenden Lachern aus dem Publikum, wenn eine animierte Katze als running gag über die Leinwand tobt. Ärgert sich ein bisschen, weil die Akustik der zugestellten Bühne jede Textverständlichkeit verbietet, ohne dass wenigstens Übertitel helfen. Lässt sich erst nach und nach auf die Faszination des Kinofilms ein, der auf der Riesenleinwand flackert. Das ist nicht der „Vorweihnachtsmozart“, auf den man sich gefreut hat, sondern ein gänzlich anderes Kunstwerk. Und wenn diese Erkenntnis greift, kann man sich dem Sog und der Faszination einer Inszenierung überlassen, die es so in der Tat wohl noch nicht gegeben hat. Hier ist das Rad nicht neu erfunden, aber zahlreiche Zitate fügen sich zu einer neuen Ästhetik zusammen, die Staunen macht.

Weniger begeisternd ist die gesangliche Leistung des Abends. Heidi Elisabeth Meier singt eine wunderbare Königin der Nacht, und es wirkt fast so, als staune sie selbst, mit welcher Leichtigkeit sie in den berühmt-berüchtigten Höhen dieser Partie flaniert. Damit gebührt ihr der einzige Arienapplaus dieses Abends. Auch Anke Krabbe singt eine zwar weitgehend unverständliche, aber immerhin noch stimmschöne Pamina. Ebenfalls keinen Text versteht man bei den Drei Damen Sylvia Hamvasi, Marta Márquez und Katarzyna Kuncio, die sich in Spielfreude und weitestgehend pünktlichen Einsätzen in den Film integrieren. Gänzlich uninspiriert zeigt sich Luiza Fatyol als Papagena. Ihr Part im Duett Pa-Pa-Pa-Pa-Pa klingt mehr abgesungen, als von der herrlichen Leichtigkeit Mozartscher Musik beseelt. Das ist nicht die Form, in der man die junge Sängerin kennt. Ihr Papageno, Vogelhändler von Beruf, bemüht sich, schauspielerisch topfit zu sein, was meist gelingt, sein Bariton nuschelt vor sich hin. Da hat Richard Šveda seine Stimme und auch die Sprache nicht immer im Griff. Den Tiefpunkt bietet Thorsten Grümbel, der den Bass des Sarastro in unschönen Tiefen versenkt. In diesen heil’gen Hallen wird da zur Mühsal. Ein Lichtblick ist Monostatos, dem Johannes Preißinger nicht nur einen klaren, sondern auch gut verständlichen Tenor verleiht. Jussi Myllys versieht Tamino mit einem schlanken Tenor, konzentriert sich ansonsten ganz auf seine Buster-Keaton-Rolle, die ihm mit Bravour gelingt. Mit Bestimmtheit ist diese Art der Inszenierung eine ganz neue Herausforderung auch für die schauspielerischen Fähigkeiten der Sängerdarsteller, die sich oft auf feinste Nuancen konzentrieren müssen, die ihnen der Film vorgibt, so dass gar der Eindruck entsteht, sie verharrten im Stehtheater. Stattdessen geht es oft um Sekundenbruchteile, soll die Wirkung der Interaktion von Film und Darsteller nicht verpuffen. Und da leisten alle Beteiligten an diesem Abend Unglaubliches. Aber sie werden ja auch nicht an der Deutschen Oper am Rhein engagiert, damit die Stellen besetzt sind.

Alle Stellen sind an diesem Abend im Chor besetzt, und Gerhard Michalski hat seine Mannen gut vorbereitet. Die Duisburger Philharmoniker hingegen leisten sich durchaus einige Patzer, die der Premiere geschuldet sein mögen. Axel Kober leitet mit großer Geste und kümmert sich intensiv um die Sänger. Zusätzliche Erschwernis ergibt sich aus den eingesprengten „Filmmusiken“ – aus den Fantasien in c-moll und d-moll von Mozart – die Laura Poe sehr authentisch am Hammerklavier zum Besten gibt.

Das Publikum ist begeistert vom „Stummfilm mit lebenden Darstellern“. Freundlichen Applaus gibt es für Darsteller, Chor und Orchester, Bravo-Rufe für das Leitungsteam. Das gibt es auch nicht alle Tage. Sicher kann man diese Aufführung mehr als einmal ansehen. Wer seine „Vorweihnachtszauberflöte“ sehen möchte, kann ja mal woanders schauen.

Michael S. Zerban

Fotos: Hans Jörg Michel