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Fakten zur Aufführung 

PHAEDRA
(Hans Werner Henze)
29. Oktober 2010 (Premiere)

Deutsche Oper am Rhein Duisburg


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Der Liebe keine Chance

Die heimliche Hauptperson ist Hippolyt: er wird von seiner Stiefmutter Phaedra geliebt. Aber nicht nur von ihr, sondern auch von der Liebesgöttin Aphrodite. Hippolyt ist entsetzt von Phaedras Zuneigung und weist sie schroff ab. Ihre Liebe schlägt um in Hass, Phaedra bezichtigt Hippolyt der Vergewaltigung und macht diesen Vorwurf bei Theseus, Hippolyts Vater, geltend. Dieser entschließt sich, seinen Sohn zu töten. So geschieht es – so weit die der griechischen Mythologie entnommenen Geschichte.
In Hans Werner Henzes „Konzertoper“ Phaedra geht sie aber noch weiter: die Jagdgöttin Artemis erweckt den toten Hippolyt zu neuem Leben, wovon auch Phaedra (zu einem Wesen aus der Unterwelt geworden) und Aphrodite Wind bekommen. Sie beanspruchen ihn für sich und die Unterwelt. Doch Artemis kann den Jüngling zurückbehalten. Dieser weiß nicht recht, wer er eigentlich ist, widmet der Artemis einen Wald, wird von Stund’ an als Waldgott verehrt. Der wiedergeborene Minotaurus erscheint – und das gesamte Personal stimmt ein in die Erkenntnis: „Wir sind nackt geboren. Wir dringen zur Sterblichkeit vor und tanzen.“
Im September 2007 in Berlin uraufgeführt, wurde Henzes Phaedra bereits mehrfach nachgespielt (Opernnetz-Besprechungen aus Brüssel 2007, Heidelberg 2008 und Köln 2009)– nun ist im Rahmen des Henze-Projektes der Kulturhauptstadt 2010 die Neuinszenierung von Sabine Hartmannshenn zu erleben, insgesamt eine großartige Inszenierung, die auch von Dieter Richters Bühne, Susana Mendozas Kostümen und der subtilen Lichtregie von Volker Weinhart profitiert.
Allerdings braucht es einen ganzen ersten Akt, bis es spannend und „opernhaft“ wird. Denn erst einmal wird „nur“ die Mythologie nacherzählt. Librettist Christian Lehnert tut dies mittels einer Sprache, die den Hörer seltsam distanziert lässt, die äußerst gekünstelt und wenig operntauglich wirkt: schwere Kost.
Die Bühne ist ein kühler Saal, in den hinein die Protagonisten quasi aus dem Keller hinauffahren. Die Bewegungen sind reduziert, das dramatische Geschehen wird unspektakulär transportiert. Große Emotionen, Hoffnung auf Liebe, enttäuschte Gefühle – all dies kocht schon im Libretto auf Sparflamme.
Der zweite Teil der Duisburger Inszenierung ist ganz klar der interessantere, der spannendere. Wie Artemis mit amputierten Extremitäten um sich wirft, um Passendes für Hippolyt zu finden; wie Phaedra und Aphrodite hinabschweben in diese Sphäre, die den morbiden Charme einer verlassenen Industriebrache verströmt; wie der goldglänzende Minotaurus tänzelnd aus dem Nichts erscheint – das berührt, das ist packend. Auch hinsichtlich der Musik, in die Henze diese Handlung taucht. 23 Musiker sitzen im Orchestergraben und entfalten eine schillernde Farbigkeit, lassen immer wieder Henzes Anleihen bei Bach, Strawinsky, Strauss und anderen aufscheinen. Dirigent Wen-Pin Chien spürt dem großen sinnlichen Potenzial dieser Klänge nach.

Ganz ausgezeichnet sind die Sängerdarsteller: Ursula Hesse von den Steinen als Phaedra mit großem, fülligem Mezzo; Anke Krabbe als quirlige Aphrodite mit ausgesprochen beweglichem Sopran, der mühelos bis hinein in höchste Höhen leuchtet; Jussi Myllys gibt den burschenhaften Hippolyt mit ebenmäßig fließendem, völlig unangestrengtem Tenor; herausragend der 24-jährige Moskauer Vasily Khoroshev, der in der Rolle der Artemis hin- und herspringt zwischen Countertenor und Bariton, durchweg mit präziser Intonation. Richard Šveda gibt sängerisch den Minotaurus, der von Jhane Hill getanzt wird; Harald Beutelstahl ist der geschäftige (stumme) Gehilfe der Artemis.

Fazit: Phaedra ist keine neue Henze-Offenbarung, zeigt aber einmal mehr die Virtuosität des Meisters im Umgang mit den kompositorischen Mitteln.
Das Publikum zeigte sich höchst begeistert, schon zur Pause gab es lang anhaltenden Beifall, der sich gegen Ende noch deutlich steigerte. Einmütiges Lob erntete vor allem auch das Regieteam – es wurde stürmisch gefeiert.

Christoph Schulte im Walde