Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

PHAEDRA
(Hans Werner Henze)
1. November 2008 (Premiere)

Theater Heidelberg


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Verbotene Liebe

Phaedra, die Titelfigur, kämpft. Gewaltig. Mit ihren Lustempfindungen, die sie unreflektiert und ungeniert einem Manne schenken will. Eigentlich ganz normal. Nur ist er der falsche, denn ihren Stiefsohn Hippolyt darf sie nicht gewinnen, wegen des Tabus; und sie kann ihn nicht erringen, denn den lässt die schöne kretische Königin kalt. O je, da ist schon was los auf der kleinen Bühne des Heidelberger Stadttheaters, wo Hans Werner Henzes bislang letzte Oper, im Jahr zuvor in Berlin uraufgeführt, jetzt ihre Zweitinszenierung durch Daniel Cremer erlebte, der bislang allenfalls durch Schauspiel-Assistenzen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Macht nichts, denn der junge Mann ist begabt und hat die Chance nicht nur verdient, sondern auch gleich recht plakativ genutzt.

Denn das Fieber weiblicher Emotionen wird thematisiert durch schelmische Ironisierung und diesseitigen Spott. Phaedra, von der Altistin Carolyn Frank darstellerisch und stimmlich ausgezeichnet auf die Bühne gebracht, bettelt im Unterkleid das Objekt ihrer Begierde an; weil sie erfolglos bleibt, wird sie ihn übel verleumden und der schrecklichen Rache des Gatten Theseus ausliefern. Dann wird die Szene auch noch von der eifersüchtigen Aphrodite belebt, die in Maraile Lichdi eine dinglich-freche Interpretin findet, wenn die am Baguette knabbert und den Ariadne-Faden per Strickliesel-Häkelei verlängert; später wird Phaedra nochmals einen Faden aus ihrer Strickweste spinnen. Da findet die Regie Gefallen am guten Gag. Henze hat hierfür auch noch die Parodie klassischer Arien-Koloraturen im kompositorischen Arsenal, das bei diesem Könner ohnedies reich bestückt ist: Sein Kammerorchester aus Instrumentalisten lässt er in raffinierten Zuordnungen und artifiziellen Farben aufspielen; das Heidelberger Orchester unter Dietger Holm macht das konzentriert, plastisch und in schillernder Beweglichkeit, wobei nicht zu überhören ist, dass Henze in narzisstischer Lust am Klangraffinement sich in gelegentlichen Belanglosigkeiten verliert.

Das scheint sich ein bisschen auch in der Inszenierung fortzusetzen, die zwar heiter-muntere Funken aus der Vorlage schlägt, letztlich aber der Mühe tieferer Mythen-Deutung aus dem Wege geht. Die Textur verliert sich im netten Parlando-Stil, doch in gefälligem Gewand. Zur Mitte verschwindet das Orchester per durchinszenierter Pause von der Bühne in der Unterwelt, sprich Graben. Jetzt käme die Nagelprobe, um szenisch die Gefühlswelt der Protagonisten dieser konzertanten Oper auszuleuchten, aber das Heute erschöpft sich im Kostüm; auch Gruselfiguren, die vorüberziehen, wirken eher aus dem Köcher der Versatzstücke hervorgezaubert, als dass sie schockierten. Maskiert sich die Tragik über die Komödie? Doch die alten Mythen im modernen Gewand zu erleben (Kostüme: Amélie Sator; Bühne: Ben Baur), das hat schon was. Die Figuren spielen Theater im Theater, sind mit Handy, Strickzeug, Plastik-Trinkflaschen ausstaffiert, blättern in den Noten, als ob gerade geprobt würde.

Das ist entspannend anzuschauen, zumal die Musik in überlegen auskomponierter Instrumentierungskunst die Ohren ständig unter Spannung hält. Mehr allerdings auch nicht, denn 24 Stunden später wird sich mancher Hörer verzweifelt überlegen, was denn nun eigentlich war. Zum Beispiel der Tenor Emilio Pons in der Partie des Hippolyt, ein glänzend veranlagter junger Sänger mit einer sehr gut geführten Stimme, die Klarheit und individuelles Timbre vereint. Eine überzeugende Entdeckung auch der Counter Yosemeh Adjei (Artemis); perfekt – nicht nur im Max-Raabe-Styling ‑ der Bariton Alejandro Armenta in der kleineren Partie des Minotaurus.

Das Heidelberger Spielzeitmotto „Kampf um Frieden“ wird in Henzes 14. Oper Phaedra zur Suche nach dem inneren Frieden, den keiner finden kann. Da bleibt nur der heitere Umgang mit dem Scheitern. Heftigen Beifall vom bemerkenswert aufgeschlossenen Publikum gab es am Ende vor allem für die großartigen Sänger-Darsteller.

Eckhard Britsch
 
Foto: Theater Heidelberg