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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
27. Mai 2012
(Premiere am 24. Oktober 2003)

Theater Lübeck

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Gefühlsspiele zwischen Liebe und Bigotterie

Mit dem Melodramma Tosca wird der dreiteilige Puccini-Zyklus am Theater Lübeck abgeschlossen. Nach den zwei vorangegangenen Abenden mit den herausragenden Aufführungen von Madama Butterfly und Turandot gelingt die Aufführung der Tosca zu einem Abend der großen Kunst. Die Dreiecksbeziehung zwischen der Sängerin und Diva Floria Tosca, dem freiheitlich denkenden Maler Mario Cavaradossi und dem römischen Polizeichef und Despoten Scarpia entwickelt sich zu einem spannungsgeladenen und hoch emotionalen Thriller auf der Bühne mit großartigen Sängerdarstellern.

Regisseur Jakob Peters-Messer bezieht seine psychologisch dramatische Personenregie aus den Dialogen. Toscas flammende Leidenschaft und Eifersucht, Cavaradossis naives Freiheitsdenken und Scarpias von Wahn erzeugte Brutalität entladen sich hemmungslos und voller Wucht. Großartig Scarpias Monolog im zweiten Akt, als er auf einem großen Stadtplan Roms stehend im Halbdunkel seinen Machtphantasien freien Lauf lässt.  Klassisch dagegen das Finale des zweiten Aktes, als Tosca zwei Kerzenleuchter neben dem Leichnam Scarpias aufstellt und ein Kreuz auf seine Brust legt. Scarpias Bigotterie ist auch im Tode sichtbar. Die johlende Menge, die der Hinrichtung Cavaradossis am Schluss beiwohnt, verstört und passt doch so gut in das Bild tödlicher Machtpolitik, in der Gefühle, die Kunst und die Freiheit keine Chance mehr haben.

Das Bühnenbild von Marcus Meyer unterstützt diesen Gedankengang. Die einengende kleine Kapelle der Attavanti, ganz mit ihrem Gesicht ausgekleidet, engt Cavaradossi ein, verstärkt Toscas Eifersucht, spornt Scarpia noch zu mehr Gewalt an. Der Palazzo Farnese ist ein kalter, dunkler Raum mit zahlreichen Stühlen. Hier wird Gericht gehalten, hier werden Urteile gefällt, hier ist kein Platz für Freiheit und Gerechtigkeit. Der Boden als Stadtplan Roms, auf dem Scarpia sich in seiner Macht sonnt, unterstreicht diese Atmosphäre. Die Kostüme von Sven Bindseil sind modern, aber in dieser Inszenierung genau richtig. Optischer Glanzpunkt ist das Abendkleid Toscas im zweiten Akt.

Sängerisch setzt dieser Schlussabend des Puccini-Zyklus einen erneuten Glanzpunkt. Herausragender Star des Abends ist wie schon in der Madama Butterfly Ausrine Stundyte als Floria Tosca. Ihre sängerische und darstellerische Interpretation setzt Maßstäbe und braucht keine Vergleiche zu großen Vorbildern zu scheuen. Hoch dramatisch legt sie die Partie an, mit leuchtenden Höhen und einem breiten, warmen Timbre. In den Phrasierungen zwischen den dramatischen Ausbrüchen und den zarten Piano-Tönen sind keine Brüche hörbar, alle Töne fließen ohne Mühe. Ihre Arie Vissi d’arte ist beseelt von tiefstem Pathos und Innigkeit und von einer zu Tränen rührenden Schönheit gesungen. Alle Emotionen, die in dieser Arie auf das Publikum übertragen werden, entladen sich danach in einem gewaltigen Jubelorkan.

Gerard Quinn spielt den Scarpia mit dämonischer Ausstrahlung. Sein Monolog im zweiten Akt ist ein Glanzpunkt des Abends, sein markanter Bariton füllt den Raum mit großer Intensität und lässt die Szenen mit Tosca zu einem körperlich spürbaren Drama werden.

Mario Diaz als Cavaradossi hat sich im Vergleich zu seiner Leistung als Pinkerton zwei Abende zuvor in der Madama Butterfly ordentlich gesteigert. Diese Partie liegt ihm deutlich besser, auch wenn er zu Beginn wieder Probleme mit den Höhen hat, insbesondere in seiner ersten Arie. Doch Diaz fängt sich, steigert sich, und in der großen Arie im dritten Akt E lucevan le stelle versöhnt er das Publikum.

Johann Hyunbong Choi gibt den Angelotti mit markantem Bariton, Yong-Ho Choi spielt den Mesner mit komödiantischem Witz, und Theres Fauser singt das Hirtensolo im dritten Akt mit leichtem Sopran.

Überragend auch am dritten Puccini-Abend das Orchester des Theater Lübeck unter der musikalischen Leitung seines GMD Roman Brogli-Sacher. Es wird mit größter Leidenschaft musiziert, Brogli-Sacher trägt die Sänger mit unprätentiösem Dirigat und lässt so den Klangkörper aus Orchester, Chor und Sängerensemble zu einer musikalischen Einheit werden. Die Bläser intonieren sauber und präzise, und es entfaltet sich so der typische melodische Puccini-Klang, wie man ihn selten noch zu hören bekommt.

Der von Joseph Veigl und Gudrun Schröder erneut perfekt einstudierte Chor und Kinderchor harmonieren bestens, das Te Deum am Schluss des ersten Akts ist dabei musikalischer Höhepunkt.

Ist der Funke am Vorabend in der Turandot nicht ganz auf das Publikum übergesprungen, so entladen sich alle Emotionen beim Schlussapplaus. Standing ovations für das gesamte Ensemble, in dem besonders Ausrine Stundyte umjubelt wird.

Was bleibt als Fazit nach drei Abenden Puccini hintereinander? Diesem Zyklus dürfte man aufgrund der herausragenden Qualität sicher das Etikett eines Puccini-Festivals verleihen. Drei Abende mit unterschiedlichen Regisseuren, Dirigenten und einem fantastischen Sängerensemble, aus dem Ausrine Stundyte herausragt. Lübeck darf sich glücklich schätzen, über ein derartiges Ensemble und Klangkörper zu verfügen. Diese Leistungen an allen Abenden sind eine Werbung für die Kunstgattung Oper, die in Lübeck lebendig und modern präsentiert wird.

Andreas H. Hölscher

Erster Teil des Zyklus: Madama Butterfly
Zweiter Teil des Zyklus: Turandot

 





Fotos: Lutz Roeßler