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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
25. Mai 2012
(Premiere am 18. April 2008)

Theater Lübeck

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Japanische Tragödie mit großen Emotionen

Es ist nicht alltäglich, dass Opernhäuser außerhalb von Italien dem Komponisten Giacomo Puccini einen eigenen Zyklus widmen. In Lübeck gelingt das mit großem Erfolg, da die konzentrierte Fokussierung auf drei unverwechselbare Frauencharaktere – Madama Butterfly, Turandot und Tosca – an drei Abenden hintereinander eine hochemotionale Auseinandersetzung mit diesen Werken fordert, die sich auch ganz auf das Publikum überträgt.

Puccinis japanische Tragödie Madama Butterfly ist in der Lübecker Inszenierung von Jürgen Pöckel die Charakterstudie einer jungen Frau, dich sich um der Liebe willen von alten Traditionen und Werten trennt, um am Ende doch bitter erkennen zu müssen, dass alles Warten auf den Geliebten vergebens war und sie willfähriges Opfer einer fremden Kultur geworden ist. Pöckel vermeidet anrührigen Kitsch, aber er fordert Emotion und Leidenschaft. Seine Personenregie zeigt eine junge, durchaus emanzipierte Frau, die ihre Gefühle auslebt. Grandios gestaltet das Intermezzo, das Cio-Cio-San als schicksalhafte Vorahnung erlebt, mit der Gewissheit, dass ihr alles genommen wird. Obwohl die Inszenierung konventionell angelegt ist, driftet sie nicht ins Banale ab, sondern zeigt subtil den Spannungskonflikt unterschiedlicher Kulturen und Wertvorstellungen auf.

Die farbenfrohe Ausstattung von Ulrike Radichevich unterstreicht diesen Ansatz. Das Bühnenbild zeigt ein einfaches japanisches Haus, und die Kostüme entsprechen unserem Vorstellungsbild altjapanischer Tradition. Es wird mit Licht und Farbe gearbeitet. Mond und Regen als überdimensionierte Projektionen verstärken die emotionalen Stränge, ohne kitschig zu wirken. Und so gelingt diese Inszenierung zu einem Abend der großen Gefühle.

Doch diese Gefühle können nur durch die Musik und den Gesang übertragen werden. Und das gelingt an diesem Abend nahezu perfekt. Allen voran Ausrine Stundyte als Cio-Cio-San. Sie verkörpert die Rolle der Madama Butterfly voller Leidenschaft und Emotionen. Die lyrischen Momente singt sie innig und zart, die dramatischen Ausbrüche meistert sie mit Bravour. Ihr geschmeidiger Sopran ist ideal für Puccinis Klangbild, da gibt es keine Brüche im Wechsel von Höhen und Tiefen. Zu Recht erhält sie langanhaltenden Szenenapplaus nach ihrer großen Arie Un bel di vedremo, und bei ihrem Solovorhang reißt es das Publikum förmlich von den Sitzen.

Veronika Waldner als Suzuki beeindruckt mit einem warmen, tiefen Mezzosopran, der sich im Duett mit Ausrine Stundytes Sopran wunderbar mischt. Antonio Yang gibt den Konsul Sharpless mit einem  ausdrucksstarken, warmen und wohlklingenden Bariton, der für die verratene Cio-Cio-San fast väterliches Mitgefühl entwickelt. Patrick Busert verkörpert die undankbare Rolle des schmierigen Goro mit starkem Charaktertenor und intrigantem Spiel. Die anderen Solisten des Abends fügen sich nahtlos in ein homogenes Klangbild ein.

Die große Enttäuschung des Abends aber ist Mario Diaz in der Rolle des Pinkerton. Seine Stimme kommt gegen das Orchester überhaupt nicht an, die Höhen werden gestemmt und erzeugen somit keine wohlklingenden Phrasen. Sowohl das Liebesduett im ersten Akt als auch das Abschiedslied im dritten Akt trüben das musikalische Gesangsbild. Diaz quält sich durch die Partie, und die ansonsten herzzerreißenden Schlussrufe Pinkertons sind fast nicht mehr wahrnehmbar, was dem ansonsten grandiosen Finale leider die Perfektion nimmt. Dennoch ist ihm das Publikum am Schluss noch wohlgesonnen.

Luciano di Martino lässt Puccini so spielen, wie man ihn sich wünscht. Sanft verhaltene Klänge bis hin zu hochdramatischen Rubati-Bögen erklingen aus dem Orchestergraben, die Streicher spielen melodisch zart, und di Martino führt das Orchester schwungvoll und leidenschaftlich. An diesem Abend wird die Musik Puccinis fühlbar, und somit übertragen sich die Emotionen aus dem Orchestergraben auf das Ensemble und das Publikum. Der Chor, einstudiert von Joseph Veigl, fügt sich harmonisch in den musikalischen Klangkörper ein, eindrucksvoll der Summchor im nächtlichen Zwischenspiel.

Am Schluss wird diese Aufführung zu Recht umjubelt. Standing ovations für Ausrine Stundyte, großer Jubel für Veronika Waldner und Antonio Yang und natürlich für das Orchester und seinen Dirigenten. Der Auftakt des Puccini-Zyklus ist fast perfekt, die Messlatte für die weiteren Aufführungen hoch gelegt.

Andreas H. Hölscher

Zweiter Teil des Zyklus: Turandot
Dritter Teil des Zyklus: Tosca

 





Fotos: Thomas M. Jauk