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Fakten zur Aufführung 

DIE RÄUBER
(nach Friedrich Schiller)
9. Mai 2014
(Premiere)

Theater Oberhausen


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Was von Sturm und Drang geblieben ist

22 Monate auf den Tag ist es her, dass Karsten Dahlem mit seiner Bearbeitung von Frühlings Erwachen im damals noch existierenden Haus der Jugend eine überwältigende Inszenierung hinlegte. Auch mit Tschick, das Mitte vergangenen Jahres folgte, konnte der Regisseur sein Publikum begeistern. Jetzt also sein Debüt auf der großen Bühne des Theaters Oberhausen mit einer eigenen Bearbeitung von Friedrich Schillers Die Räuber. Das Werk, mit dem Schiller in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 1782 berühmt wurde und das als Vorzeigestück des „Sturm und Drang“ gilt. Bei Schiller ging es um den Konflikt zwischen Verstand und Gefühl. Festgemacht am Verhältnis von Gesetz und Freiheit. Damit ist das Stück vielleicht aktueller denn je, wirft es doch die drängenden Fragen unserer Zeit auf, die so eisern umgangen werden. Was macht Dahlem? Er „setzt die familiäre Auseinandersetzung ins Zentrum des Geschehens“. Das ist Weichspültheater an der gesellschaftlichen Verantwortung vorbei. Es ist legitim, ein Werk „gegen den Strich“ zu bürsten, um neue Aspekte zu finden und zu entwickeln, mehr aus dem Stück „herauszukitzeln“. Wenn aber diese Aspekte hinter dem Anspruch des Originalstücks zurückbleiben, wird es schwierig. Aus den Wahlverwandtschaften wird – hoffentlich – auch niemand ein Stück über Kirchenmalerei machen wollen. Dahlem versucht etwas in der Art, und um zu übertünchen, dass es nicht funktioniert, greift er zu einem altbewährten Mittel. Er versucht sich an Komik, was statt Comedy zu persönlichen Angriffen gegen Peter Maffay führt. Absolut überflüssig.

„Amalia, lass das, die Leute wollen kein Mitmachtheater“ ist vielleicht der schönste Satz des Abends. Und er beendet die ständige Ansprache der ersten Reihe, die sich bei künftigen Aufführungen überlegen wird, ob es nicht weiter hinten auch noch schöne Plätze gibt. Willig zeigt der Besucher sich noch, als Amalia ihm ein Seilende mit der Bitte hinhält, es nur ordentlich festzuhalten. Weil aber ihr „Suizidversuch“ scheitert, fragt sie den schockierten Zuschauer ein zweites Mal, was der dann aber entsetzt ablehnt. Künstlerische Freiheit ist das eine, guter Geschmack das andere. Wenig guten Geschmack beweist auch Justyna Jaszczuk mit der Wahl der Kostüme. Der alte Graf Maximilian läuft grenzdebil in T-Shirt, einer Turnjacke mit drei Streifen und Jogginghose herum, die Fellmütze mag ja noch als Kronenersatz herhalten. Auch die Auswahl der anderen Kostüme erinnert eher an den Besuch bei einem Textil-Discounter. So muss Musiker und Komponist Gregor Praml den Abend im Unterhemd auf der Bühne verbringen. Wenn es in Dahlems Absicht liegt, auf diese Weise von der gesellschaftlichen Stellung derer von Moor eher auf den familiären Konflikt zu fokussieren, gelingt das allenfalls begrenzt. Origineller ist da schon, was Claudia Kalinski auf der Bühne kreiert. Rechts ist der Musiker mit seinen Instrumenten untergebracht, in der Mitte kreist auf einer Drehbühne eine Art Kombi-Kiste, Symbol für das Schloss, das später in seine Bestandteile zerlegt wird. Dass dabei auch das Inventar in Form von Kinderspielzeug auf der Bühne verstreut wird, hindert eher die Schauspieler, als es dem Verständnis dient. Aber es füllt den Bühnenraum.

Soweit da noch Platz ist. Denn der wird von überzeugenden Schauspielern beansprucht, die man schon aus den früheren Inszenierungen Dahlems kennt, und auf die er glücklicherweise nicht verzichtet hat. Die einzige weibliche Rolle des Abends bestreitet Elisabeth, aus der inzwischen Lise Wolle geworden ist, als Amalia. Sie beweist ihr Können vor allem in der Einsatzfreude, einem tadellosen Gesang und den dramatischen Momenten. Eike Weinreich präsentiert einen glaubwürdigen Franz von Moor. Wieder einmal für Größeres empfiehlt sich Sergej Lubic als Bruder Karl mit all den auferlegten Facetten. Die Rolle des Vaters ist diskussionswürdig, Michael Witte zeigt aber in jedem Moment, welche Schauspielgröße da auf der Bühne agiert.

Karsten Dahlem hat neben einem starken Team vor allem zwei Pfründe, mit denen er wuchern kann: Den Medieneinsatz, den er unglaublich gut beherrscht – und Gregor Praml. Der Komponist, Gitarrist und Kontrabassist unterlegt auch diese Inszenierung mit einer Musik, wie sie passender nicht sein könnte. Praml treibt das Stück nach vorn, unterstützt die Emotionalität und scheut auch vor deutlichen Bezügen nicht zurück. So gewinnt das Stück das Drängende, das der Regisseur ihm verweigert hat.

Insgesamt werden hier die Räuber in einer flotten, eingängigen Inszenierung mit ein paar schönen Regie-Einfällen präsentiert, solange man nicht weiter nach den Inhalten fragt – aber wer macht das heute schon noch? Das Publikum klatscht höflich in gleichbleibender Lautstärke und so lange es der Anstand gebietet. Das passt.

Michael S. Zerban







Fotos: Axel J. Scherer