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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
20. Juli 2015
(Premiere)

Sommer Oper Bamberg


Points of Honor                      

Musik

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Nach der Premiere


Während die anderen schon feiern, reflektieren Doris Sophia Heinrichsen, Till Fabian Weser, Alexandra Steiner und Ludwig Obst die letzten fünf Wochen, als deren Ergebnis jetzt die Premiere der Sommer Oper Bamberg steht (7'25).


 

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Sie geben ihr Bestes

Es ist zu Ende. Nach 26 Jahren hat Rainer Lewandowski die Intendanz des E.T.A.-Hoffmann-Theaters abgegeben. Für die Sommer Oper Bamberg bedeutet das, dass sie im zehnten Jahr ihres Bestehens nicht mehr auf den Regisseur Lewandowski bauen kann. Aber wenn die Alten gehen, entsteht neben Wehmut im günstigsten Fall auch Raum für neue Impulse. Für die soll Regisseurin Doris Sophia Heinrichsen sorgen. Für die sechste Ausgabe der Sommer Oper hat Till Fabian Weser, Künstlerischer Leiter und Dirigent, die Messlatte sehr hoch gehängt. Auf dem Programm steht in diesem Jahr kein geringeres Werk als die Zauberflöte. 17 internationale, junge Sänger und 35 Musiker von den Musikhochschulen Europas konnten sich in knapp fünf Wochen mit professioneller Hilfe auf das Projekt vorbereiten. Zum ersten Mal in diesem Jahr verpflichtete Weser den Tänzer und Choreografen Peter Leung, der ein zweitägiges darstellerisches Training anbot, das die Nachwuchskünstler begeistert annahmen. Wieder dabei war auch die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, die die Sängerinnen und Sänger in einem Meisterkurs auf ihre Aufgaben vorbereitete, ehe sie sich den eigentlichen Proben zuwandten.

Für Heinrichsen ist dieser Regie-Auftrag ein durchaus ambitioniertes Vorhaben. Gilt es doch, die unterschiedlichsten Voraussetzungen des Nachwuchses in einem inszenatorisch höchst anspruchsvollen Werk unter einen Hut zu bringen. „Unsere Geschichte spielt in einer alten Bibliothek als Symbol allen Forschens, Wissens und Bewahrens alter Werte. Eine in sich abgeschlossene Welt, die vielleicht schon hunderte von Jahren so besteht“, erläutert Heinrichsen den konzeptionellen Rahmen. Ausstattungsleiter Jens Hübner hat diese Idee auf der vergleichsweise kleinen Bühne großartig umgesetzt. Auf seitlich angebrachten Hängern sind mit großer Detailfreude hohe Bücherregale gemalt, im Hintergrund gibt es eine Projektionsfläche, die auch schon mal für Schattenspiele eingesetzt wird. Der Bühnenboden ist mal eben, mal entstehen drei Stufen. So werden die verschiedenen Handlungsorte angedeutet. Volker Nitschke und Matthias Schäflein sorgen für ein sehr harmonisches, stimmungsvolles Licht, wenn man von der Feuerprobe absieht, in der grelle Scheinwerfer gewollt das Publikum blenden. Heinrichsen beschränkt sich in der Handlung nicht auf die Bühne, sondern lässt die Akteure auch aus dem Saal auftreten.

Mehr als einen Monat hat das zusammengewürfelte Ensemble miteinander verbracht. Immer konzentriert auf die eine Aufgabe: Als „Anfänger“ eine Aufführung auf die Bühne zu bringen, die die Welt begeistert. Gastfamilien sorgen dafür, dass die jungen Leute sich um nichts anderes zu kümmern brauchen. Das schafft nicht nur optimale Rahmenbedingungen, die man so sicher nicht so oft als Künstler erleben wird. Sondern es schärft auch den Anspruch, besonders gut sein zu wollen. Trotz tropischer Temperaturen in der Stadt ist das Theater ausverkauft. Wohlwollende Spannung liegt in der Luft.

Der Vorhang öffnet sich für eine Pamina, die im goldfarbenen Alabasterkleid auftritt. Alexandra Steiner ist eine außerordentlich attraktive Person, die auf der Bühne eine schier unglaubliche Präsenz entfaltet und die Spannung über die gesamte Aufführung hält. Ihre Stimme klingt deutlich gereifter, als es ihrem tatsächlichen Alter entspricht. Till Fabian Weser und seine Auswahljury haben da eine ganz besondere Person entdeckt. Ähnlich verhält es sich mit Ludwig Obst, der sich als Papageno ein Cowboy-Kostüm gefallen lassen muss. Obst ficht das nicht an. Sein Gesang ist selbstverständlich, seine schauspielerische Kraft ein wenig überschäumend, dass er sich zum Stern des Abends entwickelt. Er spielt, als ginge es um sein Leben und fast verliert er es dann auch. Seine Papagena entwickelt sich von einer fetten Hure mit Ms-Piggy-Maske zu einer entzückend lebensfrohen heutigen, jungen Frau. Einer der Grenzgänge von Heinrichsen, den Florentine Schumacher mit Bravour und vor allem großer Spielfreude meistert. Als Sarastro tritt Kyodong Kum auf, als Tamino Timo Schabel. Wie aber wird sich eine junge Sängerin als Königin der Nacht schlagen? Danae Kontora hält sich im ersten Aufzug noch arg bedeckt, um im zweiten Aufzug mit einem wunderbar dramatischen Auftritt zu glänzen. Die Stimme noch beherrscht, aber klar wie Silber. Makellos die Technik – die Souveränität wird sich noch einstellen. Darstellerisch verursacht sie schon jetzt Gänsehaut.

Lluis Frigola Rodriguez präsentiert einen sehr eleganten Monostatos. Die drei Damen – Simone Krampe, Isabel Segarra und Ulrike Malotta – gefallen stimmlich ohne Einschränkungen; insbesondere Segarra begeistert mit ihrer Bühnenpräsenz. Johannes Schwendinger und Ferdinand Keller überzeugen ebenfalls als Priester und Geharnischte.

Eine Sonderrolle nimmt in diesem Jahr der Chor ein. Waren es in den vergangenen Jahren die Laienchöre der Region, die diese Aufgabe wahrnahmen, gesellen sich jetzt Studenten hinzu. Frisches Blut schadet nicht, und so hat Lorenzo da Rio einen wirkungsvollen Klangkörper zur Verfügung, den er mit Eifer und Erfolg einstudiert hat. Die drei Knaben werden von den Augsburger Domsingknaben Julian Romanowsky, Benedikt Hillringhaus und Raphael Häußler interpretiert.

Besondere Erwähnung verdient Yuka Beppu, die nicht nur den Flügel mit Ernsthaftigkeit bedient, sondern auch als Tastenglocken-Spielerin eine vergnüglich-verschmitzte, gute Figur abgibt.

Für Till Fabian Weser bedeutet dieser Abend nicht nur den vorläufigen Abschluss eines weiteren, sehr erfolgreichen Projekts, sondern in erster Linie Schwerstarbeit. Wie schon bei Le nozze di figaro und Don Giovanni fällt das ungeheure Engagement auf, mit dem er sich neben dem Orchester um die Sänger kümmert. Mit großen Bögen und Gesten gibt er Hilfen, die man andernorts vergeblich sucht. Dass es bei dem Nachwuchs-Orchester an der einen oder anderen Stelle hapert, ist mit Sicherheit dem Premierenfieber geschuldet.

Das Publikum schließt sich der Meinung von Andreas Starke, Oberbürgermeister der Stadt Bamberg, an, dass es, wenn man nur lange genug sucht, immer was zu meckern gibt, es letztendlich aber auf die Stimmung ankomme. Und das ist allen Beteiligten gelungen: Sie haben das Publikum verzaubert. Was will Oper, was will eine Zauberflöte mehr?

Michael S. Zerban

 

Fotos: Gerhard Schlötzer