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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
4. Oktober 2013
(Premiere)

Sommer Oper Bamberg


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Nach der Premiere


Sie haben allen Grund zur Freude: Valda Wilson, Till Fabian Weber und Birgit Dietz erzählen von ihren persönlichen Eindrücken von der Sommer Oper Bamberg (6'36).


 

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Junges Europa zelebriert Oper

Wenn’s Ew. Exzellenz gefällig ist – wir führen heute den Don Juan von dem berühmten Herrn Mozart aus Wien auf. Mit Gimmicks bei einer Opernaufführung ist das so eine Sache. Entweder geht der Spaß nach hinten los, was nicht selten der Fall ist, im ungünstigsten Fall langweilt sich der Zuschauer, und wenn es denn mal gut geht, ist die erste Frage in der Pause: War das denn nötig? Immerhin ist die Geschichte schlüssig, die sich Rainer Lewandowski, Regisseur und Intendant des E. T. A.-Hoffmann-Theaters in Bamberg, für diese Aufführung hat einfallen lassen.

Anlass der Aufführung: Zum fünften Mal findet in diesem Jahr die Sommer Oper Bamberg statt. Ein Workshop junger Nachwuchstalente aus ganz Europa, die in knapp vier Wochen gemeinsam eine Oper erarbeiten, um sie zum Abschluss mit zwei Ensembles in zwei mal drei Aufführungen öffentlich zu präsentieren. War es vor zwei Jahren Le Nozze di Figaro, wagen sich die jungen Opernsänger und Musiker heuer an Don Giovanni. Ein Werk, das auch so manchen erfahrenen Sängerdarsteller schon an seine Grenzen gebracht hat.

Eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen. So wird es auf den schwarzen Vorhang projiziert. Und dass es sich um die Erzählung Don Juan von E. T. A. Hoffmann handele. Das Erstaunen ist groß und verstärkt sich noch, als sich ein als Hoffmann gekleideter Schauspieler in die ehemalige „Fremdenloge“ setzt, eine Flasche Champagner der besseren Sorte zur Seite, um den Abend mit dem gemeinen Publikum gemeinsam zu genießen und ihn durch weitere Projektionen zu kommentieren. Das Haus war für den mittelmäßigen Ort geräumig, geschmackvoll verziert und glänzend erleuchtet. Logen und Parterre waren gedrängt voll. Wäre es die Bühne doch auch. Regisseur Lewandowski macht es den jungen Akteuren nicht eben leichter, wenn er sie bis zur Ballszene vor schwarzen Vorhängen auf der leeren Bühne spielen und singen lässt. Ausstattungsleiter Jens Hübner hat die Protagonisten zudem in historische Kostüme stecken lassen und mit Rokoko-Perücken versehen, so dass auch die Bewegungsfreude ihre natürlichen Grenzen findet. So fühlt sich das Publikum alsbald an das Ende des 18. Jahrhunderts versetzt, was nicht immer nur Entzücken bereitet. Becher erklingen, in fröhlichem Gewühl wälzen sich die Bauern und allerlei Masken umher, die Don Juan zum Fest gelockt hat. Und auf der Bühne wird es mit Chor und Solisten so eng, dass gerade noch ein Kronleuchter und ein Prospekt mit Fenster im Hintergrund Platz finden. Echtes „Ball-Feeling“ will da nicht aufkommen. Aber es deutet an, dass Lewandowski noch etwas in petto hat. Und dafür bietet sich die Friedhofszene an. Hier darf Hübner wieder die kreative Fantasie zeigen, mit der er vor zwei Jahren schon beim Figaro begeistern konnte. Mit wenigen Mitteln und dem sehr gelungenen Licht von Volker Nitschke und seinem Team gelingt ein wirkungsvoller Schluss. Auch der „Hoffmann-in-der-Fremdenloge“-Einfall funktioniert, nicht zuletzt wegen der von Caroline Wiese recht passgenau gesetzten Übertitel.

Donna Anna sagte, ihr ganzes Leben sei Musik, und oft glaube sie, manches im Innern geheimnisvoll Erschlossene singend zu begreifen. An diesem Abend glaubt man das sofort. Hier zeigen junge Sängerinnen und Sänger aus der ganzen Welt, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen, wohin es mit der Oper geht: Eine rosige Zukunft versprechen die jungen Talente. Wo es dem einen an Sprachkenntnissen fehlt, mangelt es der anderen noch ein wenig an Ausstrahlung. Aber wen interessieren solche Kleinigkeiten, wenn dem Publikum eine Ernsthaftigkeit präsentiert, der eiserne Wille, das Publikum zu verzaubern, greifbar wird. Jirí Rajniš ist nicht nur ein wunderbarer Bariton, sondern auch ausgebildeter Schauspieler. Und das kommt dem Don Giovanni dieses Abends sehr zu Gute. Dieser „bestrafte Wüstling“ ist kein einzelner Held auf der Bühne, sondern Teil eines Teams, und er singt, wie seine Mitstreiter im Wesentlichen auch, so deutlich, dass dem Italienischkundigen die Übertitel überflüssig erscheinen. Eindrucksvoll dazu die Rezitative, die, wie auch bei Leporello, streckenweise klingen, als erlebe man zwei Italiener im Diskurs auf einer italienischen Piazza. Lebensecht und natürlich. Wenn Kwangmin Seo für Leporello einen jugendlich-frischen und doch vollen, runden Bass anbietet und das mit Humor statt Komik würzt, ist das schon ein besonderes Erlebnis. Valda Wilson singt gegen ihre Erkältung an und gibt der Donna Anna ein überzeugendes Profil. Als Donna Elvira darf Oksana Pollani brillieren. Ralitsa Ralinova verspricht als Zerlina schon eine Menge. Don Ottavio wird von Francisco Fernández-Rueda mit schmeichelndem Tenor gesungen. Hongyu Chen verfügt über eine sehr eigene Klangfarbe, die nur wenig an einen Bass erinnert. Das mag ihm dereinst zum Vorteil gereichen. Etwas unglücklich in dieser Aufführung die Rolle des Commendatore, in der Daniel Mauerhofer wenig darbieten kann. Die jungen Leute zeigen, wie modernes Musiktheater mit alten Stücken sein muss: Fein ausgearbeitetes Schauspiel, das sich dem Zuschauer mitteilt, gepaart mit großer Verständlichkeit in hervorragend ausgebildeter Stimme ohne jede Starallüren. So werden sie auch die eigene Generation erreichen – und für die Oper begeistern.

Till Fabian Weser kommt mit kleiner Besetzung im Graben aus. Auch hier keine Starallüren, sondern eine großartige Wahl für ein Theater dieser Größenordnung. Musik und Bühne finden sich in hervorragender Balance, so dass selbst die Einsätze von Clemens Mohr am Hammerklavier ausreichend Gehör finden. Weser findet als Künstlerischer Leiter und Dirigent auch in diesem Jahr wieder in die Rolle, die ihm am Herzen liegt und vielleicht auch das Besondere ausmacht, das die Zuschauer empfinden, wenn sie nach der Oper den Saal verlassen: Er behandelt die jungen Künstlerinnen und Künstler so, wie Väter mit ihren Kindern umgehen sollten. Freundschaftlich-kooperativ, respektvoll, aber auch mit deutlichen Zeichen, wenn es darauf ankommt. Am Pult hat er nicht nur die Nachwuchsmusiker „im Griff“, sondern lässt auch die Sängerinnen und Sänger sinnbildlich nicht von der Hand. Der Chor in der Einstudierung von Christian Jeub bleibt ein wenig hinter den Erwartungen zurück, was in der Gesamtleistung untergeht.

Das Publikum reagiert mit lang anhaltendem Applaus, in den sich vereinzelt Bravo-Rufe mischen, aber auch Ablehnung der Regie deutlich wird. Die Freude darüber, dass wieder einmal ein europäisches Projekt im wahrsten Sinne erfolgreich über die Bühne gegangen ist, überwiegt eindeutig. Und ja, die Geschichte mit E. T. A. Hoffmann ist auch zu einem versöhnlichen Ende gelangt. Der Kellner rief mich zur Tafel. Die heutige Darstellung des Don Juan war Gegenstand des Gesprächs.

Michael S. Zerban

Fotos: Gerhard Schlötzer