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 DVD-Besprechung

Siegfried

7.1.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Hoffen auf das Ende

Nachdem man in der Walküre vergeblich das Tanzensemble erwartet hatte, dachte man, Regisseur Guy Cassiers hätte sie nach dem Vorabend Das Rheingold aus seinem Ring-Konzept gestrichen. Doch im zweiten Akt seiner Siegfried-Inszenierung kehren die Tänzer, die schon im Rheingold einen Großteil einer ungenügenden Personenführung ersetzte, wieder zurück. Wie ein Schutzschild umschwirren sie Siegfried, der soeben den verfluchten Ring an sich genommen hat, und stellen seinen wachsenden Argwohn gegenüber Mime dar. Im dritten Teil von Wagners Tetralogie an der Mailänder Scala, der weiterhin von Arthaus veröffentlicht wird, gibt es kaum etwas Neues zu vermelden: Dieser Ring führt seine Macht weiterhin musikalisch mit sich, und bleibt szenisch eher nur oberflächliches Geschmeide. Das bedeutet freilich nicht, dass man visuell nichts geboten bekommt. Arjen Klerkx und Kurt D’Haeseleer untermauern die Szene mit bildgewaltigen Videos, die sich bestens mit dem Bühnenbild und der Lichtregie von Enrico Bagnoli verstehen. Leider ist das Bühnenbild für sich genommen wenig spektakulär, sieht man mal von fabrikanmutenden Kästen des ersten Aktes ab, die zum Ende hin dreidimensional in die Höhe fahren und so eine weitere Spielebene entstehen lassen. Und das Lichtgewitter, das beim Schmieden Nothungs entfacht wird, ist wenigstens ein ansehnlicher Ersatz für den personellen Stillstand auf der Bühne. Aber in der Verbindung aus visuellen Effekten und der erzählten Geschichte bietet der Siegfried bislang das beste Ergebnis – zumindest in den ersten beiden Akten.

Bis dahin bemüht sich Cassiers sichtbar darum, die Mär von dem furchtlosen Helden zu erzählen, der im Wald und auf dem Brünnhildenfelsen – eine krude Mischung aus Bettlaken, Stein und Absturzgefahr – seine eigene Identität sucht. Dessen jugendlicher Leichtsinn, mit dem er Taten vollbringt, ohne die Folgen absehen zu können, das arbeitet Cassiers recht eindeutig heraus. Siegfried ist auch in seiner schwarzen Lederjacke der einzige, dessen Kostüm auf unsere Gegenwart deutet. Ansonsten entwickelt Tim van Steenbergen seine zeitlosen, abstrakten Kostüme weiter, mit denen er Götter und Zwerge ausstattet. Besonders die Maske hat mit den trockenen, aufgerissenen Gesichtern der Nibelungen ganze Arbeit geleistet. All die vielen kleinen Details sieht man sehr deutlich, weil Aufnahmeleiterin Patricia Carmine den Zuschauern am Bildschirm etwas bieten möchte. Da die Interaktion auf der Bühne nur sehr begrenzt stattfindet, und weil auf Dauer auch die optischen Effekte – wie Wotans Heer der Raben – etwas ermüdend sind, konzentriert sie sich auf Sänger und die kleinen Feinheiten, die sie umgeben. Und wenn alle Stricke reißen, dann muss auch mal Daniel Barenboim am Pult auf den Bildschirm gebracht werden.

Schließlich rettet er diese Aufzeichnung mit seiner Interpretation. Er erweist sich auch im Siegfried als ausgezeichneter Dramatiker, der den Text des Werkes genauso verfolgt wie den gesamten Bogen der Oper. Unter seiner Leitung geht das Orchester der Scala Wagner nicht mit der Brechstange an, sondern immer mit einem wunderschönen lyrischen Einschlag, der es den Sängern ermöglicht, ihre höchst anspruchsvollen Partien schön zu phrasieren. Wenn dann für die Brünnhilde eine Nina Stemme zur Verfügung steht, die so ganz samtweich und doch voller Kraft das Erwachen der Wotanstochter aussingt, dann muss man das als eine ideale Interpretation bezeichnen. Lance Ryan verfügt nicht in diesem Maße über solche Stimmkultur und muss sich sehr oft damit befassen, die Strähnen seiner Langhaarperücke aus dem Gesicht zu ziehen. Doch mit Statur und Kondition gibt er einen beachtlichen, glaubwürdigen Siegfried ab. Mit Peter Bronder steht ihm ein charakterstarker Mime an der Seite, der auch stimmlich mit seinem Ziehsohn mithalten kann. Großartig ist das Aufeinandertreffen der Erzfeinde Wotan und Alberich, weil Terje Stensvold und Johannes Martin Kränzle ihre Rollen sehr genau treffen. Anna Larsson ist eine edle Erda, Alexander Tsymbalyuk ein bassiger Fafner und Rinnat Moriah ein schön zwitschender Waldvogel. Somit schließt der Siegfried an das Niveau der beiden vorherigen Teile musikalisch an, und das wird dementsprechend auch wieder vom Publikum goutiert. Für die Zuschauer zuhause werden auch diesmal keine Zusätze auf der DVD angeboten. Vielleicht bringt die Götterdämmerung da noch eine Wende mit sich. Szenisch kann man kaum noch auf Besserung hoffen, sondern nur noch auf das Ende.

Christoph Broermann

Fotos: Mario Brescia e Rudy Amisano