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Fakten zur Aufführung 

FADINGER ODER DIE REVOLUTION DER HUTMACHER
(Ernst Ludwig Leitner)
8. Februar 2014
(Uraufführung)

Landestheater Linz im Neuen Musiktheater am Volksgarten


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Deftige Ironie und melodiöse Klangwelten

Kurt Schwertsik, Balduin Sulzer und schon mehrmals Philipp Glass. Es ist schon auffällig, mit wie vielen Opern-Uraufführungen das Landestheater Linz in den letzten Jahren glänzen konnte. Die letzte ist gerade mal zehn Monate her: Die Spuren der Verirrten von Philipp Glass nach Texten von Peter Handke. Jetzt hat man wieder zugeschlagen mit einem zutiefst oberösterreichischen Stoff und hat gleich zwei renommierte aus Oberösterreich stammende Künstler dafür zusammengespannt: den bekannten Schriftsteller und Bachmann-Preisträger Franzobel wie auch den renommierten Komponisten Ernst Ludwig Leitner.

„Will frei sei. Drin schreit alles in mir! Nur ein freier Mensch zu sein, ist, was gilt“ – Es sind edle Worte, die Franzobel seinem Helden Stefan Fadinger in den Mund legt. Aber nicht nur in der Hochsprache lässt er seine Protagonisten sprechen. Es sind auch deftige, groteske, ja auch banale Worte, teils in Versform, in einem Dialekt, der um 1625 in Oberösterreich gesprochen worden sein könnte. Denn zu dieser Zeit spielt Fadinger oder Die Revolution der Hutmacher. Die Oper handelt von dunklen, historischen Stunden dieses Bundeslandes, als nämlich nach einer Rebellion gegen die Einsetzung eines katholischen Pfarrers bei Frankenburg am Hausruck den Beteiligten Gnade vorgegaukelt wurde. Aber dann mussten beim sogenannten „Frankenburger Würfelspiel“ die 36 Anführer paarweise um ihr Leben würfeln. Und 16 davon ließ Graf von Herberstorff, der Anführer der bayerischen Besatzungsmacht tatsächlich hängen, teilweise sogar am Kirchturm. Das führte zu einem Bauernaufstand, dem sich auch viele andere Handwerker und Bürger anschlossen und bei dem rasch viele Orte erobert wurden. Schließlich wurde der Titelheld, nach dem zum Andenken in Oberösterreich zahlreiche Straßen, Plätze und Schulen benannt wurden, durch Verrat der eigenen Vertrauten getötet.

Franzobel folgt diesen historischen Begebenheiten in seinem Libretto, beschreibt die sozialen Umstände der damaligen Zeit, zitiert die Bibel, ironisiert heftig, lässt Groteskes zu und vermeidet jeglichen pathetischen Idealismus. Dass die Geschichte letztlich nicht so recht zündet, dürfte in erster Linie an der Inszenierung liegen, denn André Turnheim verlegt die spiegelbildliche Hass-Liebe zwischen dem Grafen als Prototyp eines ausschweifenden Katholizismus und dem Bauernführer als Verkörperung eines freudlosen Protestantismus, um wahrscheinlich die Zeitlosigkeit des Themas zu demonstrieren, in die 60-er und 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts und nimmt ihr so die Nachvollziehbarkeit und die Stimmigkeit. Die Ausstattung verantwortet Florian Parbs. In einem kleinen, armseligen Häuschen und davor wird in einheitlich dunklen Anzügen auch im Chor, der bei vielen Szenen gesanglich glänzt, szenisch eher unentschlossen gefoltert, exekutiert vergewaltigt, gebrandschatzt…

Die Musik des renommierten Komponisten Ernst Ludwig Leitner aus Wels in seiner vierten Oper ist polystilistisch und von reicher klanglicher Ästhetik. Neben historischen Formen wie Kirchen-, Trink-, Schlachtenliedern und Zitaten, etwa aus dem Brahms-Requiem, wirkt sie insgesamt sehr kraftvoll expressiv, verwendet teils serielle Techniken, Cluster, bleibt aber immer überwiegend melodiös, orchestral groß dimensioniert, aber auch kammermusikalisch reduziert, wobei auch ausgefallene Instrumente wie eine Drehleier Verwendung finden. Der schlagtechnisch souveräne Dennis Russell Davies und das Brucknerorchester Linz setzen den komplexen, rhythmisch fein gewebten Klangteppich mit großer Spannung, Akribie und Transparenz um und bewältigen auch den Ausfall einer vorübergehenden Notenpultbeleuchtung professionell.

Die Sängerriege lässt kaum Wünsche offen: Martin Achrainer spielt und singt den Titelhelden sehr dominant mit wohltönendem, voluminösem Bariton. Ebenfalls sehr präsent und mit expressivem Countertenor ist Daniel Lager als extrem dekadent und transsexuell gezeichneter Herberstorff mit Stöckelschuhen und glitzernder Halskette zu erleben. Als Fadingers Mitstreiter singen Iurie Ciobanu als Christoph Zeller und Matthias Helm als Achatz Wiellinger ausdruckstark. Gotho Griesmeier gefällt als Fadingers Frau, obwohl indisponiert angesagt. Etwas blass wirkt Martha Hirschmann als Vergewaltigungsopfer Cilli. Auf den Knien gehend, gibt Franz Binder einen bösartigen Folterknecht Gallus Putschögl. Etwas stimmschwach hört man Hans-Günther Müller als Bänkelsänger, Büttel und Intrigant Melchior. Jacques Le Roux ist als Hofmeister Lochinger luxuriös besetzt. Die vielen kleineren Rollen sind ebenfalls alle gut besetzt.

Freundlicher Applaus und einige wenige Buhs für den Komponisten und den Librettisten.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Christian Brachwitz