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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
18. November 2012
(Premiere)

Oper Köln, Oper am Dom


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Sehnsucht nach Freiheit

Beim Betreten des Zuschauerraums fällt einem als erstes das Bühnenbild links und rechts am Rand der Bühne auf. Ein Bühnenbild für eine konzertante Aufführung? Schnell stellt man ernüchtert fest, dass es die äußeren Abschnitte der My-fair-Lady-Kulisse ist. Die hohen Säulen auf der rechten Seite sehen immerhin stilvoll aus, die schmuddelige Häuserwand auf der linken Seite könnte eventuell noch als Florestans Gefängnis durchgehen, wäre da nicht der Eingang zur King-George-Kneipe. Verständlich, dass diese Rand-Kulissen nicht für drei Fidelio-Aufführungen demontiert werden, zumal My fair Lady ja weiterläuft. Doch selbst wenn man auf eine Verhüllung der Kulissen verzichtet hat, so hätte man Auf- und Abtritte aus der King-George-Kneipe verhindern müssen. Es ist einfach unfreiwillig komisch, wenn Don Pizarro wutentbrannt aus einer Kneipe stürmt. Das mutet beinahe als Idee des modernen Regietheaters an und weckt unfreiwillig Fantasien, wie man die beiden Werke verknüpfen kann: Fidelio bei der Spracherziehung?

Ansonsten ist der konzertante Fidelio ganz klassisch und dazu noch hervorragend musiziert. Sieht man von kleinen Schönheitsfehlern, wie noch nicht ganz ausgereifte Einsätze oder leichten Unsicherheiten in den Hörnern, ab, musiziert das Gürzenich-Orchester auf ganz hohem Niveau. Markus Poschner entlockt ihm mit energiegeladenen, großen Gesten eine Fülle von Emotionen. Auf der einen Seite wecken die Holz- und Blechbläser in sensiblen Passagen die Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit. Auf der anderen Seite hat Poschner das richtige Gespür für dramatische Zuspitzungen, die die Handlung mit der Intensität eines Thrillers vorantreiben. So detailliert und ausgewogen, so dynamisch vielschichtig hat man Beethovens Partitur selten gehört. Das auf der Bühne positionierte Orchester knackt auch die schwierige Akustik des Musical-Domes. So hört man nun viele Feinheiten sowohl in den Instrumenten als auch bei den Sängern deutlich besser.

Auch vokal hat der Abend ein hohes Niveau zu bieten: Erika Sunnegardh ist hörbar zu sehr mit der Bewältigung der mörderischen Partie der Leonore beschäftigt, als dass sie sie schon mit lodernder Leidenschaft singen könnte. Einige Registerbrüche machen sich bemerkbar, dafür kann sie mühelos zwischen leisen Selbstzweifeln und dramatischen Ausbrüchen wechseln. Franco Farina überrascht bei seinem gelungenem Rollendebüt als Florestan mit gefühlvoll lyrischen Phrasen, nur ganz selten gerät sein schöner Tenor im Fieberwahn an die Grenzen des Forcierens. Ein wichtiger Bestandteil des Ensembles ist Jutta Maria Böhnert, die mit wunderschönem Sopran die träumerische Liebe der Marcelline besingt. Neben ihr stehen in der Publikumsgunst die beiden tiefen Männerstimmen ganz oben. Samuel Youn setzt sich mit seinem tragfähigen Bariton über die furios tobenden Streicherkaskaden hinweg, offenbart in den düsteren Rachegedanken des Don Pizarro zugleich dessen Verwundbarkeit. Auch Franz Josef Selig gibt mit dunkel strömendem Bass dem Kerkermeister Rocco großes Profil. Die Rollen des Jaquino und des Ministers Fernando sind mit John Heuzenroeder und Christopher Bolduc sehr gut besetzt. Zwei Mitglieder des Internationalen Opernstudios Köln, Leonard Bernad und Juraj Hollý , machen in kurzen Soli der Gefangenen positiv auf sich aufmerksam. Den Chor hat Andrew Ollivant großartig darauf präpariert, entweder die deutlich deklamierende Untermalung der Solisten oder die musikalische Hauptrolle zu übernehmen. Dem Sopran fehlt dabei leicht der nötige Glanz in der Höhe. Der Solisten und Chor vereinende Jubel auf die Gattenliebe zum Ende ist beeindruckend und bewegend.

Der Applaus dagegen fällt überraschend zurückhaltend aus. Lediglich Samuel Youn, Franz Josef Selig und Jutta Maria Böhnert erhalten ansatzweise wirklich lautstarken Applaus. Das mag an der gemütlichen Sonntagabend-Atmosphäre gelegen haben. Vielleicht ist der Funke aber auch einfach nicht übergesprungen. Intendantin Birgit Meyer betont nach der Vorstellung, dass die drei konzertanten Aufführungen nicht das Ergebnis von Sparmaßen, sondern eben dem mangelndem Platz für zwei Bühnenbilder geschuldet seien.

Christoph Broermann

Fotos: Paul Leclaire