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Fakten zur Aufführung 

MY FAIR LADY
(Frederick Loewe)
27. Oktober 2012
(Premiere)

Oper Köln, Oper am Dom


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Publikum

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Taxi zum Bauerntheater

Ursprünglich war es eine gute Idee. Man nehme einen Kassenschlager, besetze ihn in der Hauptrolle mit dem überaus charismatischen Intendanten und sorge so für einen Mordsspaß. Mit dem Rauswurf von Uwe Laufenberg war aus Sicht der Stadt Köln auch die Idee perdu, ihn in der Rolle des Professor Higgins zu besetzen. Und für Regisseur Dietrich Hilsdorf blieb die Pflichterfüllung, My Fair Lady zu inszenieren. Herausgekommen ist ein Fiasko, das jeden Intendanten mit Verantwortungsgefühl gegenüber dem Publikum veranlasst haben müsste, die Premiere abzusagen. Um die positiven Aspekte vorwegzunehmen: Dieter Richter hat ein schönes Bühnenbild eingerichtet, und Regina Richter hat fast das Zeug zu einer „echten“ Eliza Doolittle, wenn die Technik es zulässt.

Die Bühne ist zunächst eine Wand hinter einem Bordstein. Links schäbig mit Zugang zur Kaschemme King George, wandelt sie sich allmählich zu einem vornehmen Wohnhaus. Rechts eine Statue. Links ein barrierefreier Aufgang, rechts ein Treppenabgang. Wenn sich die Wand öffnet, verbirgt sich dahinter eine Drehbühne mit den Räumlichkeiten des Professor Higgins, der Loge der Ms Higgins in Ascot und so weiter. Das ist intelligent gemacht, erspart es doch viel Umbauzeit. Die Örtlichkeiten sind der Filmvorlage nachempfunden. Und haben damit etwas mit den Kostümen von Renate Schmitzer gemein, die – zumindest bei den Hauptpersonen – bis in farbliche Nuancen den Film kopieren. Das passt gut zu der inszenatorischen Idee, einen „Reißer“ zu produzieren, der schnell viel Geld in die Kassen spült. Da aber die Grundidee nicht mehr stimmt, wirkt es eher wie ein billiger Abklatsch. Dazu passt auch das recht einfallslose Licht eines Andreas Grüter, das seine Aufgaben erfüllt, aber mehr auch nicht. Dass dazu zweieinhalb Stunden lang permanent Bühnennebel in den Raum geblasen wird, ist ebenso unsinnig wie überflüssig.

Überflüssig ist auch das, was sich auf der Bühne abspielt. Es gibt sage und schreibe keine Szene ohne Tonstörungen. Microport gibt es in dieser Musical-Aufführung nur einen, die versteckten Mikrofone sind falsch eingerichtet. Vom Tonflackern über differierende Klangfarben bis zur Unhörbarkeit wird alles geboten. Man muss seinem Publikum gegenüber schon ziemlich arrogant eingestellt sein, um ihm so etwas zuzumuten.

Das Personal passt sich an. Miljenko Turk versucht sich in der Rolle des Freddy Eynsford-Hill als billige Kopie eines Gene Kelly in Singing in the Rain. Zwar ist an der gesanglichen Leistung wenig auszusetzen, schauspielerisch sind das unmotivierte Dauergrinsen ins Publikum und der Gestus eines 25-jährigen Johannes Heesters jedoch schlicht eine Zumutung. Hans-Jochen Röhrig als Oberst Pickering steht stellverstretend für die schauspielerischen Leistungen dieses Abends. Im Tonfall eines Ohnsorg-Theaters werden die Texte deklamiert, Pointen als Klamauk – gleichsam sponsored bei RTL Comedy – präsentiert. Professor Henry Higgins hat seine Feinsinnigkeit verloren, die Häme gegenüber Eliza gerät zu wüsten und unflätigen Beschimpfungen. Alfred P. Doolittle muss bei Hans-Martin Stier seinen verschmitzt-verschlagenen Charakter zugunsten einer ungehobelten Grobschlächtigkeit aufgeben. Allen drei Herren ist gemein, dass sie das Singen nicht beherrschen oder sich allenfalls mühselig über die Runden quälen. Völlig schmerzfrei gibt sich das Publikum, wenn es die Sangesübungen Stiers beklatscht. Da spielt gewiss die karnevalistische Ader der Kölner, die ja in der Tradition eines Millowitsch-Theaters aufgewachsen sind, eine Rolle, wenn sie dafür Beifall finden. Rolf Schorn gibt in bester Standup-Comedy-Qualität einen kölschen Kneipenwirt, der immerhin seinen Dialekt beherrscht. Das geht den anderen nicht so, und das ist fatal, wenn permanent berlinert werden muss. Berlinerisch-kölsch, so dann die ungewollte Überhöhung, ist übrigens eine Mischung, die man nicht einmal mehr einem Schmierenkomödianten nachsehen mag. Ein Lichtblick im Vergleich zur schauspielerischen Leistung von Sigrun Schneggenburger ist die der Andreja Schneider, die als Ms Pearce in diesem Bauerntheater immerhin eine passable Leistung abliefert. Gipfel der Schauspielkunst an diesem Abend ist allerdings der immer wiederkehrende Ruf nach einem Taxi ins Publikum, der erwartungsgemäß ungehört verhallt. Wie schön, wenn dann in tonstörungsfreien Momenten die Sangesstimme von Regina Richter erklingt. Scheinbar mühelos meistert sie die schnellen Wechsel in den Lagen, ist sicher, klar und rein in den Höhen und erhellt so diesen eher vernebelten Abend.

Ob Choreograf Giorgio Madia im Vorfeld keine Gelegenheit zu Proben bekam, ist nicht bekannt. Dass sein Ballettensemble eine weniger als mittelmäßige Leistung vollbringt, ist allerdings klar erkennbar. Da schauen die Tänzerinnen und Tänzer schon mal, was die anderen gerade so machen, um es ihnen dann gleich zu tun. Verpatzte Einsätze bietet auch der Chor in der Einstudierung von Jens Olaf Buhrow.

Das Gürzenich-Orchester ist unter der Leitung von Andreas Schüller nicht wiederzuerkennen. Falsche Tempi und glanzloses, undifferenziertes Spiel erinnern an die Blaskapelle beim Sonntagskonzert im Kurort, aber nicht an die maliziösen Melodien einer My Fair Lady.

Das Publikum, inzwischen vom Fernsehen an platte Scherze und miserable Qualität gewöhnt, beklatscht die Mühen des Personals, zweieinhalb Stunden auf der Bühne ausgehalten zu haben. Vielleicht auch, weil es inzwischen gelernt hat, dass es ziemlich aussichtslos ist, im Theater sein Geld für nicht erhaltene Leistungen zurückzuverlangen.

Michael S. Zerban

Fotos: Paul Leclaire