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Fakten zur Aufführung 

NABUCCO
(Giuseppe Verdi)
21. Juli 2012
(Premiere am 6. Juli 2012)

Neue Eutiner Festspiele

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Ein Gedanke fliegt hin im Windlicht

Es ist vielleicht die heimliche Nationalhymne Italiens: der Gefangenenchor aus Verdis Nabucco. Jeder Opernfreund kennt diese emotionale Melodie, und als Zuschauer einer Aufführung dieses Werkes muss man fast zwei Stunden warten, bis sie endlich erklingt. Bei den Festspielen in Eutin ist das nicht anders, dennoch ist es ein ganz besonderer Moment. Der große Festspielchor steht nicht auf der Bühne, sondern alle 64 Choristen haben sich nebeneinander auf der großen Zuschauertribüne aufgestellt, ein Windlicht in der Hand. Die Zuschauer haben den Chor im Rücken, die Musik erklingt von vorne, und einzige Beleuchtung in diesem Moment sind diese Windlichter. Jedes symbolisiert den Freiheitsgedanken, der, von Sehnsucht getragen, hinfliegt. Zum Schluss des Freiheitschores wird das Licht ausgeblasen. Und es ist dunkel geworden über Eutins Festspielbühne. Dieser ergreifende Augenblick führt zu einem unbeschreiblichen Jubelsturm, der Dirigent und Chor keine andere Wahl lässt, als die Nummer zu wiederholen.

Dominique Caron, Intendantin und Künstlerische Leiterin der Eutiner Festspiele und verantwortlich für die Regie, hat diese Szene ganz bewusst gestaltet. Es ist keine Effekthascherei, sondern die Visionalisierung des Freiheitsgedankens. Und der steht im Zentrum von Carons klassischer und publikumswirksamer Inszenierung. Ohne erhobenen Zeigefinger und ohne aktuelle Anspielungen auf die Konflikte im Nahen Osten erzählt sie sehr lebendig die Geschichte eines unterdrückten Volkes, das an die Freiheit glaubt und am Ende siegt. Unterstützt wird Dominique Caron dabei von Ursula Wandress, die einen düsteren Bühnenaufbau gewählt und im Kontrast dazu die Protagonisten mit farbenprächtigen, prunkvollen und historischen Kostümen ausgestattet hat. Ein wunderbarer optischer Kontrast, den Klaus Emil Zimmermann mit seinem effektvollen Lichtdesign besonders im dritten und vierten Akt noch verstärkt.

Urs-Michael Theus, GMD der Eutiner Festspiele, leitet das international besetzte Festspielorchester mit starker Dynamik und Engagement. Sein Dirigat besticht durch große Phrasierungen und Bögen, die den besonderen Klang Verdis ausmachen. Dabei hat Theus immer den Blick für die Solisten und den Chor. Das Orchester, deren einzelne Gruppen sehr differenziert harmonieren, folgt präzise seinem Schlag. Beim Da capo des Gefangenenchors animiert Theus das Publikum, die Melodie mitzusingen oder zumindest mit zu summen. Gabriele Pott hat diesen großartigen Chor, bei dem auch Laiensänger im Extrachor mitwirken, stimmlich optimal eingestellt.

Auch sängerisch müssen sich die Eutiner Festspiele mit dieser Produktion nicht verstecken. Der italienische Bariton Devid Cecconi gibt die Partie des Nabucco mit fulminantem Bariton und großem Ausdruck. Sein Wandel vom Wahnsinn zur Erlösung und sein inniges Gebet im vierten Akt gestaltet er mit intensivem Spiel. Die bulgarische Sopranistin Romelia Lichtenstein gibt mit der Partie der Abigail ihr Rollendebüt in Eutin. Diese hochdramatische Partie bewältigt sie ohne große Mühen, und der Wechsel zwischen Piano-Stellen und den dramatischen Ausbrüchen gelingt ihr scheinbar mühelos. Ihr ebenbürtig mit einem sehr hohen Mezzosopran ist die Ukrainerin Svitlana Slyvia, die die Rolle der Fenena mit warmem Timbre und großen lyrischen Momenten anlegt. Taras Konoshchenko gibt den Zacharias mit ausdrucksstarkem Bass. Titus Witt ist ein dämonischer Oberpriester des Baal, und Hugo Vera leiht dem Ismael seinen kraftvollen Tenor.

Als die Lichter nach dem finalen Bild erlöschen, kennt der Jubel im ausverkauften Eutiner Festspielrund keine Grenzen. Sänger, Orchester und Dirigent werden lautstark beklatscht, doch den größten Applaus des Abends erhält zu Recht der Chor, der durch eine außergewöhnliche Leistung so etwas wie Arena-di-Verona-Feeling aufkommen lässt. Nur die Temperaturen sind leider nicht italienisch.

Andreas H. Hölscher

Lesen Sie hier auch den Vorbericht zu den Neuen Eutiner Festspielen.

Lesen Sie hier auch die Besprechung zur Festspielaufführung Der Liebestrank.

Fotos: Thomas M. Jauk