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Fakten zur Aufführung 

DIE BLUME VON HAWAII
(Paul Abraham)
2. August 2012
(Premiere)

Eutiner Festspiele


Points of Honor                      

Musik

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Gefühlschaos im Inselparadies

Es ist die dritte Neuinszenierung bei den diesjährigen Eutiner Festspielen und eine Überraschung dazu. Statt einer klassischen Operette, die ein volles Haus garantiert, hat sich die künstlerische Leitung für die fast in Vergessenheit geratene Operette Die Blume von Hawaii des ungarischen Komponisten Pál Ábrahám – Paul Abraham – entschieden. Es ist eine Revueoperette mit Anklängen ans Musical – mit Rhythmen wie Jazz, Foxtrott und Walzer und wird in Eutin erstmalig gespielt. Das am 24. Juli 1931 unter der Leitung des Komponisten im Leipziger Neuen Theater am Augustusplatz uraufgeführte und 1933 verfilmte Stück war der Erfolg seiner Zeit und galt als eine Jazz-Operette, die in das ferne, farbenprächtige und lebensfrohe Honolulu der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts entführt.

Paul Abraham war der Erste, der die selbstbewusste Geste des Hot-Jazz in die Operette einbrachte und mit dessen Durchschlagskraft den Typus der Revueoperette kreierte, der dann besonders als Berliner Operette die legitime Nachfolge der Werke von Johann Strauss, Franz Lehár und Emmerich Kálmán antrat. Vorrangig in der Blume von Hawaii erweist sich Abraham als Meister eines exotischen Lokalkolorits, indem er sowohl in harmonischer wie auch instrumentaler Hinsicht zu Mitteln greift, die weit über die Gepflogenheiten der Unterhaltungsmusik in der Zwischenkriegszeit hinaus gehen. Neben dem klassischen Instrumentarium finden sich im Orchester Originalinstrumente, so die Hawaiigitarre, die Vogelpfeife und die Bongos. Auch das Sousaphon gehört dazu, eine kreisrunde Tuba, die aus der amerikanischen Jazz- und Straßenmusik stammt.

Die Geschichte erzählt von einer hawaiianische Prinzessin, die sich zwischen einem einheimischen Prinzen und einem amerikanischen Marineoffizier entscheiden und zugleich für Frieden zwischen Insulanern und amerikanischer Kolonialmacht sorgen muss. Die Nichte des amerikanischen Gouverneurs soll den hawaiianischen Prinzen Lilo Taro heiraten. Damit soll zugleich die Vormachtstellung Amerikas auf der Insel gefestigt werden. Doch Lilo Taros Herz schlägt für Prinzessin Laya, die Tochter der letzten Königin von Hawaii, die seit Jahren ein mondänes Leben im Pariser Exil führt. Als Königin von Hawaii soll sie dem Inselreich die Unabhängigkeit zurückgeben. Doch Lilo Taro ist nicht der Einzige, der Laya liebt. Auch der Kapitän Harold Stone empfindet leidenschaftliche Gefühle für die Prinzessin. Was sich als ausweglose Situation anbahnt, löst sich am Schluss in ein Happy-End für alle Beteiligten auf.

Das langatmige Libretto von Emmerich Földes, Alfred Grünwald und Fritz Beda-Löhner ist der große Schwachpunkt dieses Werkes. Die Dialoge sind platt, zu lang, gehen gelegentlich unter die Gürtellinie und werden durch Wiederholungen auch nicht besser. Das führt dazu, dass das Werk fast 3 ½ Stunden in Anspruch nimmt, was für eine schmissige Revueoperette definitiv zu lang ist, besonders unter den schwierigen Rahmenbedingungen einer Freiluftaufführung in Eutin. Hier fehlt eine deutliche Straffung des Textes mit mehr aktuellem Bezug – und nicht nur der Hinweis auf den Ehrensold des ehemaligen Bundespräsidenten.

Regisseur und Choreograf Hardy Rudolz hat eine brave und solide Regiearbeit abgeliefert. Hier werden die einzelnen Hits der Operette als Nummern aneinandergereiht, und hier kann Rudolz seine Stärken ausspielen. Die Choreografie ist spritzig, die Tänze sind mitreißend, und so mancher Zuschauer wippt seine Füße dazu im Takt. Doch durch die zu langen Dialoge kann die Spannung zwischen den einzelnen Nummern kaum gehalten werden.

Urs-Michael Theus, GMD der Neuen Eutiner Festspiele, leitet das international besetzte Festspielorchester erneut mit starker Dynamik und Engagement und erzeugt einen satten und sehr differenzierten Klang: hohes Tempo, wo es angebracht ist; jazzig, nervös, ekstatisch; absolut kein Salonorchesterklang. Neben den klassischen Instrumenten werden auch Saxophon, Gitarre, Vibraphon und Xylophon, Schlagzeug, chinesische Trommeln und Glockenspiel eingesetzt.

Die Musiker spielen ambitioniert mit großer Leidenschaft, da ist kein Abbruch im Vergleich zu den schon gespielten Opern Liebestrank und Nabucco zu verzeichnen. Gabriele Pott hat die ausschließlich amerikanischen Choristen in gewohnter Weise gut vorbereitet. Ob im Orchestergraben oder auf der Bühne steuert das Ensemble seinen Anteil zum musikalischen Gesamteindruck in klangvoller Homogenität bei. Ursula Wandaress greift beim Bühnenbild auf den schon aus Liebestrank und Nabucco bekannten Grundaufbau zurück, und garniert ihn mit farbenfrohem Design. Die Illusion von Königspalast und Gouverneurssitz sowie Casino Monte Carlo gelingt beeindruckend. Klaus E. Zimmermann unterstützt sowohl das Bühnenbild als auch insbesondere die Choreografie mit intelligentem Lichtdesign. Martina Feldmann hat farbenprächtige und im Stil der Zwanziger Jahre wirkende Kostüme gewählt; die Kleider der hawaiianischen Insulaner sind nach historischem Vorbild angefertigt.

Auch eine Revueoperette mit schmissigen Schlagern muss erst einmal ordentlich gesungen werden. Das ist dem Sängerensemble bis auf wenige Einschränkungen auch gut gelungen. Die Sopranistin Peggy Steiner als Prinzessin Laya und inkognito als Sängerin Suzanne Provence hat einen schwierigen Spagat in der vermeintlichen Doppelrolle zu leisten. Tänzerisch leicht als Suzanne, doch als Laya wirkt ihr Timbre etwas spröde; es fehlen die Grandezza und die Ausstrahlung, die erklären, warum ihr gleich zwei Männer verfallen sind. Der koreanische Tenor Bernardo Kim als Prinz Lilo Taro setzt die Mittel seines geschmeidigen Tenors mit schönem baritonalem Timbre ökonomisch ein, wobei er auch darstellerisch zu überzeugen weiß; für die Eutiner Festspiele ist er ein Glücksfall. Der ebenfalls aus Korea stammende Yong Ho Choi beeindruckt als Kanako Hilo mit markantem Bariton. Norbert Conrads gibt den Kapitän Harold Stone mit tenoralem Glanz und Offiziersschneid; offenbart am Anfang einige Probleme in der Höhe, die er im Laufe der Vorstellung souverän wieder in den Griff bekommt. Die schwedische Sopranistin Thérèse Wincent verwandelt die liebestolle und leicht dümmliche Gouverneursnichte Bessie Worthington sowohl stimmlich als auch darstellerisch zur dominierenden Person. Wenn Wincent auftritt, beherrscht sie alleine die Szene. Der Tenor Luis Lay als Jazzsänger Jim Boy überzeugt stimmlich und darstellerisch durch seine absolute Bühnenpräsenz. Seine Rolle hätte noch an Schärfe gewinnen können, wenn ihre Tragik zum Ausdruck gekommen wäre. Thomas Burger spielt und singt den John Buffy, der mehr in Bessie verliebt und weniger der Sekretär seines Gouverneurs ist. Er garniert seine Auftritte mit drolligen Eskapaden, die das Publikum immer wieder erheitern. Die amerikanische Sopranistin Lisa Jackson legt die Rolle der jungen Hawaiianerin Raka gekonnt an. Tenor-Buffo und Charakterkomiker Claus J. Frankl stellt den amerikanischen Gouverneur Lloyd Harrison dar: großschnäuzig und überheblich. Diese Figur ist ein Kabinettstück dieser Inszenierung und witzig interpretiert.

Trotz der Länge des Werkes ist diese Premiere ein großer Erfolg beim Publikum, das schon während der Aufführung Szenenapplaus spendet. Großer Jubel für alle Beteiligten. Und der Mut, ein heutzutage fast vergessenes Werk wieder aufleben zu lassen, wird hoffentlich noch belohnt, denn die Besucherränge sind wie schon bei der Premiere vom Liebestrank nur zur Hälfte gefüllt.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Kerstin E. Ahrens