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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
28. Dezember 2013
(Premiere)

Tiroler Festspiele Erl


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Klarer, fesselnder Realismus

Es war bereits im Sommer 2012, da hat der Gründer und künstlerische Leiter der Tiroler Festspiele Gustav Kuhn Giacomo Puccinis Tosca halbszenisch im „alten“ Passionshaus erfolgreich in Szene gesetzt. Nun wird die populäre Oper von Angelica Ladurner als zweite Opernproduktion der diesjährigen winterlichen Festspiele im kleinen malerischen Örtchen Erl in Tirol im neuen Festspielhaus neu und vollwertig inszeniert.

Da Gustav Kuhn, der bei „seinem“ Festival am liebsten selbst Regie führt, noch immer an seiner, von ihm auch oft erklärten Maxime festhält, dass sinngemäß das „Regietheater“ in Erl nichts zu suchen habe, durfte man bei der ersten Operninszenierung der gebürtigen Tirolerin, die im Schauspiel zu Hause ist und als designierte Intendantin der Komödienspiele in Spittal an der Drau in Kärnten/Österreich für 2014 firmiert, keine Regiegroßtat erwarten. Es wurde eine hart am Libretto klebende, recht konventionelle Inszenierung mit einer durchaus geschickten und logischen Personenführung und einer klar erzählten Geschichte. Die zwingendsten Momente gelingen ihr dabei im zweiten Akt: Da wird packender, brutaler Realismus demonstriert. In so manchen anderen Szenen hätte man sich jedoch den einen oder anderen heftigeren Akzent, die eine oder andere neue Sichtweise oder außergewöhnliche Idee gewünscht. Als einzige, recht winzige Konzession an das so genannte Regietheater ist ihre Aufwertung der Rolle des Hirten zu sehen. Denn die mit klarem Sopran singende Maria Ladurner ist ein blond gelockter und himmelblau gewandeter Engel, der in allen Akten das Geschehen öfters stumm beobachtet und zum Finale der die Treppe zum beabsichtigen Sprung empor eilenden Tosca hilfreich die Arme entgegenstreckt.

Das alles spielt sich in modernen, weißen Kulissen ab, wie am Vortag bei Mozarts Don Giovanni, in klaren geometrischen Formen, was ja auch nicht verwunderlich ist, denn diese stammen ebenso wieder von Jan Hax Halama. So wird die Kirche im ersten Akt nur schlicht angedeutet, das Plateau auf der Engelsburg im dritten Akt besteht nur aus riesigen, grauen Mauern und einer endlosen Stiege. Extrem geschmackvoll elegant sind die heutigen Kostüme, die wiederum von Lenka Radecky stammen.

Apropos Stiegen: Diese sind in allen Akten eigentlich omnipräsent. Besonders im zweiten Akt ragen deren einzelne Stufen wie scharfzackige Haifischzähne regelrecht bedrohlich von unten empor und von einem Abbild, einer stiegenförmig ausgeschnittenen Wand, auch von oben herab. Davor treiben Scarpia und seine Schergen ihre bösartigen, perversen Spielchen. Ein faszinierendes, symbolstarkes, beängstigendes Szenenbild.

Ebenso wie im Sommer 2012 sind auch diesmal Rossana Potenza als Tosca und Bruno Ribeiro als ihr geliebter Cavaradossi dabei: Die italienische Titelheldin verfügt über einen enorm kräftigen Sopran, der auch jedes Forte des Orchester übertönt. Jedoch vermisst man bei ihr empfindsame Piani, was sich bei ihrem Gebet besonders bemerkbar macht. Auch wirken ihr Spiel und ihre Gesten recht überzogen und aufgesetzt. Der portugiesische Tenor vermag hingegen als Cavaradossi voll zu punkten: Mit wunderbaren Phrasen, viel weichem Schmelz und mühelosen, strahlenden Spitzentönen. Giulio Boschetti, in bedrohliches Rot gekleidet, ist ein ungemein bösartiger, sehr präsenter, kraftvoller Scarpia, der auch über eine sensible baritonale Eleganz verfügt. Julian Orlishausen singt und spielt den Angelotti etwas zu blass. Makellos hört man auch die vereinten Chöre, den Tölzer Knabenchor, die Chorakademie der Festspiele und die Capella Minsk. Von überwiegend guter Qualität erlebt man die vielen kleineren Rollen.

Gustav Kuhn am Pult „seines“ Orchesters, jenes der Tiroler Festspiele, versteht es, die auffallend vielen jungen Musiker zu enorm hohen Leistungen zu animieren. Wie wohl er auch diesmal die breiteren Tempi liebt, wird mit ausreizender und zugespitzter Dynamik und einem hohen Spannungslevel musiziert, das nur selten zu laut wird. Aber auch die duftigen Lyrismen und transparente Zartheit kommen nicht zu kurz.

Zum Abschlussapplaus gibt es großen Jubel und viele bravi.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: APA Fotoservice