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Fakten zur Aufführung 

Die VERSUNKENE STADT
(Karoline Scholz/Susanne Zeh-Voß)
29. März 2014
(Uraufführung)

Münster-Therme Düsseldorf


Points of Honor                      

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Nach der Premiere



Tauchsängerin Claudia Herr ist mit der ausverkauften Uraufführung mehr als zufrieden und blickt schon mal in die Zukunft (5'10).

 

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Die Geschichte vom Meerjungkönig

Gut zwei Jahre ist es her, dass in der Münster-Therme, Juwel der Bäderlandschaft Düsseldorfs, eine kleine Sensation stattfand. Die Stadt erlebte ihre erste Unterwasseroper. Claudia Herr brachte Aquaria_Palaoa – Das Alter der Welt von Berlin nach Nordrhein-Westfalen. In der Zwischenzeit ist eine Menge geschehen. Vom Team der ersten Stunde ist nicht mehr viel übrig. Auch ist nicht mehr viel die Rede von Walgesängen und Horchstationen. Herr hat ihre Idee weiter entwickelt, die Unterwasseroper neu erfunden. Die große Vision ist dem Pragmatismus gewichen, und das hat dem Projekt nicht geschadet. Nun also, mit einer zeitlichen Verzögerung, der zweite Auftritt der Unterwasseroper.

Zwar hat Herr auch dieses Mal wieder eine eigene Musik für ihre Oper komponieren lassen, was bei diesem Genre durchaus sinnvoll erscheint, aber schon hier ist sie neue Wege gegangen. Sie hat die Musik bei der Komponistenklasse Halle in Auftrag gegeben. Das sind Kinder und Jugendliche, in diesem Fall Ada-Filine, Carl-Frederik und Tell-Ludwig Zeh, Jorma Marggraf und Vincent Brock, die nach dem Ausbildungsmodell des Komponisten Hans Jürgen Wenzel besonders gefördert werden. Ein Modell, das ganz offensichtlich funktioniert. Was die Jugendlichen da unter der Leitung von Karoline Scholz und Susanne Zeh-Voß auf die Beine gestellt haben, ist aller Ehren wert. Entstanden ist nämlich ein grundsolides, originelles und durch und durch stimmiges Werk, das allein schon preisverdächtig ist. Da macht zeitgenössische Musik plötzlich Spaß, weil sie spannungsgeladen bis zum Schluss bleibt. Das Libretto stammt ebenfalls nicht von einem einzelnen Künstler, sondern ist unter der Leitung von Tobias Daniel Reiser in der Gesamtschule Mercator Zehlendorf entstanden. Einer Schule, die offenbar die Verhältnisse – endlich – umdreht und stolz darauf ist, eine Schule mit Migrationshintergrund zu sein. Fenja Leich, Hacer Ceylan, Muhamad Abdallah, Timothy Kampa, Aliya Botros und Asselya Yildirim machen sich einen Spaß daraus, intelligent mit den Sprachen und Kulturen zu spielen. So muss das in einer multikulturellen Gesellschaft sein, die eine Zukunft haben will.

Herausgekommen ist dabei ein Märchen, das solide gestrickt ist. Fiona wird von Leonardo angehimmelt; die beiden begeben sich auf eine Schiffsreise, bei der Fiona anlässlich eines Sturms von Bord geht und den Meerjungkönig Enrico kennenlernt, der sie aus der Gefangenschaft der Seelen befreit. Leonardo tröstet sich mit Amina, Fionas Freundin, Fiona und Enrico finden zusammen und – welche Überraschung – alles wird gut.

Die junge Regisseurin Marlene Blumert inszeniert das in einem überzeugenden Wechsel von stringenter Handlung und Überraschungsmomenten, nicht ohne hier auf Altbekanntes wie Wasserballette à la Esther Williams zurückzugreifen. Die Kostüme von Arianne Vitale Cardoso, die in der ersten Unterwasseroper noch für eine gewisse Erotik sorgte, sind ärgerlich. Der König bekommt eine Krone auf, Fiona ist geradezu abschreckend gekleidet und die Seelen schwimmen in Flatterbändern umher. Das ist ebenso wenig wie die „Bühne“ von André Putzmann. Im letzten Fünftel der Wasserfläche wird ein Netz aufgehängt, in dem Blumen verankert sind. Am Beckenrand ein paar Steine. Putzmann rettet sich mit einem Segel, das als Projektionsfläche dient und die nötigen Emotionen transportiert. Lydia Günther trägt mit ihren Projektionen einen Großteil zur Wirkung des Abends bei.

Mezzosopranistin Claudia Herr trägt das vor, weshalb rund 200 Menschen, mehr sind pro Vorstellung nicht erlaubt, aber die sind da, ihren Kinoabend opfern. Die Unterwasserklänge, in der ersten Inszenierung noch sehr rudimentär, haben entschieden an Qualität gewonnen. Wem das zu wenig ist, der mag sich an der stimmlichen Leistung im ersten Teil über Wasser ergötzen. Auch Anton Derbanosov lässt seinen Bass unter und über Wasser ertönen. Das gelingt ihm über alle Erwartungen hinaus. Karin Lasa überzeugt als Amina, und Nicolás Lartaun-Oyarzun wird der Rolle des Leonardo sowohl in stimmlicher als auch schauspielerischer Hinsicht gerecht.

Der Chor im letzten Viertel der Aufführung sorgt noch einmal für frische Stimmung und zeigt sich gut einstudiert.

Jérôme Queron hat die musikalische Leitung des Abends inne und präsentiert sich in Frack und Boxer-Shorts. Sein markanter Auftritt hält ihn nicht davon ab, Chöre, Solisten und Kammerorchester lebhaft zu dirigieren. Hans-Martin Schlegel mit der Tuba, Jochen Lehmann mit der Posaune, Rita Marcaros Ferrer am Violoncello und Ewa Korolczyk an den Schlagwerken über und unter Wasser sowie an der eigens entwickelten pneumatischen Unterwassertröte interpretieren das Werk ganz wunderbar. Die Zuspielungen, die in der Technik Fabian Kühlein verantwortet, runden das Gesamtwerk ab.

Das Publikum genießt die Vorstellung sichtlich, bedankt sich mit begeistertem Applaus, der aber schnell endet. Es bleibt der Eindruck, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben, ohne genau zu wissen, was.

Michael S. Zerban

 

 





Fotos: Opernnetz