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Fakten zur Aufführung 

LAKMÈ
(Léo Delibes)
29. Januar 2012
(Premiere)

Theater Bonn


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Selten gehört

Aufführungen von Léo Delibes' Oper Lakmé gehören selbst in Frankreich zu den Ausnahmen, und auch auf Tonträgern ist das Werk nicht eben zahlreich dokumentiert. Die Oper Bonn scheint daher geradezu prädestiniert als Aufführungsort, denn unter der Intendanz von Klaus Weise setzt sie in den letzten Jahren regelmäßig Stücke abseits des Mainstream auf den Spielplan, mit großem Erfolg bei Publikum und Kritik.

Jetzt also die Lakmé, uraufgeführt 1883 in Paris, mit einem Libretto von Edmond Godinet und Philippe Gille nach Le Mariage de Loti von Pierre Loti, einem typischen Vertreter der französischen Literatur des Fin de Siècle und wesentlichen Begründer des Exotismus in der Literatur. Im „wirklichen“ Leben ist er unter seinem bürgerlichen Namen Julien Viaud als Marineoffizier weit gereist, später wird er ein Bestsellerautor mit enormem Output. Delibes setzt im Fahrwasser erfolgreicher Stücke wie etwa Bizets Djamileh, Les pêcheurs de perles, Meyerbeers L'Africaine oder Saint-Saëns' Samson et Dalila ganz auf den erfolgreichen Trend des fremdländischen Flairs.

Jede Aufführung der Lakmé steht und fällt mit der Titelrolle und die ist in Bonn exzellent besetzt. Miriam Clark, eben noch in Dortmund als Norma (Besprechung) gefeiert, gelingt hier ein grandioses Rollendebut. Sie bewältigt die monumentale Rolle scheinbar mit Leichtigkeit, das koloraturgesättigte Herzstück der Oper, die legendäre „Glöckchenarie“, gelingt brilliant. Sie nimmt die Rolle nicht überbordend auftrumpfend, sondern bewegt sich im Zwiespalt zwischen Stärke und Schwäche, gestaltet innig und zurückgenommen, mit einem Touch Melancholie ist sie eine sphinxhafte Exotin. Auch schauspielerisch gestaltet sie die Rolle im Rahmen des Möglichen der Inszenierung überzeugend und anrührend. Ebenso stark besetzt ist Lakmés Vater, Renatus Mészár als Brahmane Nilakantha, ein Bass von Autorität mit oft balsamischer, in sich ruhender Stimme. Tenor Alexandru Badea als Gérald ist da gesanglich kein ganz gleichwertiger Partner der Lakmé. Schon die auf Dauer gestellte enervierende aufgesetzte theatrale Geste gibt der Beziehung keine Glaubwürdigkeit. Rundum solide sind die Nebenrollen besetzt mit Anjara I. Bartz als Mistress Bentson, Julia Kamenik als Ellen, Kathrin Leidig als Mallika, Charlotte Quadt als Rose, Giorgos Kanaris als Frédéric und Carles Prat als Hadji. Gesanglich stark und homogen ist der Chor unter der Leitung von Sibylle Wagner, doch hoffnungslos allein gelassen in der schauspielerischen Aktion. Denn ganz irritiert steht man der Inszenierung gegenüber. Die Aufführung erscheint, als würde eine hölzerne Inhaltsangabe des Stücks bebildert. Darüber hinaus fehlt die Substanz, es gibt keine Inszenierungsthese für ein Stück zwischen Orient und Okzident, kein Spiel der Beziehungen im konfliktträchtig verminten Gelände der religiösen und kulturellen Heteronomien, die auch die Liebe nicht wirklich überbrücken kann. Dazu kommen viele Auftritte an der Rampe, verbunden mit den Operngesten von vorgestern. Das ist schade, aber noch zu korrigieren. Regisseur Paul-Emile Fourny übernimmt Lakmé in der kommenden Saison an sein Haus in Metz und so bleibt Zeit, das Stück noch weiter zu entwickeln. Die Ausgangsbedingungen im funktionalen und zurückhaltenden Bühnenbild von Benoît Dugardyn sind gut. Am Bühnenrand und auf der Drehbühne erlauben ornamental gestaltete, paraventartige Wände sinnvolle Szeneneinteilungen und schnelle Wechsel, auf folkloristisches Spielmaterial wird verzichtet. Wirkungsvoll ist auch die stimmungsvolle Lichtregie von Max Karbe. Nur fordert diese bühnengestalterische Zurückhaltung eben eine entsprechend empfindsame und dichte Personenführung.

Stefan Blunier – sein Vertrag als Bonner GMD ist gerade bis Mitte 2016 verlängert worden – hat das Beethovenorchester Bonn auf die sinnliche, zwischen Spätromantik und Impressionismus changierende Musik Léo Delibes' eingestimmt. Am Anfang vielleicht noch etwas fahl im Klang, bekommt das klangsinnliche Kolorit schnell eine angemessene und idiomatische Strahlkraft.

Dem Premierenpublikum gefällt die Inszenierung ohne Einwände. Großer Jubel insbesondere für Miriam Clark und Stefan Blunier und das Bonner Beethovenorchester.

Hinzuweisen ist noch darauf, dass die Bonner Lakmé auch in einer weiteren Besetzung auf dem Spielplan steht, mit der Sopranistin Aleksandra Kubas als Lakmé und Mirko Roschkowski in der Rolle des Gérald.

Dirk Ufermann

Fotos: Lilian Szokody