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Fakten zur Aufführung 

NORMA
(Vincenzo Bellini)
3. Dezember 2011
(Premiere)

Theater Dortmund


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In Kälte verbrannt

Mit einer zarten, wahrhaft lyrischen Overtüre, gefühlvoll von den Dortmunder Philharmonikern unter Leitung von Lancelot Fuhry intoniert, beginnt diese Bellini-Oper, der Vorhang öffnet sich – und die Zuschauer blicken auf eine blau-weiße, nahezu leere Bühne, von der links ein schmaler Raum in milchig-hellem, fast blendendem Licht abgeteilt ist. Er wird später als Schlafzimmer für Normas Kinder und als „Umkleidezimmer“ von Norma genutzt. Weitere Funktionen dieses "Kühlfachs" vermag der Zuschauer nicht zu entschlüsseln. Der  kühle, ja kalte Eindruck dieser Bühne, die Henrik Ahr eingerichtet hat,  begleitet die Aufführung bis zum Schluss. Der Chor, in grauer Kleidung und mit Stiefeln bekleidet, singt zunächst aus der Mittelbühne, was dem Klang gar nicht gut tut, wie die späteren Auftritte zeigen. Diese kahle, kalt ausgeleuchtete Bühne, später mit einer Kollektion von Stapelstühlen angereichert, gibt der Szene den Charme eines funktional eingerichteten Akademiesaals. Er lässt keine menschlichen oder sachlichen Beziehungen aufkommen. Ahrs Bühnenausstattung vermeidet geradezu jeglichen Bezug zum historischen Hintergrund des Libretto, das Felice Romano um 1830 für Bellini erstellte. Ähnlich zeitlos-beziehungslos wirken die von Bianca Deigner entworfenen Kostüme, Normas grün-verblichener, bodenlanger Bademantel kann nur als Bestrafung verstanden werden. Die Positionierung der Sängerinnen und Sänger gibt ihnen wenig Bewegungsraum, die häufige Benutzung der Stühle als Singpositionen – auch für den Chor - ist befremdlich, die Aufführung wirkt sehr statisch. Sie unterstützt an keiner Stelle die musikalischen Ideen, die Bellini seiner Oper reichlich mit auf den Weg gegeben hat.

Für den „dramatischen Elan“ und den „Reichtum an Melodien“, von dem G.Holzer spricht, sorgen Chor, Orchester und Solisten, und die Besucher sind dankbar dafür. Als Oroveso füllt Wen Wie Zhang mit seinem voluminösen Bass ohne Mühe die Szene, Miriam Clarks heller, klarer Sopran gibt nach anfänglichen Unsicherheiten der Norma in der gesamten Aufführung die gewünschte musikalisch-romantische Note. Sie beherrscht auch die schwierigen dramatischen Szenen sicher und mit Musikalität. Ihr ist es wesentlich zu verdanken, dass das „Opernhafte“ der Aufführung erhalten bleibt. Dies gilt auch für Katharina Peetz in der Rolle der Adalgisa, die mit wohlklingendem Mezzosopran ebenbürtig neben Miriam Clark singt und mit ihr ein wunderschönes Duett gibt. Hier kann Mikhail Vekua als Pollione leider nicht mithalten, weder stimmlich noch gestalterisch füllt er seine Rolle aus. Julia Amos als Clotilda und Lucian Krasznec als Flavio tragen zum positiven Gesamteindruck des Musikteils bei.

Der Opernchor des Theaters kann seine stimmliche Kraft erst entfalten, nachdem er auf der Bühne nach vorne rückt und damit eine freiere Akustik hat. Die Dramatik dieser Oper mit den klassischen wechselseitigen Lieben, den unausweichlichen Gewissenskonflikten und dem ausweglosen Schluss werden ausschließlich musikalisch vermittelt. Am Ende dieser eigentlich romantischen Oper steht der Besucher vor dem Dilemma der Frage „ …und, wie wars?“

Eine Grundidee der Inszenierung von Enrico Lübbe lässt sich nicht ausmachen, wenn man einmal von dem Versuch absieht, die Protagonisten in eine andere Zeit zu holen.  Der Bruch zwischen szenischer Umsetzung des Libretto und der musikalischen Interpretation wird zu keiner Zeit auch nur in Ansätzen überbrückt. Auch wenn man dem Versuch einer "modernen" Inszenierung gern andere Spielräume zubilligt, geht dieses Experiment letztlich auf Kosten des Gesamtcharakters der Bellinischen Oper. Der musikalische Teil der Aufführung ist ingesamt gut gelungen, unverständlich und missraten erscheint die szenische Bearbeitung bis in die Schlussszene hinein, in der Norma und Pollione unmotiviert, phantasielos und peinlich, aus mehreren Kanistern mit Benzin übergossen werden und ein Feuerzeug aufflammt – blackout! Die Zuschauer schauen sich überrascht und ratlos an. Kein Zweifel, realiter überstehen Norma und Pollione diese Attacke, aber die Aufführung selbst ist „verbrannt“.

Das opernkundige Premierenpublikum differenziert unüberhörbar: Großer Applaus für Lancelot Fuhry und den gesamten Musikpart, besonders für Miriam Clark in der Rolle der  Norma, laute Buh-Rufe für das Inszenierungsteam – mit Recht.

Horst Dichanz

 

 









 
Fotos: Bettina Stöß/Stage Picture