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Fakten zur Aufführung 

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN
(Jacques Offenbach)
18. Dezember 2012
(Premiere am 1. Dezember 2012)

Theater Bielefeld


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Eine schöne Nacht der Liebe

Die scheidende Operndirektorin Helen Malkowsky hat sich mal wieder eines Stoffes angenommen, an den sich nicht so viele Regisseure wagen. Dass sie Oper inszeniert, die das Publikum gefangen nimmt, hat sie ja nicht zuletzt in Krefeld mit Mazeppa bewiesen. Im eigenen Haus bringt sie Hoffmanns Erzählungen auf die Drehbühne. Von der ersten Sekunde an nimmt die Regisseurin die Zuschauer mit auf die Reise durch eine fantastische Oper, in der es von skurrilen Gestalten und Handlungssträngen nur so wimmelt. Malkowsky gelingt es, detailfreudig, ohne verspielt oder albern zu werden, eine packende und ergreifende Geschichte zu erzählen, die eigentlich keine ist. Möglich ist ihr das aber vor allem deshalb, weil sie ein starkes Team zur Seite hat.

Die Grundlage dieses abwechslungsreichen Abends schafft Saskia Wunsch mit ihrer Drehbühne, die sie nicht nur dazu nutzt, verschiedene Welten zu schaffen, sondern vor allem, sie miteinander zu verbinden. Spätestens, wenn Malkowsky die Barcarole Belle nuit, oh nuit d’amour auf verschiedene Sängerinnen verteilt, die ihren Part im jeweils eigenen Raum singen – was dank der sinnvoll eingesetzten Drehbühne reibungslos funktioniert – ist einer der Glanzpunkte des Abends erreicht. Wer wissen will, was man mit einer Drehbühne tatsächlich alles anstellen kann, um ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, kann bei Wunsch noch eine Menge lernen. Ein Lob an dieser Stelle auch den Bühnenarbeitern, die beim Team Malkowsky/Wunsch alle Hände voll zu tun haben. Kein Raum kehrt unverändert wieder auf die Bühne zurück. Zahlreiche neue Details bewirken, dass das Auge nicht satt wird, ohne den Zuschauer zu überfrachten. Sehr schön auch die typisierenden Kostüme von Henrike Bromber, die über die jeweilige Rolle auch dem Betrachter alles sagen, der vor der Aufführung keine Zeit hatte, das Libretto zu studieren.

In einem solch fantasievollen, ausgewogenen Szenario fühlen Sängerdarsteller und Chor sich sichtlich wohl. Großartig Richard Carlucci – oder ist es E. T. A. Hoffmann selbst? – der den Schriftsteller unglaublich authentisch darstellt. Jede Bewegung stimmt, jede Mimik ist perfekt. Sein Tenor rein, differenziert und als Amerikaner mit einem beeindruckend klaren Französisch: So muss eine Hauptrolle besetzt sein! Mindestens ebenso eindrucksvoll der Bassbariton Tuomas Pursio. Ob als Lindorf, Coppelius, Dr. Mirakel oder Dapertutto: Der gebürtige Finne schwingt sich in wunderbar akzentuiertem Französisch in beinahe tenorale Höhen, wie er in seinem warm gefärbten Bass auch in der Tiefe verständlich bleibt. Das alles geschieht mit einer Leichtigkeit, in der er nur noch von Carlucci übertroffen wird. Mit etwas schwererem und dunkler gefärbtem Bass zeigt Vladimir Miakotine den Vater Crespel leidenschaftlich leidend. Cornelie Isenbürger kommt die anspruchsvolle Aufgabe der Olympia zu. Les oiseaux dans la charmille, Prüfstein jeder Olympia, meistert die junge Sopranistin mit augenzwinkernder Leichtigkeit und begeistert in jeder Sekunde mit ihrem natürlichen Schauspiel. Christiane Linke verkörpert die Antonia mit gleicher Natürlichkeit, verleiht ihr einen reinen, hellen Sopran. Sarah Kuffner kommt als Giulietta etwas voluminöser daher, deutet so etwas wie Erotik an und irritiert ein wenig mit ihrem burschikos wirkenden Auftritt. Im Volumen bleibt Melanie Forgeron als Muse zurück, so wie sie ihren Auftritt eher zurückhaltend gestaltet. Die übrigen Rollen sind hervorragend besetzt und wirken mit viel Spiel- und Singfreude am Gesamterfolg des Abends mit.

Einwandfrei präsentiert sich auch der Bielefelder Chor in der Einstudierung von Hagen Enke, der auch darstellende Aufgaben auf der Bühne bekommt. Während einige der Herren eher wie Statisten wirken, die gerade ihre tariflich vorgeschriebene Mittagspause verpasst haben, gleichen die Damen des Chores mit Esprit aus.

Weniger Esprit denn größte Ernsthaftigkeit zeichnet die Arbeit von Elisa Gogou aus. Sie hat keine Zeit für Mätzchen, sondern arbeitet hochkonzentriert am Pult, um die Bielefelder Philharmoniker zu differenziertem Spiel zu bringen, während sie unablässig die Sängerinnen und Sänger im Blick hat. Mit weit ausholenden Bögen sorgt sie für die nötige Aufmerksamkeit und gibt den Sängern ausreichend Raum, ihre Stimmen über den Graben zu tragen. Am Ende sieht man ihr die Anstrengung an und weiß: Das hat sich gelohnt.

Selten, dass man so beglückt das Theater verlässt. Malkowsky und Gogou mit ihren Teams ist das gelungen. Dafür gibt es ein großes Danke schön vom Publikum, und selbst die Tristesse einer verregneten Stadt will auf dem Heimweg kaum jemand bemerken.

Michael S. Zerban



Fotos: Kai-Uwe Schulte-Bunert