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Fakten zur Aufführung 

Der goldene Hahn
(Nikolai Rimski-Korsakow)
29. April 2014
(Einmaliges Gastspiel)

Theater an der Wien


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Satirische Oper mit Feinsinn

„Kikeriki“: Naheliegend und fast erwartungsgemäß hebt damit in Nikolai Rimski Korsakows Oper Der goldene Hahn die Musik an, mit Fanfarenmotivik und Trompetenklang. Warm getönte Holzbläsergirlanden spinnen den Ruf des Hahnes fort, wechseln zu einer exotisch orientalischen Atmosphäre. Der Hahnenruf zerstäubt, fallenden Tropfen gleich, wie leise blinkende Sterne, dann ertönt ein heller Kristallklang, der musikalische Einklang der drei wichtigsten Figuren: Die Handlung kann beginnen.

In seinem letzten musikdramatischen Werk Solotoi petuschok, so der russische Originaltitel, das erst 1909, ein Jahr nach seinem Tod, uraufgeführt wurde, bedient sich Rimski-Korsakow, wie schon in früheren Opern, erneut der Märchenform, wiederum nach einer Vorlage von Alexander Puschkin. Zarentum, Herrscherwillkür und Despotie werden in diesem satirisch hintergründigen Kunstmärchen gebrandmarkt. Seine Musik ist noch einfallsreicher, vielgestaltiger, farbiger als bei der Zarenbraut. Das Musikdrama, das jetzt als zweite konzertante Produktion im Rahmen des Gastspiels des Moskauer Bolschoi-Theaters am Theater an der Wien gezeigt wird, wird zwar ebenfalls als Rarität gehandelt, ist aber im Gegensatz zur Zarenbraut doch hin und wieder auf unseren Bühnen zu hören.

Heil dir o Strahl der Morgensonne! Bringst wiederum des Ostens Licht… : Das erste Arioso der orientalischen Königin von Schemacha, einer „Tochter der Luft“, einer Art Fata Morgana, ist die Urzelle des ganzen Werkes, ein Juwel der Musikliteratur: Arabesken im Vokal- wie im Instrumentalteil. Die sind aber mehr als bloßes exotisches Kolorit. Hier wird förmlich kosmischer Atem, der Hauch der Düfte und Lüfte imaginiert. Geradezu zuckersüß tönen dann später ihre verführerischen Gesänge. Auch die feinen, weit aufgefächerten, impressionistischen Klänge des Orchesters tragen das ihre zur hocherotischen Stimmung bei. Aber nicht nur akustisch mit ihren klaren, subtilen Piani und dahinschmelzenden Soprantönen ist die junge Venera Gimadieva ein Genuss, sondern auch optisch ist sie mit ihrem körperbetonten Glitzerkleid eine wahre Augenweide und eine magische Verführerin. Sie bezirzt mühelos den ihr total verfallenen, törichten, ältlichen Zar Dodon. Dieser wird von Vladimir Matorin mit ausdrucksstarkem, mächtigem, manchmal fast röhrendem Bass und so manchem köstlichen Tänzchen und witzigem Spiel zum Besten gegeben. Stanislav Mostovoy als Sterndeuter schraubt seinen, für diese Partie gewünscht, geschärften Tenor mühelos in Countertenorhöhen hinauf. In extreme Spitzentöne muss auch Darya Zykova als Goldener Hahn bei ihrem „Krähen“ empordringen. Polternd erlebt man Nikolay Kazansky als kriegerischer General Polkan. Die beiden Königssöhne, beide ebenso auffallend jung, gefallen ebenfalls: Borys Rudak als Zarewitsch Gwidon mit schönem Tenor und Konstantin Shushakov als Zarewitsch Afron mit kernigem Bariton. Recht lautstark sind Tatyana Erastova als Haushälterin und auch wieder der Chor zu vernehmen.

Die chromatisch schweifende Kühnheit in der Harmonik der Partitur, die Feinheit der Melodiebildung, die Raffinesse des an Debussy erinnernden Impressionismus in der Orchestration dieses Meisterwerks sind beim ungemein farbig, subtil musizierenden Orchester des Bolschoi-Theaters unter dem sehr dynamischen, jüngeren Dirigenten Pavel Klinichev in den besten Händen.

Und wieder gibt es großen Jubel im vollen Haus, was beweist, dass das Gastspiel des renommierten und traditionsreichen, russischen Opernhauses ein großer Erfolg ist.

Helmut Christian Mayer



Fotos: Theater an der Wien