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Fakten zur Aufführung 

DIE ZARENBRAUT
(Nikolai Rimski-Korsakow)
28. April 2014
(Premiere)

Theater an der Wien


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Ein düsteres, packendes Schauerdrama

Es war ein durch autokratische Machtausübung völlig vergiftetes Leben, in dem überall Gefahren für Leib und Leben lauerten, niemand vor Willkür sicher war, in dem der Täter von heute schon das Opfer von morgen und das Opfer von heute der Täter von morgen sein konnte und jeder jederzeit unschuldig schuldig werden kann: Das war Russland zu Zeiten von Iwan dem Schrecklichen, einem Zaren, der von 1530-1584 lebte, für seine Grausamkeiten gefürchtet war und in der Galerie der historischen Bösewichter einen besonderen Platz einnimmt.

In diese Zeit pflanzt der Dramatiker Lew Mej sein Schauspiel, auf dem Nikolai Rimski-Korsakows Oper Die Zarenbraut basiert. Ganze fünfzehn Opern schrieb der russische Komponist, der von 1844 bis 1908 lebte, die im 19. Jahrhundert mit zum Teil großem Erfolg aufgeführt wurden. Diese spätere, historische Oper Zarskaja Newesta, so der russische Originaltitel, deren Uraufführung 1899 stattfand, konnte sich hauptsächlich im russischen Raum durchsetzen. Es ist ein düsteres Schauerdrama, wie es von vielen Spätromantikern in verschiedensten Ländern hervorgebracht wurde, das von Liebe, Eifersucht und Verrat, Gift, Intrige und Mord handelt und jetzt im Rahmen des Gastspiels des Bolschoi Theaters Moskau am Theater an der Wien konzertant zum Besten gegeben wird. Konzertant deshalb, weil der Aufwand einer szenischen Aufführung bei diesem Gastspiel viel zu groß und kostenintensiv gewesen wäre.

Ist die Geschichte, in der Menschen von einem brutalen, völlig willkürlichen System zerstört werden, nach Lew Mey insgesamt doch recht kraus und schwer nachvollziehbar, so ist die Komposition ein typisches Werk des Fin-de-Siècle, voll packender Spätromantik mit einer Prise flirrenden Impressionismus, dazu natürlich russische Folklore – Rimski-Korsakow verwendete beispielsweise die auch aus Mussorgskis Boris bekannte Zaren-Motivik. Weiters hört man gewaltige Chöre, packende orchestrale Passagen, effektvolle Rollen, voll von glutvoller, teils wuchtiger, aber immer eingängiger Melodik mit gepflegten Arien und Ensembles.

Diese wird von der auswändig singenden und immer wieder mehr als nur andeutungsweise spielenden Sängerriege mit kaum einer Schwachstelle mitreißend umgesetzt. Es sind überwiegend kraftvolle Stimmen, merkbar an größere Häuser gewohnt, die zeitweise den akustischen Rahmen des doch eher kleineren Theaters an der Wien zu sprengen scheinen: Die heißbegehrte Marfa, eine schattenhafte, historische Figur, die dritte der acht Gemahlinnen Iwan des Schrecklichen, die unmittelbar nach ihrer Hochzeit im Jahre 1572 unter mysteriösen Umständen starb, wird von der jungen Olga Kulchinskaya mit einem mädchenhaften, glockenreinen Sopran und müheloser Höhe präsentiert. Alexander Kasyanov singt den von ihr abgewiesenen Leibgardisten Grjasnoj sehr markant und kraftvoll. Agunda Kulaeva singt die Ljubascha, die frühere Geliebte des Grjasnoj, die aus Eifersucht Marfa durch ein langsam wirkendes Gift in den Wahnsinn treibt, mit fülligem, dunklem, nuancenreichem Mezzosopran mit satter Tiefe und schleudert ihre Hassorgien nur so ins Publikum. Der Verlobte von Marfa namens Lykow wird, nach anfänglicher Nervosität, vom blutjungen Tenor Bogdan Volkov sehr subtil und höhensicher gesungen. Oleg Tsybulko ist ein markiger Bojarenführer Maljuta. Alexander Naumenko als Vater Marfas singt mit warmem, weichem Organ. Marat Gali ist der expressive Giftmischer Pomelius. Einzig Irina Udalowa mag ihr Riesenvolumen nicht zu zügeln, sie ist eine überlaute und schrille Saburowa. Fast zu stimmgewaltig ist auch der Chor zu erleben.

Der „Grandseigneur“ der russischen Dirigenten, der 83-jährige Gennady Rozhdestvensky, durchaus temperamentvoll am Pult, weiß das Orchester des Bolschoi-Theaters teils recht wuchtig, teils nicht immer ganz exakt, aber immer schillernd, farbenreich, spannend und glutvoll musizieren zu lassen.

Der Jubel des begeisterten Publikums ist groß, und man ist dankbar, eine zu Unrecht vergessene Rarität gehört zu haben.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Theater an der Wien