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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
28. Februar 2015
(Premiere am 11. März 2012)

Bayerische Staatsoper München


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Von Menschen und Göttern

Der Premieren-Aufreger bestand darin, dass sich der Regisseur doch tatsächlich anmaßte, bei einem fünfstündigen Abend zehn Minuten rhythmische Choreografie von Zenta Haerter an den Anfang des Walkürenrittes zu stellen. Gut informierte Wagnerianer buhten bereits vor Beginn des Tanzes von jungen Statistinnen, die das Aufbäumen der Rösser symbolisieren. Zwischen Buhs und Bravo-Rufen erzeugte sich dabei eine Stimmung zwischen Galerie und Parkett, die die Ewiggestrigen wohl nicht durchschauen, die Regisseur Kriegenburg aber geschickt einsetzt: Während die Atmosphäre schon im Publikum kocht, sich die Tänzerinnen verausgaben, kann der musikalische Bombast des folgenden Rittes nur gelingen. Dieser findet zwischen peitschenden Walküren statt, die aufgespießte Helden nach Walhall führen. Ein starkes Bild und eine kluge Ergänzung zum Libretto, das in dieser Serie fast vollkommenen Anklang im Publikum fand, während sich das Haus traurigerweise entschied, den Tanz massiv zu verkürzen.

Kriegenburgs zweiter Ring-Teil wartet mit weiteren eindrücklichen Bildern auf. Zum Vorspiel ficht Siegmund in einer Einöde gegen vermummte Schächer. Darauf senkt sich die Weltesche samt Leichen von der Decke zu Hundings Haus. Nie alleine sind Siegmund und Sieglinde. Eine Schar von Mädchen übergibt den Trunk und erhellt die Stimmung mit Lichtpunkten, bis sie zu den Winterstürmen einen Intimraum aus Menschen bilden, der dem leidgeprüften Paar einen kurzen Moment der Ruhe schenkt. Harald B. Thors Halle wird im zweiten Teil neu bespielt und nur durch eine nostalgische Freiheitsreminiszenz an der Wand ergänzt. Wotan ist als Schreibtischtäter sichtbar gealtert. Die Lanze hängt domestiziert neben dem Gemälde einer Erinnerung an freiere Tage. Der Raum verkleinert sich, wenn er in Bredouille gerät, und einmal macht sich der gebundene Gott selbst Luft, indem das Zimmer wieder vergrößert. Zum Vorspiel darf er Wehrübungen mit seiner Lieblingstochter genießen, die, noch ganz der Backfisch, den Papa nachahmt. Kriegenburg macht eine sehr gelungene, private Szene aus den Dialogen mit Brünnhilde und Fricka. Bei der rührenden Verabschiedung schweigen die Götter, wenn Vater und Tochter sich in die Arme fallen. Das Menschentheater geht weiter, wenn silbern gekleidete Mädchen den Feuerschweif um den Fels legen. Neben der Salongarderobe der Götter bestechen vor allem die Rüstungskleider der Walküren mit zeitloser Schönheit, die Andrea Schraad klug und ästhetisch erzeugt.

Kriegenburg gelingen intime Momente, und er inszeniert dabei für die Ränge ebenso wie für das Parkett. Von dort ist fast nicht zu erkennen, dass der gesamte erste Akt in einem angedeuteten Lazarett spielt. Schwestern versorgen die geschundenen Leichen von Hundings oder Wölfes Mannen. Die Zeit ging seit dem friedlichen Urzustand des Rheingoldes eben weiter. Die Schwerter regieren, die im Siegfried als neue Epoche durch Feuerwaffen abgelöst werden. Kriegenburgs Figurenverständnis und der Sinn für große, menschengeformte Tableaus begeistern.

Stimmlich brillieren Wotan und seine Damen. Wie ausgetauscht seit dem Rheingold stemmt Thomas J. Mayer nicht mühelos, doch grandios den Kraftakt. Sicherer im hohen Register, glänzt er mit baritonalen Spitzen und einem runden, geschulten Klang, der nie übersteuert und nicht zum zu oft wotantypischen Plärren verkommt. Die letzten Buhs des Rheingolds verstummen und verwandeln sich in Bravo-Chöre. Natürlich auch für Anja Kampe, die neben Klaus Florian Vogt aus der Premierenbesetzung als Wälsungenpaar zurückkehrt. Mit kraftvollem Sopran, klarer Diktion und verzweifelter Miene lebt sie ihre Sieglinde und beweist nach ihrem kürzlichen Fidelio-Erfolg an der Scala ihre Routine im Hochdramatischen. Den Florestan gab dort Vogt. Als Siegmund scheitert er. Sein überhelles Organ polarisiert. Das ist Geschmackssache, doch die faktische Verweigerung der Wälserufe, die blasse Darstellung, sein an den Dirigenten gehefteter Blick und eine deutlich unterspannte, textlich unsaubere und mit den Tempi überforderte Darstellung kann nur als enttäuschend bezeichnet werden. Während die Winterstürme noch annehmbar gelingen, wäre der Hornist an diesem Abend im Graben besser aufgehoben. An der Rampe dagegen brilliert Evelyn Herlitzius als großartige Brünnhilde. Spielerisch gelingt ihr der Bruch vom Lausmädel an Wotans Seite zur selbstbewussten Entscheiderin, die dem Gott auch moralisch Paroli bietet. Das stützt sie mit höhensicherem und breit timbriertem Glanzsopran, der nicht an Spitzen und angenehmem, breitem Klang geizt. Hier etabliert sich eine Sängerin als klare Ring-Favoritin, der man endlos zuhören könnte. Erwähnenswert die einwandfreie zweite, auch stimmlich elegante Fricka von Elisabeth Kulman. Auf hohem Niveau routiniert und stimmgewaltig die Walküren.

Ebenso geht es mit Petrenkos erneut nuanciertem, präzisem und hier – der Partitur geschuldet – auch romantischem Dirigat. Er spielt mit den Tempi und donnert beim Walkürenritt gewaltig, lässt Loges Thema dagegen flimmernd aufklingen, tänzelt versunken durch die Wälsungenliebe und zieht im langen zweiten Akt den Schraubstock zu. Es ist eine Freude, dem GMD am Pult zuzusehen, wie er inszenierungskonform Tonbilder erzeugt und dabei sehr genau auf das Bühnengeschehen reagiert. Kriegenburg liefert ihm mit sehr menschlichen Göttern dazu die Vorlage, die er auch im Siegfried einlösen wird.

Lange Ovationen.

Andreas M. Bräu

 

Fotos: Wilfried Hösl